Manali

Reisezeit: Juli - September 2004  |  von Daniel Rössler

Manali - Touristische Vergiftung

Manali, 18 August
Manali ist schrecklich, touristisch überlaufen und wirkt unauthentisch. Außerdem macht mir das ständige Schlechtwetter, vor allem der permanent in der Luft hängene Nebel, langsam zu schaffen. Schnupfen und Husten waren eigentlich die letzten pathologischen Sympthome, mit denen ich in Indien gerechnet hätte. Aber seit dem ich in den Bergen bin, ist sowieso nichts mehr "indisch". Ich meine, es gibt hier wirklich wunderbare Gegenden, mit liebenswürdigen Menschen. Die Gastfreundschaft und Offenheit der Leute hier überrascht mich jedesmal wieder aufs Neue- kein kleines, abgeschiedens Bergdorf, in dem ich nicht mit offenen Armen, neugierigen Blicken und einladendem "Chai, Mister, Chai" begrüßt worden wäre. Das Problem hier aber sind die etwas größeren Orte - sobald sich ein Dorf oder kleines Städtchen als Insidertip herumspricht, fallen binnen kürzester Zeit Massen von travellers ein. Restaurants, Souveniershops, Internetcafes entstehen; gleichzeitig wird die lokale Kultur kontinuierlich geschwächt- bis sie dann mancherorts gänzlich verschwindet. Manali scheint mir ein Prototyp dieser Entwicklung zu sein, deshalb werde ich diese touristische Hochburg schnellst möglich verlassen.
Doch das geht hier leider nur mit dem Bus...

Das mit dem Busfahren hier in den Bergen ist eine ziemlich zwiespältige Angelegenheit. Auf der einen Seite hat sich meine anfängliche Panik zwar verflüchtig, eine gewisse Unruhe kann ich aber nicht abstreiten. Die Strassen hier sind so...strassenuntypisch...und so eng, und hoch, und rutschig. Das scheint die Fahrer aber nicht wirklich zu stören, ganz im Gegenteil. Und wenn man dann - festgeklammert an einem der sperrigen Sitze - aus dem Fenster die tiefen Schluchten hinabschaut, die meist direkt neben den schlammigen Wegen abfallen, kann man schon auf dumme Gedanken kommen.

Auf der anderen Seite ist das Busfahren aber auch wunderbar: die Landschaft ist so was von "boooaaaaaahhh", lenkt man den Blick - weg von den Schluchten - etwas höher, ist es einfach überwältigend. Wenn ich daran denke, mit welcher Apathie ich in Wien Bus fahre - hier hänge stundenlang am offenen Fenster und kann nicht genug bekommen von der Landschaft, den Menschen die wie ein Film an mir vorbeiziehen...nonstopflash!

Es gibt wohl keine bessere Möglichkeit, authentischen nordindischen Alltag "mitzuerleben" und den Kontakt zu Einheimischen zu suchen, als in (oder auf) einem dieser sympathischen Blechbüchsen...

In Bussen habe ich die meisten Bekanntschaften und tiefsten Freundschaften geschlossen - mit Einheimischen zu reisen ist einfach interessanter und lustiger, als sich (wie viele andere das machen) mit privaten Jeeps in der Gegend herumkutschieren zu lassen.

© Daniel Rössler, 2004
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Zwei Monate mit dem Rucksack durch Indien!
Details:
Aufbruch: 10.07.2004
Dauer: 9 Wochen
Heimkehr: 10.09.2004
Reiseziele: Indien
Dharamsala
Manali
Spiti
Der Autor
 
Daniel Rössler berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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