10 Tage in SIERRA LEONE

Reisezeit: März / April 2011  |  von Uwe Decker

Stippvisite in Bo

Ich kann nicht behaupten, dass ich unbedingt nach Bo will. Aber ich möchte trotz meines kurzen Aufenthaltes auch etwas unternehmen außerhalb der Halbinsel, auf der Freetown liegt, etwas sehen von Land und Leuten, und sei es aus dem Fenster eines fahrenden Busses. Und da finde ich Bo, die zweitgrößte Stadt des Landes mit ca. 150.000 Einwohnern keine schlechte Wahl. Und außerdem hat sie einen kurzen Namen, den ich beim Ticketkauf sauber aussprechen kann.

Keine schlechte Wahl ist auch der Bus der staatlichen Gesellschaft SLRTC (Sierra Leone Road Transport Corporation). Hier geht es überraschend organisiert zu. Das Ticket kann man schon am Vortag kaufen, 20.000 Leone (3,50 Euro) für eine unbestimmte Fahrzeit in das etwa 200 Kilometer entfernt liegende Bo.

Es herrscht die strikte 1-Passenger-1-Seat-Regel. Bei Ankunft am Busbahnhof am frühen Morgen stehen die Busse ordentlich in Reih und Glied und sind mit dem Fahrziel an der Windschutzscheibe gekennzeichnet.

Mit nur 1 Stunde Verspätung geht es los, und morgens um 7 Uhr kommt man noch recht problemlos durch die östlichen Stadtviertel aus der Stadt heraus. Die Unterhaltung während der Fahrt ist gleich mit an Bord. Zunächst gibt sich ein älterer Herr als Verkaufsagent für traditionelle chinesische Medizin zu erkennen und erläutert den durchaus interessierten Fahrgästen detailliert jeden Inhalt seiner zahllosen Fläschchen und wogegen er hilft. Nachdem er seine Waren an den Mann, oder besser an die Frau gebracht hat, sorgt unserer Busfahrer für das nächste Intermezzo, eher unfreiwillig. Ein Reifen ist geplatzt, wir halten an einem kleinen Dorf, und die umliegenden Felder und Gärten werden dankbar als große Open Air Toilette benutzt.

Unsere Panne sorgt für großes Aufsehen, auch andere Busse und Poda-Podas halten, um zu schauen, ob geholfen werden kann, wieder andere brettern auf der gut asphaltierten Straße in hoher Geschwindigkeit an den Menschentrauben vorbei.

Ein Stündchen später geht es dann weiter, dieses Mal mit meinem Hintermann als Entertainer, der sich als enthusiastischer, christlicher Laienprediger outet, ständig den Gang auf und ab rennt und das Wort Gottes lautstark und ständig gegen den Verkehrslärm ankämpfend im Bus verbreitet. Er tut mir etwas leid, denn er ist schon nach kurzer Zeit schweißgebadet, aber auch er findet aufmerksame Zuhörer. Die Menschen in Afrika sind sehr religiös, in Sierra Leone sind ca. Dreiviertel muslimisch, besonders um die Hauptstadt herum ist der christliche Glaube aber sehr verbreitet. Glaubenskonflikte sind unbekannt, und wer kann, sollte einmal Sonntag Mittag durchs Stadtzentrum Freetowns fahren, wenn die Leute aus den Kirchen strömen, die Frauen in ihren schicken bunten Ausgehtrachten, die Männer in Anzug, weißem Hemd und Krawatte und die Kleinen allerliebst ausstaffiert. Ein bezauberndes Straßenbild, weitab von der Hektik, die wochentags vorherrscht.

Bei einem Verpflegungsstopp mitten im Nirgendwo kann ich mich ein wenig zurückziehen und dezent ein paar solcher Fotos schießen, die auf den Märkten Freetowns für den allein umher irrenden Touri leider unmöglich sind.

Wann wir Bo erreichen kann ich nicht so genau sagen. Die Uhr habe ich im Urlaub schon lange abgelegt, es muss etwa später Mittag sein. Ich suche mir ein zentrales Hotel, das offensichtlich sehr beliebt ist. Ich bekomme das letzte verfügbare Zimmer. Es ist tatsächlich das Letzte, schlecht, aber billig und ich mache mich sogleich auf die Erkundung der Stadt.

Bo ist nett, ein gemütliches Städtchen ohne die in Freetown herrschende Hektik. Besonders auffallend sind die zahlreichen Diamond Offices, obwohl das Gebiet der großen Diamantenminen noch ein gutes Stück entfernt liegt. Aber ein langer Nachmittag reicht eigentlich für die Stadt.

Zwei Dinge gefallen mir gut. So mies mein Zimmer ist, so schön ist das Hotel. Es hat Atmosphäre. Und ein nettes Restaurant auf dem Hof, zur Straße hin. Mit gutem Essen, netter Bedienung und einem Fernseher in der Ecke. Der läuft abends mit einem grieseligen Bild, auf dem wenig zu erkennen ist, was aber viele Kinder nicht abhält sich auf der Straße am Gartenzaun das Gesicht platt zu drücken, um einen Blick auf den Bildschirm zu erhaschen.

Das zweite Highlight ist eine Bretterbude gegenüber vom Hotel, ein Musikshop, innen vollgestopft mit Computern, Audiogeräten, CDs und DVDs. Hier kann ich die Musik, die ich aus den Clubs kenne und so liebe, von CDs direkt auf meinen Mikrochip im Handy kopieren lassen. Pro Song 5 Cent. Damit beginnt für den Rest des Urlaubs ein Großangriff auf meine Ohren. Wo immer möglich, nehme ich meine Kopfhörer, drehe das Handy voll auf und lasse mich volldröhnen. Auf der Rückfahrt mit dem Bus, im Hotel, vorzugsweise aber auf meinen langen Strandspaziergängen. Herrlich !

Die Nachtruhe in Bo bleibt nicht ungestört. Es regnet heftig, Vorboten der nahen Regenzeit. Sierra Leone gehört zu den regenreichsten Ländern Afrikas. Mein Fenster ist nicht dicht, erst tröpfelt es nur, aber in kurzer Zeit ist mein Zimmer überschwemmt und ich versuche, so gut es in der Dunkelheit geht -natürlich ist mal wieder Stromausfall- meine Sachen in Sicherheit zu bringen.

© Uwe Decker, 2011
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Ein einhalb Wochen auf Tour in einem höchst ungewöhnlichen Urlaubsland
Details:
Aufbruch: 25.03.2011
Dauer: 11 Tage
Heimkehr: 04.04.2011
Reiseziele: Sierra Leone
Der Autor
 
Uwe Decker berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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