Mit dem Boot durch Preußens Streusandbüchse

Reisezeit: April - September 2008  |  von Doris Sutter

Der Mittelland-Kanal

Vom Nassen Dreieck zur Elbe

Am Nassen Dreieck zwischen Hörstel und Bergeshövede zweigt der Mittellandkanal (MLK)vom Dortmund-Ems-Kanal ab. Mit mehr als 325 km Länge ist er die längste künstliche Wasserstraße Deutschlands. Unsere großen schiffbaren Flüsse Rhein, Weser, Elbe und Oder fließen von Süden nach Norden und werden in Ost-West-Richtung nur durch diesen Kanal miteinander verbunden. Global gesehen ist er eine Inland-Verbindung zwischen Westeuropa und Osteuropa. Viel Geschick bewiesen die Preußen, bei der Planung. Der Kanal kommt mit drei Schleusen und drei Stauhaltungen aus. Wichtige Städte sind durch Stichkanäle mit ihm verbunden. Um den Wasserverlust durch Schleusungen, Versickern und Verdunstung auszugleichen, wird Wasser aus Elbe und Weser in den Kanal gepumpt. Damit dies nicht negative Folgen für die Ökologie dieser Flüsse hat, wurden im Rahmen des Kanalbaus die Edertalsperre und die Diemeltalsperre als Wasserreservoir errichtet. Seit seinem ersten Spatenstich 1906 ist der Kanal zu klein. Bis heute wird ständig irgendwo an ihm gebaut.
Der Mittellandkanal hat 480 Brücken. Viele davon mussten wegen der Kanalverbreiterung erneuert werden

das nasse Dreieck

das nasse Dreieck

wir lassen das nasse Dreieck hinter uns und biegen ab in den Mittelland-Kanal

wir lassen das nasse Dreieck hinter uns und biegen ab in den Mittelland-Kanal

Wir beginnen unsere Reise bei km 0 und befinden uns bis zu unserer ersten Schleuse, Anderten, in Bergfahrt. Die trapezförmigen Ufer sind mit Steinen befestigt. Dazwischen sind immer wieder Spundwände, denen die Wellen Unsterblichkeit verdanken. Fast auf der ganzen Strecke befindet sich auf einer Seite des Kanals ein Betriebsweg, der gut befestigt von Radfahrern und Fußgängern benutz werden kann. Es herrscht erstaunlich viel Berufsschiffverkehr. So viel, dass es schwierig ist zu überholen, wenn man einen sehr langsamen Polen oder Tschechen vor sich hat.
Die Kanalplaner scheinen ein großes Herz für Sportbootfahrer zu haben. Man fährt selten mehr als 5 km am Stück ohne einen Anlieger für Sportboote, einen Slip oder eine Einsatzstelle für Paddel- und Ruderboote zu finden. Oft sind die Spundwände für kleine Boote glatt verkleidet, so dass die Fender nicht in den Aussparungen verschwinden können. Auch Müll los zu werden ist kein Problem. Teilweise begleiten sehr hohe Dämme den Kanal und verhindern eine Aussicht ins Hinterland. Die deutsch- preußische Akkuratesse hat dem Kanal Bäume wie Orgelpfeifen verpasst. Eine Augenweide, wenn sich dazwischen eine wilde Kirsche mit weißen Blütenblättchen schmückt. Dort, wo die Ufer flach sind, erlauben sie einen Blick auf wahrhafte Gutshöfe, Gehöfte, Bauernhöfe, wunderschöne Backsteinhäuser mit roten Dächern. Moderne Windräder drehen sich in dem strammen Ostwind, der uns ins Gesicht pfeift und dazwischen steht auch schon mal eine alte, nostalgische Mühle, die man aber nur sehen kann, weil die Bäume noch unbelaubt sind. Die Fahrt ist eintönig, das kann man nicht wegleugnen.

viel Verkehr

viel Verkehr

es wird gebaut

es wird gebaut

Blick ins Hinterland

Blick ins Hinterland

Jachthafen Hannover

Jachthafen Hannover

warten auf die Schleuse

warten auf die Schleuse

das wär geschafft

das wär geschafft

was einem alles so begegnet auf dem Kanal

was einem alles so begegnet auf dem Kanal

die Jenny.....
http://www.scheubner.de/

die Jenny.....

http://www.scheubner.de/

... unterwegs als MS Wissenschaft
http://www.ausstellungsschiff.de/index_2.htm

... unterwegs als MS Wissenschaft

http://www.ausstellungsschiff.de/index_2.htm

Die alte Kanalbrücke Minden ist wunderschön anzusehen, mit ihren nostalgischen Brückenhäuschen und den roten Sandsteinquadern, doch sie ist gesperrt, wir benutzen den neuen Trog um die Weser zu überqueren. Einkaufsmöglichkeiten sind auf diesem Stück dünn gesät. Ab Hannover ist Vorsicht geboten. Hier wurden bei der Verbreiterung des Kanals Spundwände stehengelassen, die meist unter Wasser sind. Anlegen nur an den ausgewiesenen Stellen. Auch nachts am Ufer liegend sollte man ein Ankerlicht setzen, damit die Berufsschifffahrt das Sportboot nicht übersieht. Obwohl rund um die Uhr geschleust wird, ist nachts wenig Betrieb auf dem Kanal.

Kanalbrücke Minden

Kanalbrücke Minden

Blick auf die Weser

Blick auf die Weser

die Schachtschleuse in die Weser

die Schachtschleuse in die Weser

Vor der Schleuse Anderten haben wir eine halbe Stunde Aufenthalt, dann schleusen wir mit zwei Berufsschiffen aufwärts in die Scheitelhaltung. 14,5 m Höhe ohne Schwimmpoller ist schon ein bisschen Arbeit. Laut Betonnung befinden wir uns, auch nachdem wir mit der Schleuse Sülfeld 9 m abwärts geschleust sind, immer noch auf Bergfahrt. Die grünen Tonnen sind auf unserer Steuerbordseite. Vielleicht das einzige High Light des Kanals ist die Durchfahrt Wolfsburg mit dem großen VW-Werk.
Seit Oktober 2003 ist das Wasserstraßenkreuz Magdeburg in Betrieb. Der Kanal überquert die Elbe in einer 918 m langen Kanalbrücke, der längsten Europas. Kurz dahinter erreicht man die Schleuse Hohenwarthe. Sie senkt die Schiffe um 18,5 m auf das Niveau des Elbe-Havel-Kanals.

Wir verlassen den Kanal bei km 319 über die Schleuse Rothensee Richtung Elbe. Das Hebewerk ist stillgelegt. In der großen neuen Schleuse sind die Schwimmpoller auf unserer rechten Schleusenwand. Sie bleiben erst mal einen halben Meter stehen, man muss sehr wachsam sein. Die Schleuse wurde 2001 nach 4-jähriger Bauzeit in Betrieb genommen. Sie ist 190 m lang und als Sparschleuse konzipiert. Die drei übereinander angeordneten Sparbecken ermöglichen 60 % Wasserersparnis. Die restlichen 40 % des Kammerinhalts werden bei der Talschleusung in den Rothenseer Verbindungskanal abgeleitet und durch fünf gewaltige Pumpen, die jede 3,5 m³ Wasser in der Sekunde bewegen kann, in den MLK zurück gepumpt. Das bringt Strömung in die obere Stauhaltung. Bei Ostwind hat man erhebliche Probleme von der Spundwand des Halteplatzes weg zu kommen.

Der MLK ist eine schnelle, bequeme Verbindung in die neuen Bundesländer. Selbst im Sommer, wenn die Ufer grün sind, kann man ihn kaum idyllisch nennen, und es herrscht unheimlich viel Verkehr.

Einfahrt in Jachthäfen ist schmal, damit der Sog der Schifffahrt nicht für Unruhe sorgt

Einfahrt in Jachthäfen ist schmal, damit der Sog der Schifffahrt nicht für Unruhe sorgt

VW bei Nacht

VW bei Nacht

und bei Tag

und bei Tag

Ein Sperrtor. Bricht ein Kanal irgendwo ein, werden vor und nach der Bruchstelle die Sperrtore geschlossen. So kann nicht der ganze Kanal leerlaufen.

Ein Sperrtor. Bricht ein Kanal irgendwo ein, werden vor und nach der Bruchstelle die Sperrtore geschlossen. So kann nicht der ganze Kanal leerlaufen.

Übernachtung im Kanal ist wegen des Sogs der Berufsschifffahrt nicht immer angenehm.

Übernachtung im Kanal ist wegen des Sogs der Berufsschifffahrt nicht immer angenehm.

© Doris Sutter, 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Begleitet Beluga und ihre Crew auf ihrer Bootstour durch Preußens Gloria und die neuen Bundesländer. Die Bootsreise begann am Rhein, führte über den Dortmund-Ems- und Mittellandkanal zur Elbe, über die mecklenburgische Seenplatte nach Berlin, die Oder ins Stettiner Haff und in den Amazonas des Nordens, in die Peene. Aber lest doch einfach selber.
Details:
Aufbruch: April 2008
Dauer: 5 Monate
Heimkehr: September 2008
Reiseziele: Deutschland
Polen
Der Autor
 
Doris Sutter berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Doris sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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