Mit 5th Wheel durch Jordanien und Syrien

Reisezeit: Februar - April 2011  |  von Christoph Lehner

Frühlingsfarben im Nordwesten Jordaniens

Auf dem Weg vom Nordosten in den Nordwesten durchfuhr ich teilweise auch "Birmingham-suburb"-Gebiet. Aufs Geratewohl stoppte ich bei einer Blechrollladenbuden-Reihe um nach Wasser zu fragen. Klar hätten sie Wasser für mich, und zwar sehr gutes. Ich hatte exakt bei einer Wasseraufbereitungsanlage angehalten! Der Frischwassertank wurde sofort aufgefüllt - ich durfte dabei nicht mithelfen. Ich musste den (auch sofort) organisierten Kaffee trinken. Ob es hier Internet-Empfang gebe, fragte ich. Ein Arafatli rief dem Arafatli von nebenan. Schon wurde für mich im Autozubehör-Geschäft drei Rollladen weiter - kein Witz - der Chefsessel geräumt. "Nehmen Sie sich Zeit. Sie können den ganzen Tag hier bleiben. This is your shop!" (Mein Gedanke war: Ein Araber touristelt in Basels Vororten herum, klopft mal bei Novartis an den Rollladen und schwupps - wird ihm Vasellas Chefsessel geräumt. "This is your shop!"...)
Der nächste Halt ist Jerash. Eine lebendige, einladende Stadt. Natürlich mit unzähligen Läden. Kleider, Gewürze, Telefönlizeugs, Früchte, Gemüse, Telefönlizeugs, Tabak, Kaffee, Plastik- und Blechzeugs, Lebensmittel, Kleider, Telefönlizeugs, Gemüse... Wer keinen Laden hat, hat einen Stand. Mit Gemüse, Kleidern, Telefönlizeugs, Zigaretten, Nüssen... Wer keinen Stand hat, hat eine Schachtel oder ein Tuch auf dem Boden und verkauft Kleider, Früchte, Seifen, Blechzeugs, Telefönlizeugs, Zigaretten... Wer auch das nicht hat, der kauft. Gemüse, Zigaretten, Blech, Plastik oder Telefönli. Dann gibt es noch die Gruppen der Herumstehenden, Rauchenden, Schwatzenden und auf irgendeinen Einsatz Wartenden. Auch einige Touristen gibt`s. Die sind an den imposanten römischen Ruinen interessiert, welche auf einer Anhöhe direkt hinter dem Zentrum liegen. Das "Schau mal, was die früheren Imperialisten alles hingeklotzt haben" packt mich weniger.

Das Ziel der Etappe war das Waldgebiet um Dibbin, westlich von Jerash. Auch das gibt`s in Jordanien. Welcome in den Pinien- und Zypressenwäldern von Südfrankreich. Das Strässchen führte steil auf und ab durch eine hügelige Landschaft von grünen Wiesen, blühenden Blumen und Bäumen, rotbraunen Äckern und leuchtenden Olivenhainen.
Das Waldgebiet ist ein Nationalpark. Mit Eintritts-Kassenhäuschen. 2 JD. Ich hatte "nur" 5. Der Kassier hatte zu wenig Geld um 3 JD zurückzugeben. Dafür erhielt ich ein weiteres Müsterchen jordanischer Güte: Es sei nicht erlaubt, im Forest park zu übernachten, aber "You`re welcome!"
Also hocke ich nun in einer idyllischen, sonnigen Waldlichtung, weisse Wölkli ziehen blau vorbei, die roten Blümlein recken rundherum ihre Köpflein, die frisch gewaschenen T-shirts und Unterhosen hängen fröhlich an der Leine, die Vögeli zwitscherlern, das Lüftli düftelt milde, und ab und zu gurgelt ein Käfeli aus dem Espresso-Krüegli.
Plötzlich aber hörte ich es weiter unten knistern! Ja, jemand schlich sich heran. Er blieb stehen. Kam dann aber näher. Bis auf einige Meter. Kein weiterer Mensch sonst in der Umgebung. Nur er und ich. Und da! Er sagte es: "You`re welcome." Fast etwas scheu, aber er hatte es gesagt! Ich bin ja inzwischen etwas mutiger geworden, und mein Arabisch hat doch ein gewisses Niveau erreicht. Ich entgegnete (hier in der deutschen Übersetzung): "Fürwahr, einsamer Wandersmann und Freund der Natur, dein und mein und unser aller ist diese prächtige Welt. Auf dass sie uns erquicken und wir sie behüten mögen. Setz dich auf den Schemel und labe dich mit mir an einer Tasse warmen Kaffees. Allah möge ihn kräftig zuckern! Inshallah!"

Jerash

Jerash

Dienstag, 15. März
Heute war ein spezieller Tag: Mein letzter Tag in Welcome-Jordan.
ER hatte mich geweckt mit hellen Sonnenstrallah. Ich machte das Rolling sweet home startklar, fuhr einige Kilometer aus dem Wald heraus und machte im ersten Kaff den ersten Halt. Der Grund war ein kleiner Laden. Einer, wie es überall viele davon gibt. Oft haben sie ein Schild über dem Eingang, mit Beschriftung und einem Bild, immer im gleichen naif-realo-Stil eines Kinderbuches, Lebensmittel oder Hochzeitskleider oder was auch immer darstellend. Aber was zeigte das Schild dieses Ladens! Kein Gemüse und keine 60-er-Jahre-Damen-Frisur, sondern einen glänzenden, übertrieben muskulösen männlichen Oberkörper mit dümmlichem Meister-Proper-Kopf darauf. Ich betrat den Laden und kam gleich zur Sache: "Darf ich Sie fragen, was dieser wunderbare, gestählte männliche Körper, der über Ihrem Laden prangt, bedeuten soll?" Der Ladenbesitzer lächelte, sagte "kamsi" und deutete aus dem Laden. Er ging voraus, zeigte auf die halb geöffnete Tür gleich daneben und wiederholte sein "kamsi, kamsi!" Jetzt verstand ich: Come, see! Und er führte mich in ein Bodybuilding-Studio. Alle Geräte seien selber gemacht. Auch ein Spiegel hing an der Wand, sowie ein Plan mit Übungen für die verschiedenen Wochentage.

Dann - weiter - nordwärts - der syrischen Grenze entgegen.
Grenzübertrittserlebnisse... Na ja, ist halt so. Polit-national-psychologisch recht interessant. Männer-markieren-Grenzen-Uniform-Theater.

Adieu, Jordan, ich war welcome, but I go. Aber ich möchte das "You`re welcome to Jordan!" irgendwann wieder hören.

© Christoph Lehner, 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Zwei Monate in Jordanien und Syrien
Details:
Aufbruch: 07.02.2011
Dauer: 9 Wochen
Heimkehr: 12.04.2011
Reiseziele: Jordanien
Syrien
Der Autor
 
Christoph Lehner berichtet seit 11 Jahren auf umdiewelt.
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