Djenné - la Belle und der Südosten

Reisezeit: Dezember 2006 - Januar 2007  |  von EvaLea Baby

Koutiala im Süden Malis

Fatoumata, das Hausmädchen am Ziehbrunnen im Hof des Hauses

Fatoumata, das Hausmädchen am Ziehbrunnen im Hof des Hauses

Koutiala - liegt im Südosten Malis in der Region Sikasso, Hauptort des Bezirks. Es ist 140 km von Sikasso entfernt, ca.18'000 km2 gross, hat eine Einwohnerzahl von ca. 130'000 und ist die 3.grösste Stadt Malis nach Bamako und Sikasso. Koutiala wurde gegen das 15.Jhdt von den Coulibaly gegründet, die aus dem Bambara-Königreich von Segou kamen. Es wird auch "die Hauptstadt des weissen Goldes" genannt, in Anlehnung an die ausgedehnte Baumwollproduk-tion in dieser Region, wobei diese Industrie zwangsläufig auch die Produktion von Stoffen mit sich zieht. Der Bezirk Koutiala umfasst 36 Kommunen. Koutiala liegt unweit zur Grenze nach

Tuaregschmied mit seinen Kindern und den Flaschenöffnern, die ich im Dutzend bestellte

Tuaregschmied mit seinen Kindern und den Flaschenöffnern, die ich im Dutzend bestellte

Burkina Faso und hat deshalb eine grössere Zollstation, vor allem für die vielen Lastwagen, die dort durchfahren. Dies alles sei nur am Rande erwähnt. Ich möchte über das tägliche Leben in Koutiala schreiben. Warum? Weil die Familie meines Mannes dort lebt, dh. ein Teil seiner Familie, seit der Schwiegervater pensioniert ist. Früher lebte die ganze Familie in Gao und Timbuktu. Die Familie wohnt allerdings in einem Quartier, das eher ländlich bezeichnet werden kann, obwohl von Koutiala als grosser Stadt die Rede ist. Ich selber war immer nur in diesem ländlichen Koutiala und fühle mich dort sehr wohl und zu Hause. Die Nachbarn kennen mich, ich bin nicht einfach eine Toubab, sondern gehöre zur Familie. Ich kann mich dort wunderbar erholen und werde von meiner Schwiegerfamilie verwöhnt. Das erste Mal war ich in Koutiala, als

Fatoumata beim Schleudern von Hirsekörnern zur Reinigung vor dem Haus

Fatoumata beim Schleudern von Hirsekörnern zur Reinigung vor dem Haus

wir noch nicht verheiratet waren, das war 2000, seither sind es einige Male gewesen. Damals hatten sie noch kein elektrisches Licht, auch kein Telefon. All diese Dinge sind inzwischen installiert worden, aber es ist immer noch das einfache Leben, auch wenn der Vater und einer der Brüder ein Motorrad haben, die Mutter eine Garküche neben der Zollstation mit einem Restaurantlokal (das leider fast immer leer ist), die Gäste kommen lieber direkt in die Küche und essen dort im Freien oder nehmen das Essen mit. In Koutiala gibt es kein fliessendes

"meine Strasse" in Koutiala

"meine Strasse" in Koutiala

Wasser aus dem Hahn, man muss es aus einem Ziehbrunnen heraufholen. Allerdings sind sie privilegiert, einen solchen Brunnen im Hof des Hauses zu haben. Die Nachbarn gegenüber haben das nicht und kommen in den Hof, um Wasser zu holen. Das Haus ist also mit einem Innenhof im Freien, der allerdings ummauert ist. Der "Salon" ist der erste Raum vom Hof her, dort werden Besucher nach dem Empfang hingeführt, dort schaut man "Télé" und palavert. Die anderen Räume sind durch einen Gang hinter dem Salon zu erreichen, das sind Schlafräume. Einen Raum hat es vor dem Salon auf der Seite, eine Art Anbau, dort schlafen fast immer junge Männer drin, Cousins, Brüder, oder wer auch immer. Gegenüber hat es einen separaten kleinen Bau, wo die Küche untergebracht ist. Zwischen diesem Küchenraum (meist wird aber im Freien

Besuch von Frau mit Baby

Besuch von Frau mit Baby

vor dem Raum gekocht, im Raum ist eher eine Art Speicher und Aufbewahrungsort der Küchenutensilien) und dem Haupthaus ist offener Hof mit einem Baum, daneben führt eine Treppe aufs Dach, wo man Wäsche aufhängen kann, oder man kann dort in heissen Nächten schlafen, meistens ist aber niemand oben. Rund herum sind ähnliche Häuser, die Strasse führt auf der einen Seite durch einen Mangohain zur Hauptverkehrsstrasse, auf der anderen Seite durch ländliche Quartiere wie dieses hier. Es stehen sogar ein paar Palmen weiter unten.

Hier wird Geschirr gewaschen...

Hier wird Geschirr gewaschen...

Die Menschen hier halten Haustiere, vor allem Hunde, manche haben Esel als Lastenträger, Pferde, dann Schafe, Ziegen, einzelne Kamele, und vor allem Schweine und Geflügel. Die Hühner und Hähne, die Schweine und Schafe, sie sind glückliche Tiere, dürfen sie doch herumziehen und leben ziemlich frei. Zwar landen sie früher oder später im Kochtopf, aber immerhin, sie haben ein Leben im Freien unter der Sonne, können herumlaufen sitzen nicht in Hühnerbatterien oder in engen Ställen ohne Bewegung wie bei uns in der Massentierhaltung. Ich habe mich jeweils am Morgen, nachdem mir mein Mann Sido Kaffee gemacht hat, mit dem Stuhl

"meine" Strasse in Koutiala am frühen Morgen

"meine" Strasse in Koutiala am frühen Morgen

vor die Türe auf die Strasse gesetzt und dem Leben zugeschaut. Das war wunderbar - all die vielen Menschen, die da vorbeigingen und sagten "Bonjour Madame"; oder "Ani Sogoma", oder meine liebe Nachbarin, Aminata, die mir lachend zurief "Bonjour Eva, ça va?! Tu as bien dormi?" Und dies eine Frau, die viel Arbeit hat, alles selber machen muss, und die ihren Mann

zwei Nachbarskinder

zwei Nachbarskinder

mit 2 anderen Frauen und vielen Kindern teilen muss. Ich konnte es nicht fassen, wie fröhlich und nett sie zu mir war. Allerdings sagte mir meine Schwiegermutter Deija immer wieder, ob ich

Anmut

Anmut

gesehen hätte, wie sie leide. Alle Frauen in polygamen Familien würden sehr leiden. Es stimme nicht, dass für sie das ok sei, es sei überhaupt nicht ok, aber sie hätten keine andere Wahl. Die Armut bestimmt hier das Leben - eine Frau, die verheiratet ist, ist versorgt. Hat sie Kinder und der Ehemann nimmt sich eine 2. oder 3. Frau, hat sie nur sehr limitierte Chancen, ihn zu verlassen, auch wenn sie mit den Zweitfrauen nicht einverstanden ist. Zum Glück gibt es tatsächlich monogame Familien und demzufolge monogame Ehen. Ich habe grosses Glück gehabt, dass mein

The Oklahoma Sooners

The Oklahoma Sooners

Mann aus einer solchen Familie kommt. Das hab ich damals ja nicht gewusst, als ich mich in ihn verliebte. Bei einer Heirat muss die Ehe im Stadthaus registriert werden, dort muss angegeben werden, ob man die Ehe in Polygamie oder Monogamie halten will. Allerdings ist es trügerisch - eine monogame Ehe kann später vom Ehemann im

ein unbekannter Reiter

ein unbekannter Reiter

Stadthausregister auf "polygam" abgeändert werden (ohne das Einverständnis seiner Frau, und selbst, wenn es nötig wäre, welche Chance hätte sie schon!) und er kann bis zu 4 Frauen heiraten... Man sagt zwar immer, dass die modernen Malier nur noch eine Frau nähmen.... Sagt man. Ob das wahr ist, weiss ich nicht. Ich kann nur nach der Familie meines Mannes beurteilen, dort haben tatsächlich alle Männer nur eine Ehefrau, ebenso ist es in der Wüste so - bei den Nomaden und den Völkern des Nordens, sie haben nur eine Ehefrau. Die Familie meines Mannes kommt aus dem Norden, aus Timbuktu und Gao. So sind auch die Frauen des Nordens nicht beschnitten, was mich zumindest aufatmen lässt. Keine Tuaregfrau ist beschnitten, allerdings die alten Generationen der Maurenfrauen sind es noch. Doch lässt man die Töchter nicht mehr beschneiden. Auch die Sonrai beschneiden ihre Töchter nicht - ansonsten ist es im Süden aber bis zu 95% die Regel. Eine Sache, die mir Hühnerhaut über die Schultern jagt. Ich habe viele Berichte darüber gelesen, habe die Unicef finanziell unterstützt gegen diesen barbarischen Brauch und auch die gängigen Bücher darüber gelesen.

Am Silvester-Neujahr, mein Mann und ich

Am Silvester-Neujahr, mein Mann und ich

Nun wollte aber ich vom Neujahr erzählen. Also, wir haben von den Schwiegereltern beide neue Kleider aus "Bazin" erhalten, das ist gestärkter Baumwollstoff. Sido bekam einen Anzug in Caramelfarbe, ich einen hellblauen Pagne (Wickeljupe), ein dunkel-blaues Blusenkleid und ein dazupassendes Kopftuch (siehe Fotos). Wir trugen es beide am Silvester -Neujahr. Gleichzeitig bestellte meine Schwiegermama im Auftrag von meinem Mann zwei Mädchen, die mir Hände und Füsse mit Henna bemalten. Das möchte ich hier erzählen. Die zwei Mädchen kamen ins Haus, ich musste mich auf den Boden auf eine Matte setzen. Eine der beiden

Mein Füsse werden "behennat", dh. zuerst klebt das Mädchen ein Muster aus Klebstreifen auf den Fuss

Mein Füsse werden "behennat", dh. zuerst klebt das Mädchen ein Muster aus Klebstreifen auf den Fuss

Gegensätze auf der roten Erde Malis

Gegensätze auf der roten Erde Malis

bemächtigte sich meiner Hände, die andere meiner Füsse. Es war äusserst schwierig zu sitzen und dazu noch Fotos zu machen....! Wie man auf dem Foto sieht, wurden meine Füsse und Hände mit Klebstreifen beklebt, die ein Muster bilden. Dann wurde darüber die natürliche Hennpaste aufgetragen, welche aus zerstampften Hennablättern, ein paar Tropfen Oel und Wasser angerührt wurde. Ueber die Paste wurde dann ein Plastiksäckchen gebunden. So musste ich eine Weile sitzen bleiben und durfte mich nicht rühren. Ich weiss jetzt nicht mehr genau, wie lange, aber es war mindestens 1 Stunde, ich glaube sogar 2. Später hab ich dann in Bamako nochmals dasselbe machen lassen, auch hier wieder hat mein Mann das arrangiert und bezahlt, dort wurde die Prozedur ganz anders gemacht, ich komme darauf noch zurück. Mit dieser Art der Hennabemalung wird die Zeichnung orange. Es ist die natürliche, unverfälschte Art.

Nachbarskinder Kinder mit Licht gemalt

Nachbarskinder Kinder mit Licht gemalt

Ich hatte diese Art schon bei den Nomaden in der Wüste kennengelernt, allerdings noch rudimentärer, dh. ohne aufgeklebte Streifen für ein Muster. Um die rote Zeichnung nachher schwarz zu bekommen (wie auf der Hand des Mädchens oben) muss anschliessend nochmals eine Paste für die Fermentation aufgetragen werden. Die bleibt nochmals so lang wie das Henna, es wird also zeitraubend. Ich habe aber darauf verzichtet, da auf meiner hellen Haut auch orange ganz hübsch aussieht. Später, als das orange Muster verblasst war, wir waren in Bamako kurz vor der Heimreise, hat Sido nochmals ein Mädchen bestellen lassen, das mir die Hände und Füsse mit Henna schmückte.

Die Hennapaste wird mit Wasser und zwei Tropfen Oel angerührt

Die Hennapaste wird mit Wasser und zwei Tropfen Oel angerührt

Diese Art ging ganz anders - es brauchte keine Klebstreifen, keine grüne Hennapaste, sondern die Paste wurde direkt durch eine Art Stoff, der wie bei einem Rahmbläser zu einem spitzen Dreieck mit Oeffnung vorne gedreht war, aufgetragen und direkt gezeichnet, erforderte also einiges mehr an Können. Das Foto ist

meine Hennahand "moderne Technik" in Bamako

meine Hennahand "moderne Technik" in Bamako

Mangobäume mit Früchten

Mangobäume mit Früchten

leider sehr verwackelt geworden, da ich in einer sehr unbequemen Position liegen musste, damit sie die Füsse bemalen konnte. Aber das Muster war zauberhaft und hat mir noch ein paar Wochen in der Schweiz gehalten. Dies waren meine "Hennageschichten" - ich habe nun schon solche in Timbuk-tu, in der Wüste nördlich von Tim-buktu, in Koutiala und in Bamako erlebt! Ich mag sie und finde sie zauberhaft. Die Henna-bemalung ist nicht nur zur Zierde, sie soll auch beschützen vor allem Unglück, Krankheit, bösen Geistern und wird - gemäss Fatouma, der Schwester meines Schwester - nur den frisch Verheirateten auf Händen und Füssen gemalt! Da ich nicht frisch verheiratet bin, hab ich ja Glück gehabt!

die ungleichen Zwillinge

die ungleichen Zwillinge

Bei einem Spaziergang allein rund um die Strasse, wo die Familie wohnt, hab ich diese Kinder angetroffen. Ich konnte nicht widerstehen, sie zu photografieren. Das grössere Mädchen links schaut zwar sehr skeptisch, aber die anderen waren sehr freundlich, und lachen musste ich über die "Oklahoma Sooners"! Vermutlich ein Sweat-Shirt von einer Hilfsorganisation, das auf dem Markt sehr billig verkauft wurde. Ich ging oft ganz allein mit der Kamera spazieren und entdeckte manches ...

Die Gattin des Tuaregschmiedes

Die Gattin des Tuaregschmiedes

die Menschen begrüssten mich überall sehr freundlich. Es war so schön! Ja, ich weiss, es ist nicht so sauber in den Strassen. Es ist vieles anders als bei uns. Ich liebe mein sauberes Badzimmer hier zu Hause in der Schweiz, das vermisste ich am meisten. Aber etwas ist mir be-sonders aufgefallen, was bei uns fehlt: Die Herzlichkeit, die Zeit, die man für den anderen hat, man ist hier Mensch, keine Maschine. Man hat hier Herz, keinen Stein. Ich weiss, es würde manchem nicht gefallen, denn es ist kein Land für ***- Sterne-Touristen. Mein Herz ist irgendwie dort geblieben, auch wenn ich hier in der Schweiz wieder alles habe und auch mein Mann aus Mali hier ist. Ich vermisse "meine" Familie in Koutiala.

Sonnenuntergang in Koutiala

Sonnenuntergang in Koutiala

© EvaLea Baby, 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Tagesausflug von Koutiala in Südostmali nach Djenné, der berühmten wundervollen Stadt mit der grössten Lehmmoschee der Welt, sowie Erzählung vom Leben im ländlichen Koutiala und der Märkte Malis
Details:
Aufbruch: 18.12.2006
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 17.01.2007
Reiseziele: Mali
Der Autor
 
EvaLea Baby berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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