Teil 2 - Pyrenäen 2012 (Katalonien/Aragon) - Spanien

Reisezeit: September / Oktober 2012  |  von Uschi Agboka

Canfranc Estacion-Puerto Somport-Biescas

30. Tag-Valle d'Aspe -Fort Portalet- Valle d'Ossau- Valle Tena-Valle Broto

1. Oktober 2012 - Montag - 30. Tag
Camping Boltana, Ctra. N 260, km 442, Ctra. Margudgued, Boltana, Huesca - Aragon (Spanien)
Canfranc-Estacion - Torre del los Fusileros - Puerto de Somport - Valle de'Aspe - Fort du Portalet -Oloron-Ste.-Marie - Valle de'Ossau - Pic du Midi d'Ossau - Col du Pourtalet - Valle de Tena - Biescas - Linas de Broto - Kirche San Miguel - Valle de Broto
Fahrzeit: 7 1/2 Std. - 308 km

Nach einem gemütlichen Frühstück fahren wir um 10 Uhr los, bei 12 Grad. Zunächst N 260 bis Fiscal, weiter über Sabinanigo, A 23 bis Jaca, durch den 3 km langen neuen Petralba Tunnel. Unterwegs sehen wir einige Male die Wegweiser des Jakobsweges. Auf N 330 bis Canfranc-Estacion.

Dort schauen wir uns den phantastischen alten Bahnhof an, dessen Grundstein König Alfonso XII. 1882 nördlich von Canfranc legte. Als sein Nachfolger Alfonso XIII. das Bauwerk im Jahre 1928 einweihte, war ein Gebäude inmitten der Bergwelt entstanden, das nichts mit einer profanen Zugstation gemein hatte. Den 241 m langen Bahnsteig mit 75 Türen, einen der größten ganz Europas, säumte ein Traum aus Stein, Glas und Marmor, eine Mischung aus Jugendstil und Klassizismus. Das riesige Gebäude, das neben üblichen Räumlichkeiten wie Fahrkartenschalter und Bar auch ein Nobelhotel beherbergte, war nicht nur äußerlich - für einen Bahnhof - von außergewöhnlicher Schönheit. Marmorne Geländer umgaben die Treppen, feinste Ornamente verzierten die Wände. Die gesamte Anlage wirkte wie ein Treffpunkt der feinen Gesellschaft und nicht wie ein internationaler Gebirgsbahnhof. Als Canfranc-Estacion in Betrieb genommen wurde, war die Eisenbahn in der Gegend das Transportmittel schlechthin. Niemand dachte daran, dass dies einmal ein Ende haben könnte. Doch dieses kam schnell - andere Verkehrsmittel, u. a. das Auto, liefen der Bahn den Rang ab, die Strecke zwischen Frankreich und Spanien verlor an Rentabilität. 1970 stürzte eine Zugbrücke ein, dies nahm die französische Eisenbahngesellschaft zum Anlass, den Zugverkehr nach Canfranc einzustellen, denn die Brücke wurde nicht mehr aufgebaut.

Seither gibt es nur noch die Strecke nach Zaragoza, täglich fahren 2 Züge. Die meisten Gleise werden daher von Pflanzen überwuchert und die Weichen rosten vor sich hin. Und was am Schlimmsten ist, das Bahnhofsgebäude verliert an Substanz. Das Bauwerk kann man heute nicht mehr betreten, weil Vandalen und Souvenirsammler für Verwüstungen und Demontage einzelner Teil gesorgt haben. Der Putz blättert ab, die Wände sind feucht, die Fensterscheiben eingeworfen und die Mauern verschmiert. Darum wurde das Gebäude abgesperrt und darf nicht mehr betreten werden. Doch trotz all dieser Widrigkeiten - das Gebäude ist auch nur von Außen eine Besichtigung wert und beeindruckt uns sehr.

Auf der Fahrt sehen wir auch den 1879 erbauten Wehrtum "Torre del los Fusileros", ein 3-stöckiges Gebäude mit vielen Schiessscharten, umgeben von einem schützenden Graben mit Zugbrücke. Der Turm diente der Überwachung der Gegend. Heute ist dort ein Museum untergebracht.

Dann erreichen wir den Puerto de Somport, 1.640 m, an der Grenze zu Frankreich und seit alters her einer der wichtigsten Pyrenäen-Pässe. Schon Kelten, Karthager, Römer und Mauren nutzen ihn. Summus portus = höchster (Pyrenäen) Übergang, das war er jahrhundertelang. Im Jakobsweg findet man die Bezeichnung Portus Asperi, was einen Bezug auf das Aspe Tal auf französischer Seite nimmt. Früher waren es Heerscharen von Jakobspilgern, die hier das letzte große Hindernis auf ihrer Wanderung nach Santiago de Compostela überqueren mussten. Heute nutzen Transportunternehmer und Urlauber diesen Übergang auf dem Weg nach Barcelona oder Madrid. Auf dem Pass findet sich eine moderne Pilger-Skulptur und eine kleine Kapelle.

Der Straßentunnel unter dem Somport wurde von 1999 bis 2002 gebaut und am 17. Januar 2003 dem Verkehr übergeben. In der Bauplanungsphase der zum Tunnel führenden Schnellstraße entwickelte sich ab dem Jahr 1992 eine von europäischen Umweltgruppen getragene Protestbewegung. Die gegen den Bau gerichtete Argumentation bezog sich vor allem auf die zusätzliche Zerschneidung eines der letzten westeu-ropäischen Braunbärengebiete bei gleichzeitigem Verzicht auf die Reaktivierung der stillgelegten Bahnstrecke. Die Baustelle wurde mehrmals kurzzeitig besetzt. Im Jahr 1994 gipfelten die Proteste gegen den Somport-Tunnel in einer Demonstration von 8.000 Umweltschützern. Unterhalb des Passes finden sich die Ruinen des alten Pilgerhospitales Santa Cristina de Somport, aus dem 11. Jh. Ursprünge des Klosters gehen allerdings zurück in die Regierungszeit des Westgoten-Königs Wama (7. Jh.). 1623 wurde es dem Predigerorden von Jaca unterstellt, die Mönche zogen dahin um und so lag 1661 das Kloster schon in Ruinen.

Es geht nun hinab ins Valle de'Aspe, nach Frankreich. Es ist schattig und kühl, Nebel wallen, sieht unheimlich aus.

Hoch oben am Felsen sehen wir das Fort du Portalet, gebaut 1842 bis 1870. Es ist schwer zugänglich auf einer Klippe gelegen und leider heute nicht zu besichtigen. Eine unheimliche Stimmung umgibt das alte Fort. 400 Mann konnten dort einer Belagerung standhalten. Das Fort diente dem Schutz der Straße über den Somport Pass. Unter dem Vichy-Regime wurden politische Gefangene dort inhaftiert. Das Gebäude wurde 1966 an eine Privatperson verkauft und verfiel. Doch 1999 wurde es von örtlichen Behör-den zurückgekauft und nach und nach restauriert. Heute wird das Fort als Historisches Denkmal eingestuft.

Die N 134 führt, teilweise von imposanten Felswänden eingerahmt. Von dem rauen Bergtal Valle d'Aspe geht die Harmonie einer unberührten Natur aus, dank der Wälder, in denen noch einige Bären im Schutze des Nationalparks der Pyrenäen leben, und der schlichten Dörfer mit den für die Gegend typischen Häusern.

Das Ökomuseum des Aspe-Tals, das auf vier Stätten verteilt ist - Sarrance, Lourdios-Ichere, Accous und Borce - bietet Erläuterungen zu dem Tal an: Geschichte der Wallfahrt, traditionelle Berufe und Schaf-zucht. In kleinen Bärenmuseen in Etsaut und Borce kann man sich über Braunbären informieren, die hier eines ihrer letzten Rückzugsgebiete haben. Zu Beginn des 20. Jh. lebten ca. 200 Braunbären in den Pyrenä-en, heute sind es vielleicht noch 15. Die scheuen Allesfresser bekommt kaum jemand zu Gesicht, nur hin und wieder sind Fuß- und Kratzspuren im Valle d'Aspe zu entdecken. Bis ins 20. Jh. besaßen dressierte Bären einen festen Platz im Leben der Pyrenäen-Bewohner - Gaukler zogen mit tanzenden Bären von Ort zu Ort. Das Abrichten der bis zu 2 m großen Raubtiere war schwierig. Sie besitzen keine mimische Muskulatur und daher sind Gemütsregungen bei ihnen nicht zu erkennen. So kam es häufig zu Unfallen. Als der Braunbär in den Pyrenäen selten wurde, kauften die Bärenführer ihren Nachwuchs in den Ländern Osteuropas. Doch heute gehören die Bären als Alleinunterhalter Gott sei Dank der Vergangenheit an. Doch in zahlreichen Traditionen sind sie lebendig geblieben. Ein als Bär verkleideter Mensch bildet in verschiedenen Orten noch immer den Mittelpunkt uralter Feierlichkeiten. Und wenn bekannt wird, dass eine Bearner Bärin Junge zur Welt gebracht hat, verbreitet sich diese frohe Kunde wie ein Lauffeuer.

In Sarrance bewundern wir in der Ferne die schöne Kirche. Da wir einkaufen wollen, halten wir in Oloron-Ste.-Marie. In diesem Ort treffen die Flüsse Gave d'Aspe und Gave d'Ossau aufeinander und werden zum Gave d'Oloron. Schon vor 2.000 Jahren existierte hier eine römische Siedlung, die 845 von den Normannen zerstört wurde. Zwei Orte gingen im 11. Jh. aus den Trümmern hervor, die jedoch ein gespaltenes Verhältnis zu einander hatten. Erst 1858 wurde aus den beiden Gemeinden ein Ort. Durch die Stadt führt die Via Tolosana, einer der französischen Teile des Jakobsweges nach Santiago. In der heute ca. 13.000 Einwohner zählenden lebhaften Stadt spielte der Handel immer eine wichtige Rolle, doch heute ist der größte Arbeitgeber ein Werk für Flugzeug-Fahrgestelle. Außerdem ist Oloron die Hauptstadt der Basken-mütze, die ebenfalls industriell hergestellt werden. Die größte der Fabriken stellt im Jahr über eine Million Berets her!

An den Ufern der Flüsse und in dem alten Viertel Sainte Croix findet man malerische Häuser. Die schlichte Kirche Sainte Croix aus dem 11. Jh. ist einen Besuch wert, ebenso die Kirche Sainte Marie (12. Jh.). Schmuckstück der ehemaligen Kathedrale ist das reich verzierte romanische Portal, das die Jahrhunderte gut überstanden hat. Und die neoromanische Kirche Notre Dame aus dem 19. Jh. mit ihrem 52 m hohen Kirchturm ist nicht zu übersehen. Es gelingt mir, sie im Vorbeifahren zu fotografieren. Unsere Tour geht weiter auf D 934, über Ogen les Bains, Buziet, Buzy, Arudy (Route des Pyrenes - Route Thermale) durch das herrliche Valle de'Ossau.

"Das Herz erweitert sich in diesem unendlichen Raum; es ist eine Wonne, diese Luft zu atmen; die geblen-deten Augen schließen sich vor der Helle; die vom glühenden Himmelsdom zurückgeworfen, sie überflutet und umflimmert!

So empfand der französische Historiker Hippolyte Talne im 19. Jh. die Stimmung, vielleicht romantisch verklärt, doch an Schönheit hat die Bergwelt um den Pic du Midi d'Ossau (2.884 m) nichts eingebüsst.

Es geht hinauf auf den Col du Pourtalet, 1.794 m, wiederum Grenze zwischen Frankreich und Spanien. Der Pass verbindet das Valle d'Ossau und das Tena Tal. Die Pass-Straße wird von den schroffen Pic d'Aneou (2.364 m) und Pic du Pourtalet (2.441 m) eingerahmt. Aufgrund des vielen Schnees ist der Pass meist von Ende Oktober bis Ende Mai geschlossen. In dem auffallend grünen, teilweise von hohen Nadelbäumen bewachsenen Tal begegnen uns viele freilaufende Rinder, auf der Straße liegend. Auch große Herden von Wildpferden - Caballos Pastando - wandern über die Straße, völlig ohne Angst. Sie haben das Recht des Weges. Auf der A 136, der spanischen Seite des Passes, fahren wir bis Biescas, vorbei am Embalse de Bubal. Der Stausee hat kaum Wasser. Es geht durch das Valle de Tena, am Rio Gallego entlang.

Im Valle de Tena zeigt sich eine imposante Landschaft, gewaltige, teilweise über 3.000 m hohe Berge, begrenzen das Tal. Auf den Gipfel liegt noch Schnee. Die Flora ist spärlich, fast nur Kräuter und Gräser wachsen hier. Doch die hochalpine Landschaft bietet zwei wichtige Einkommensquellen: Die Skistation El Formigal und der Kurort Balneario de Panticosa setzen auf Tourismus, während die zahlreichen Stauseen der Elektrizitätsgewinnung dienen. Für die Stauseen mussten in den 50er Jahren ganze Dörfer verlassen werden.

In Biescas machen wir Pause. In einer Einheimischen-Bar im alten Viertel genehmigen wir uns ein alkoholfreies Bier und einen Rotwein, 2,80 €. In Niederbayern zahlen wir das für ein Bier! Wir genießen es, in der Sonne zu sitzen, es hat 24 Grad. Heute beim Fahren, z. T. ohne Sonne, war es kühl, wir haben unsere dicken Jacken an. Zwei Katzen zanken sich, eine versteckt sich unter dem Motorrad. Und die Toilette der Bar ist mal wieder sehenswert, Bilder von James Dean und Marilyn Monroe entdecke ich und einen netten spanischen Spruch auf der Wand. Natürlich muss ich das fotografieren, was Rolf amüsiert.

Nach der Pause fahren wir über die N 260 über Puerto de Gotefablo, 1.423 m, bis Linas de Broto. Dort sehenswert die Kirche San Miguel. Weiter über Viu und Fragen (so heißt der Ort tatsächlich!) bis Broto, durch das Valle de Broto, durchzogen vom Rio Ara, auch ein wildromantisches Tal.

Rolf überholt ein Auto der Guardia Civil, sie folgen uns eine zeitlang, auch durch mehrere dunkle Tunnel. Ist mir irgendwie unheimlich. Doch plötz-lich sind sie in einem Dorf verschwunden. An der Abzweigung nach Fiscal warten mehrere bewaffnete Polizisten mit schnellen Motorrädern - auf wen wohl? Leider kann ich das nicht in Erfahrung bringen. Das geht Rolf denn doch zu weit, dass wir halten und ich frage ...

Gegen 17.30 Uhr sind wir zurück auf dem Campingplatz, nach 7 ½ Stunden und 308 km. Erst einmal unsere vielen Einkäufe auspacken, allein 8 Flaschen Wein, mir ist nach wie vor schleierhaft, wie Rolf das alles im Motorrad verstaut. Für die nächsten 3 Tage haben wir nun Vorrat: Fisch, Kaninchen, Rindfleisch, Tomaten, Endiviensalat, Pilze, Zwiebeln, Schinken, Käse Comte und Pate. Heute Abend bleibt die Küche kalt, für Rolf gibt es Pate und Salat, Trauben und für mich Tintenfischsalat, Oliven, dazu haben wir franz. Baguette und Rotwein. Gegen 19.30 Uhr verziehen wir uns in den Bus. Eine der Katzen hat sich die Schinken- und Käsereste geholt. Für die ganze Woche ist schönes Wetter vorher gesagt, 22 - 24 Grad, nachts 8 Grad, hin und wieder wolkig. Ideal, um Motorrad zu fahren.

Einige Anmerkungen, die jedoch nur für die Gegenden gelten, die wir bereisen: Die Straßen in Spanien sind besser als in Frankreich und die Preise in den Bars viel niedriger, die Toiletten viel sauberer. Dafür ist das Einkaufen ein Problem, die Geschäfte machen meist um 10 Uhr (selbst der Bäcker öffnet erst um 9 Uhr) auf, schließen ab 12.30 Uhr und öffnen erst wieder ab 17 Uhr. Und die kleinen guten Geschäfte, in denen ich gerne einkaufe, sind oft schwer zu finden. Gute Supermärkte wie in Frankreich gibt es hier in Spanien nicht. Frischen Fisch muss man suchen. Dafür ist die Gegend der Pyrenäen auf der spanischen Seite kaum besiedelt und das Klima ist wesentlich milder als in Frankreich. Was mich besonders fasziniert, sind die vielen freilaufenden Rinder, Schafe und Ziegen, denen wir häufig begegnen, besonders auch die Wildpferde, die keine Scheu zeigen.

© Uschi Agboka, 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Es handelt sich um eine 42-tägige Tour von Niederbayern nach Frankreich, in die Auvergne, weiter in die französischen und spanischen Pyrenäen.
Details:
Aufbruch: 02.09.2012
Dauer: 6 Wochen
Heimkehr: 13.10.2012
Reiseziele: Spanien
Frankreich
Schweiz
Der Autor
 
Uschi Agboka berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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