Thailand - Malaysia - Singapur - Indonesien. Ein Reisebericht von 1989

Reisezeit: Juli / August 1989  |  von Peter Kiefer

Singapur/Tag 17: Gummidrachenblut

Am Morgen besteht unsere erste Übung darin, eine andere Bleibe zu suchen. Die Wahl fällt auf das Kian Hua, ein Rumpelkästchen und geradezu das Gegenstück zum Hawaiian Guesthouse der vergangenen Nacht. Apropos, von dessen Fenster im fünften Stock kann man noch die Fundamente des nicht mehr existierenden Hotel sehen, das wir in der vergangenen Nacht gesucht hatten. Der Boden des Kian Hua ist schief, die Fenster hoch und die Möbel sind eine drollige Sperrmüllmelange.
Singapur zeigt sich hier von einer angenehmen Seite, auch die Currypfannkuchen zum Frühstück sind wunderbar. Wir brauchen Singapur-Dollars. Die nächstbeste Bank ist in Raffles City, einem der vielen Shoppingcenter mit inwendigem Hotelkomplex. Dort mag man unsere Euroschecks nicht eintauschen (wir haben aber nun mal ein paar dabei und Singapur ist ein Finanzplatz, sagen wir uns). So beginnt eine kleine Suche, die uns zunächst zur Touristeninformation gleich nebenan führt. Man kann uns mit den Adressen zweier deutscher Banken versorgen und wir nehmen auf dem Weg dorthin die U-Bahn (eher zum Spaß, denn es ist nur eine einzige Station).
Diese U-Bahn ist ein Renommierstück des Stadtstaates, besteht nur aus Glas, Metall und Marmor, und damit das Ganze keine Flecken bekommt, ist alles verboten. Lauter Tafeln sind angebracht, die präzise anzeigen, was man bei welcher Verfehlung berappen muss, was also Rauchen, Spucken, Kaugummikauen, Nicht-die-Toilette-Spülen oder Hunde-Mitschleppen kostet. Und sollte einer auf die Idee kommen sich aus lauter Verzweiflung darüber vor den Zug zu werfen, kann er das hier ebenfalls nicht tun, denn das Bahngleis ist durch eine gläserne Wand versperrt. Hält ein Zug, sind die Türen der Waggons immer genau auf gleicher Höhe mit den sich dann öffnenden Türen der gläsernen Wand.

Aus der U-Bahn kommend, steigen wir direkt hinauf ins 20. Stockwerk eines Hochhauses. Unsere Euroschecks sind dort zwar bekannt, aber umtauschen mag man sie hier ebenfalls nicht. Vielleicht kann es die Deutsche Genossenschaftsbank in einem anderen Hochhaus. Diesmal ist es der 40. Stock und tatsächlich veranlasst eine nette Angestellte alles Notwendige und kurze Zeit später verfügen wir über tausend Singapur-Dollar.
Uns zieht es aus dem Bankenviertel in den Teil der Stadt, von dem man vor allem sagen kann, dass er noch übrig geblieben ist. Manche der Häuser verkommen allerdings weiter, sind nicht mehr bewohnt, selbst solche mit älteren Stuckfassaden und selbst christliche Kirchen. Jetzt um die Mittagszeit strömen die Büroangestellten zu den Food Centers, größeren Ansammlungen von Essensständen, die sich ehedem noch in den engen Sträßchen aufgereiht haben, heute oft in parkhallenähnlichen Gebäuden oder auf einem freien Gelände weiterbestehen. Das Verlockende an diesen Ständen ist, dass die ganze südliche und östliche Hälfte von Asien kulinarisch vertreten ist, wenn auch meist in der Fast-Food-Version. Die Auswahl der Fruchtsäfte scheint unbegrenzt. Wir trinken zum Beispiel einen Lotussaft (er kühlt den Körper von innen, sagt der Verkäufer).
Ich habe am Morgen bei der birmesischen Botschaft angerufen und erfahren, dass man jetzt wieder ungehindert ins Land einreisen könne und dass es keine Schwierigkeit sei ein Visum zu erhalten. Wir machen uns auf die Suche nach einer Reiseagentur, um zu erfahren, wie viel ein Flug nach Rangoon kostet. Bei Air Master Travel, hören wir, dass es keinen direkten gibt (der indirekte führt über Bangkok) und dass dieser Flug dazu unverhältnismäßig teuer ist.

Wir sind dabei unsere Birma-Pläne endgültig über den Haufen zu werfen und die Reiseroute neu zu überdenken. Ich erinnere mich wieder an die Frau mit dem Kind im Arm, die in dem Boot nach Kapit saß, die Gaughin-Schönheit. Und damit rückt plötzlich das Nächstliegende in den Vordergrund der Überlegungen: Indonesien. Bis zum Abend haben wir uns dafür entschieden.
Über vielen der chinesischen Hauseingänge im alten Singapur hängen rote Laternen. Karin, die es besser wissen könnte, behauptet anfänglich steif und fest, das seien billige Puffs. Weil aber so viele rote Lampen da hängen und in den Häusern Bäckereien, chemische Reinigungen und Autowerkstätten untergebracht sind, muss sie ihre Meinung schließlich ändern.
In einer Apotheke erzählt uns der Besitzer eine Menge über Singvögel, eines der Kulthobbys chinesischer Männer. Selbstverständlich hat auch er einen Vogel in einem Käfig sitzen. In den staubigen Auslagen liegen luftgetrocknete Kleinreptilien, wir interessieren uns für Gummidrachen. Gum Dragon's Blood, das hatte ich mal auf einer Flasche mit Öl, das man zum Einreiben für die Gelenke benützt, unter den Inhaltsstoffen entdeckt. Nun erfahren wir, dass es sich dabei um ein Baumharz handelt, das eine rote Farbe annimmt. Aber unsere Neugierde wird bald von der des Apothekers abgelöst, er stellt uns nun Fragen. Voran diese: was einen Menschen im Westen veranlasst in wilder Ehe zu leben. Die Antworten darauf sind so zahlreich, dass uns heute keine einzige überzeugende einfällt.

© Peter Kiefer, 2005
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Die Reise des Jahres 1989 ist ein wenig lückenhaft dokumentiert. Erstens streikte mein Fotoapparat zeitweilig, zum anderen hat der Atem des Tagebuchs nur etwa vier Wochen gereicht. Dennoch erfährt man einiges: die Begegnung mit einer Dorfgemeinschaft der Iban in einem Langhaus auf Sarawak, ebenso die mit einem javanesischen Sultan oder auch Einzelheiten einer Verbrennungszeremonie in einem balinesischen Dorf.
Details:
Aufbruch: Juli 1989
Dauer: circa 5 Wochen
Heimkehr: August 1989
Reiseziele: Thailand
Malaysia
Singapur
Indonesien
Der Autor
 
Peter Kiefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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