Sahara - Grenzfahrten zwischen den Welten

Reisezeit: November 2001 - Februar 2002  |  von Angelika Gutsche

Endlich wieder in Algerien!

Die Einreiseformalitäten in Bordj-Moktar können wir, nachdem die Mittagspause der Grenzposten beendet ist, relativ schnell hinter aus bringen. Stolz zeigen wir unser gültiges Transitvisum. Die Jungs machen einen etwas gelangweilten Eindruck und sind froh, sich mit uns ein unterhalten zu können. Bis zum Ende der Tanezrouft, also bis zu der Ortschaft Reggane, sind es von der Grenze aus 650 km Piste, die in gerader Linie von Süd nach Nord durch die Zentralsahara führt. Wir haben für diese Strecke drei Tage veranschlagt. Zuerst geht die Fahrt durch Bilderbuch-Sahara mit beidseitig großen Dünenfeldern, dann wird die Landschaft zur monotonen Wüstenplatte, unterbrochen von schon lange außer Betrieb gesetzten Solarlampen entlang der Piste. Ganz selten begegnen uns Lkws. Der auf der Karte als "Bidou 5" eingetragen Orientierungspunkt ist ein Militärposten. Der "Poste Weigand" existiert nicht mehr, ebenso besteht der als Rastplatz mit Hotel ausgewiesene "Aire de Repos" nur noch als Militärposten. Wir dürfen dort nicht übernachten und bekommen zum Trost zwei Orangen geschenkt. Hier auf algerischer Seite erscheint uns die Tanezrouft sicher. Damit die Fahrt über mehrere Tage in dieser eintönigen Landschaft nicht zu langweilig wird, gibt mir Hellmut täglich ein paar Stunden Fahrunterricht auf der Feuerwehr.

Endlich in Reggane! Wir sind stolz, allen Gefahren der Tanezrouft getrotzt zu haben und heil nach 1.000 km Wüstendurchquerung wieder in einer lebensfreundlicheren Welt angelangt zu sein. Wir melden uns auf der Polizeistation und dann geht's gleich auf der Teerstraße weiter nach In Salah, das wir am nächsten Tag, einem Samstag, erreichen. In Salah, diese Tuaregstadt im Süden der algerischen Sahara, erscheint uns als Inbegriff zivilisiert städtischen Lebens. Es gibt alles: Obst- und Gemüseläden, Bäckereien, Metzgereien, Cafés und sogar Hotels und Restaurants. Nur haben wir dafür kein Geld, zumindest kein algerisches, nachdem unsere Umtauschaktion in Chabil mangels Masse gescheitert war und hier natürlich samstags alle Banken geschlossen haben. Da naht die Rettung in Form eines schifahrenden Targi namens Hadschi, der in In Salah eine Reiseagentur betreibt. Hadschi kennt Deutschland, arbeitet professionell mit ausländischen Reisebüros zusammen und fährt auf Dünen Schi, was seinen Niederschlag in Artikeln von deutschen Magazinen fand, die jetzt die Wände seines Büros schmücken. Hadschi ist ein wahrer Segen! Er versorgt uns nicht nur mit algerischem Geld, sondern auch mit frisch duftendem Café, knusprigen Baguettes und saftigen Orangen. Und wir können von Hadschi aus Hellmuts Bruder in Deutschland anrufen und ihn über unser Schicksal beruhigen.

Ortschaft in Südalgerien

Ortschaft in Südalgerien

Dünenlandschaft

Dünenlandschaft

Wir haben ein Achttage-Transitvisum für Algerien, am Mittwoch waren wir eingereist, heute ist Samstag, also müssen wir es jetzt in vier Tagen zur tunesischen Grenze, zurück zu unserem Ausgangspunkt Taleb Larbi, schaffen. Insgesamt sind das noch an die tausend Kilometer. Die Teerstraße führt über das Plateau du Tademait gerade nach Norden bis El-Goléa und Ghardaia.

Gerade habe ich wieder das Steuer für meine Fahrstunde übernommen, geht es auch schon in steilen Serpentinen den Pass auf das Plateau hinauf. Vor Angst und Aufregung bekomme ich so schwitzige Hände, dass ich das Steuer kaum noch halten kann. Himmel, jetzt bloß nicht verschalten, wenn es im freien Flug rechter Hand einige hundert Meter hinuntergeht! Viele Lkws, die aus der Gegenrichtung kamen, sind hier schon verunglückt. Stundenlang eintönigste Fahrten über das Plateau hatten die Fahrer so eingelullt, dass sie zu spät den jähen Abbruch registrierten und geradeaus weiter in den Abgrund fuhren. Heute kann das nicht mehr passieren, denn oben wartet ein Militärposten, der jedes auf- und abfahrende Fahrzeug zum Halten zwingt. Allerdings ist der junge Mann so irritiert, eine Frau am Lkw-Steuer vorzufinden, dass er uns ohne Kontrolle sofort weiterwinkt. 230 km nach El-Goléa. Die einzige Abwechselung auf dem öden Geröllfeld des Plateaus bilden die alle zehn Kilometer aufgestellten Schilder mit Entfernungsangaben. Auf der ganzen Fahrt begegnen uns zwei Lkws. Jedes Gefühl für Raum und Zeit geht verloren. Endlich geht es bergab und für die Nacht finden wir einen wunderschönen Dünenring, in dem es sich windgeschützt lagern lässt. Die Nächte werden jetzt sehr kalt.

Der nächste Tag führt durch phantastische Dünenlandschaften. Seit unserem Aufbruch aus Gao begegnet uns das erste Touristenauto. Bei einer Straßensperre vor El-Goléa werden wir angehalten. Nach einer halben Stunde Wartezeit kommen einige Polizeiautos, um uns in die Stadt auf die Gendarmerie zu eskortieren. Wie wir erfahren, darf das Plateau wegen aufständischer Berberstämme nur im Konvoi befahren werden. Dem Militär war es unerklärlich, dass wir am Morgen einfach so alleine aus der Wüste aufgetaucht waren. Die Polizei ist höflich, entschuldigt sich für den unfreiwilligen Aufenthalt und lässt uns dann weiterfahren.

Wir kommen durch Ghardaia, einer Stadt auf Hügeln errichtet, mit reger Bautätigkeit, großen Industrieanlagen, einem modernen chirurgischem Klinikum und einem kleinem Flughafen. In den Tälern zwischen den Hügeln erfreuen große Palmerien das Auge. Es wirkt alles sauber und gepflegt. Jetzt sind wir richtig zurück im Maghreb. Unaufhaltsam schließt sich hinter uns der Vorhang zur schwarzafrikanischen Welt. Diese fremde, heiße, staubige, harte und so bunte Welt, in der wir uns noch vor kurzem bewegten und von der wir ein Teil sein durften. Die Sahara versinkt hinter uns und mit ihr die Menschen, denen wir uns nahe fühlten und die uns auf unserer Reise ans Herz gewachsen sind. Traurig verabschieden wir uns von den Nomaden der Wüste, diesen Wanderern zwischen Welten und Grenzen Sie bleiben als das unverzichtbare Bindeglied zwischen nördlicher und südlicher Welt zurück.

Fahrstunde auf der Feuerwehr

Fahrstunde auf der Feuerwehr

Hellmut geht es nicht gut. Plötzlich bekommt er Fieber, Schweißausbrüche, Übelkeit, Durchfall, Kopf- und Gliederschmerzen. Das Autofahren überlässt er jetzt ganz mir. Abends ist er nicht mehr in der Lage, in einer Steinebene hinter einer kleinen Anhebung unser Lager aufzubauen. Was kann es sein? Malaria? Ein anderes Virus? Wir müssen in drei Tagen die Grenze erreicht haben und wir haben als Bargeld nur noch algerische Dinar im Wert von 60 Dollar bei uns. Mir wird sehr mulmig und ich beschließe, bis Tunesien durchzufahren, komme was da wolle. Nach der tunesischen Grenze, in dem Touristenort Tozeur, gibt es sicher Bankomaten für Euro- und Creditcards und bestimmt auch Ärzte, die auf die Behandlung von europäischen Touristen eingestellt sind. Tozeur muss also erreicht werden.

Plötzlich gibt es an keiner Tankstelle mehr Sprit. Wie kann das in einem Land wie Algerien passieren, das selbst Erdöl fördert? Endlich bei Ouargla lange Autoschlangen vor einer geöffneten Tankstelle. Wir reihen uns ein. Die algerischen Fernfahrer sind sehr verwundert, eine Frau als Fahrerin des Feuerwehrautos auszumachen. Der Tankwart erbittet zur Erinnerung ein Souvenir. Hellmut hält sich neben mir nur mühsam auf dem Sitz. Hoffentlich hält er bis Tunesien durch!

Die letzte Nacht in Algerien verbringen wir nahe der Grenze in einem traumhaft schönen Dünenlager, mit Palmenhain und romantischem Vollmond. Für lange Zeit wird das die letzte Nacht unter freiem Wüstenhimmel sein. Hellmut ist immer noch sehr krank, doch morgen sind wir in Tunesien. Der Kreis hat sich geschlossen. Ein Traum von der Wüste geht zu Ende.

Heimreise durch Algerien

Heimreise durch Algerien

© Angelika Gutsche, 2004
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Auf den Spuren der Tuareg durch die Sahara: eine Abenteuerreise durch Algerien, den Niger und Mali.
Details:
Aufbruch: 05.11.2001
Dauer: 3 Monate
Heimkehr: 10.02.2002
Reiseziele: Algerien
Niger
Mali
Der Autor
 
Angelika Gutsche berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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