Indien von Süd nach Nord, 1993/4

Reisezeit: November 1993 - Februar 1994  |  von Adi Meyerhofer

Indien (3. Jan. bis 4. Feb. 1994)

Indisches Münzchaos, zahlreiche Varianten ein und derselben Denomination machten Automaten unmöglich. (Die 5 Rs Münzen liefen nicht um, man kaufte sie im Telephonladen um dort in der Kabine zu versuchen ein Ferngespräch zu erhalten, was selten im ersten Anlauf gelang. Unterste Reihe Sri Lanka.)

Indisches Münzchaos, zahlreiche Varianten ein und derselben Denomination machten Automaten unmöglich. (Die 5 Rs Münzen liefen nicht um, man kaufte sie im Telephonladen um dort in der Kabine zu versuchen ein Ferngespräch zu erhalten, was selten im ersten Anlauf gelang. Unterste Reihe Sri Lanka.)

Kerala

Wechselkurs Januar 1994: 35-36 für 1 US$. Für gewisse Transaktionen, wie gute Hotels, Bahnfahrkarten auf Ausländerquote, Flugtickets war noch die offizielle Umtauschbescheinigung vorzulegen. Gelegentlich wurde der verbrauchte Betrag rückseitig vermerkt.

Beim Einchecken im Hotel war in dreifacher Ausführung das C-Form auszufüllen. Ein Meldezettel, der neben Name und Adresse, Name des Vaters auch jedesmal Paß- und Visumsnummer, Ausstellungsort und Gültigkeit beider, woher und wohin abfragte.

Kerala "Backwaters." (Backwaters hat im Englischen auch die Bedeutung "rückständig.")

Kerala "Backwaters." (Backwaters hat im Englischen auch die Bedeutung "rückständig.")

In Indien war man damals -- nicht zu Unrecht meiner Meinung nach -- stolz darauf, daß es kein Coca Cola gab! Ebensowenig gab es importierte Autos. Gebaut wurde in Lizenz nur der Ambassador, eine britische Limousine der 50er. LKW und die Motorrikshas ("Tuk-tuk") mit 2-Taktern baute Tata. In Fernzügen kam der Schaffner und fragte was man zu Mittag essen wollte, im nächsten Bahnhof wurden die Bestellungen voraustelegraphiert (gemorst!), eine Stunde später das frische Essen an den Platz geliefert. Weiße tituliert man immer mit "Sir," der eine oder andere Bettler sagte auch noch "Sahib." Man kann sich an Dienstpersonal duchaus gewöhnen, denen fehlt aber jegliche Flexibilität, der Tee-Wallah bringt NUR Tee, der Dhoby-Wallah, trägt nur die Wäsche usw. ("XYZ-wallah" ist "einer, der XYZ macht"). Im Chomwalla-Palast des Nizam (König) von Hyderabad gab es bis 1968 für jeden der 18 Kristalleuchter je zwei Abstauber, die nur für ihren Leuchter zuständig waren.
Lokomotivführer indischer Dampfloks blieben lebenslang auf "ihrem" Fahrzeug. Auch heute nicht unüblich ist es, daß z.B. Hotelpersonal kein eigenes Bett hat (von Personalzimmern träumt eh keiner), sondern im Speisesaal die Tische zusammengerückt werden und sechs oder acht Mann sich aneinanderkuscheln. Etwa 1986 hatte man begonnen "die Wirtschaft zu reformieren," d.h. neo-liberalen Raubtierkapitalismus amerikanischen Musters einzuführen. Das hat zwar das Entstehen einer kleinen Mittelklasse (2010 um 10%) gefördert, aber die große Masse der Bevölkerung wird weiterhin in Armut gehalten. Die damit einhergehende Globalisierung, in Verbindung mit dem Internet, hat allerdings auch zu Arbeitsplatzverlusten in USA und Europa geführt (Stichwort: call center, Auslagerung der "back rooms" von Banken, Billigkleidung).

Der wirtschaftliche Verfall der BRD seit der Zeit der Kohl/Lambsdorff-Regierung (beides wegen Korruption rechtskräftig verurteilte Verbrecher) ist jedem der sehen will offensichtlich.

Die typischen Netze in den Backwaters von Kerala.

Die typischen Netze in den Backwaters von Kerala.

Der Flughafen von Trivandrum schien irgendwann in den 1960ern gebaut, die Fliesen fielen von der Wand usw. Allzu viele Flüge kamen nicht. Die tägliche Landung von den Malediven machte den Ort zum "international airport." Die Einreise ging, da nichts los war, flott, der Geldwechsel auch. Mein Tuk-tuk-Fahrer wollte mich partout an den Hippie-Strand nach Kovalam verfrachten, ich jedoch zum Bahnhof und nach Quilon (heute Kollam; 65 km nach Norden) und die "Backwaters." Während wir mit atemberaubender Geschwindigkeit Richtung Stadt düsten, plötzlich links von uns ein wüst gestikulierender weiterer Tuk-tuk-Fahrer. Er hielt mir während der Fahrt eine Brieftasche unter die Nase! Es kam heraus, daß die am Wechselschalter liegen geblieben war und man glaubte sie gehörte mir. Tatsächlich war sie von einem Franzosen, der inzwischen 2-300 m weiter vorn fuhr. Auf ging die wilde Jagd, nun zwei Tuk-tuks mit Vollgas!

Südindische ländliche Behausung (1994)

Südindische ländliche Behausung (1994)

Vom Bahnhof ging bald ein Zug nach Quilon. Dort fand sich schnell ein erträgliches Hotel. Der einzige Nachteil war, daß die Fassade eingerüstet war und ein Gerüstbalken zur Befestigung durch Badfenster ragte (zu Freude jedes Einbrechers). In der Lobby waren zwei deutsche Damen mittleren Alters (Typ Lehrerin), denen war der Laden nicht fein genug. Wir trafen uns Tags darauf auf dem Touristen-Boot (120 Rs statt der 20 Rs in der Eingeborenen-Fähre) durch die Backwaters wieder. Die beiden erwiesen sich dann als recht nett. Die Backwaters sind eine langestreckte Lagune, berühmt für ihre Kokosprodukte und die eigentümlichen Fischernetze. Der Bundesstaat Kerala war neben Bengalen der erste der eine gewählte kommunistische Regierung erhielt. D.h. etwas weniger Geld floß in die Taschen korrupter Politiker. Es gibt ein brauchbares öffentliches Gesundheits- und Bildungswesen, deshalb die niedrigste Analphabetenrate Indiens (nur 6%).

[Weil gebildete Arbeiter sich schlechter ausbeuten lassen, hat der Staat heute Probleme "internationales Finanzkapital" anzulocken. Vgl: [verweis=http://mpra.ub.uni-muenchen.de/7017/1/MPRA_paper_7017.pdf]INFRASTRUCTURE, GROWTH AND HUMAN DEVELOPMENT IN KERALA,[/verweis] 2008 (.pdf)]

Toilette mit Wasserspülung

Toilette mit Wasserspülung

Der Bootstrip endete in Alleppey, (= Alappuzha) von dort weiter per Bahn nach Cochin (heute: Kochi) dann Calikut (= Kozhikode). Am folgenden Tag dann mit dem Nachmittagsbus Richtung Mysore. Diese war der klassisch indische Null-Sterne-Bus. Außer der Windschutzscheibe keine Fenster, hölzerne Aufbauten. Die Strecke führt über die hinter der Küste verlaufende Bergkette der Ghats durch einen Nationalpark. Die Fahrt zog sich in die Nacht hinein. Ich hatte den Sitz hinter dem Fahrer für ein paar Rs extra reservieren können. Mitten im Nationalpark, von dem es hieß, im Walde lebten auch die Räuber, legte der Fahrer eine selbst für lokale Verhältnisse mörderische Vollbremsung hin. Keine 10 Meter vor uns kreuzte eine wildlebende Elephantenherde die Straße, der Leitbulle streckte ziemlich mißgestimmt die Stoßzähne in die Scheinwerfer. Auch für die mitfahrenden Inder eine Sensation. Andrerseits, ½ Sekunde später gebremst, es hätte Tote gegeben aber sicher keinen Elephanten! Die sind verdammt groß wenn man direkt davor steht!

© Adi Meyerhofer, 2013
Du bist hier : Startseite Asien Indien Indien (3. Jan. bis 4. Feb. 1994)
Die Reise
 
Worum geht's?:
Lang, lang ist's her.
Details:
Aufbruch: November 1993
Dauer: 3 Monate
Heimkehr: 24.02.1994
Reiseziele: Thailand
Sri Lanka
Malediven
Indien
Pakistan
Türkei
Der Autor
 
Adi Meyerhofer berichtet seit 11 Jahren auf umdiewelt.