Wünsdorf und Zossen in Brandenburg

Reisezeit: Januar 2002  |  von Anke Schlingemann

Fast 100 Jahre war Wünsdorf - im südlichen Berliner Umland gelegen - Garnisonsstandort. Bis zum April 1945 kamen von hier, von der Nachrichtenzentrale Zeppelin (siehe "Stammlager Zossen"), die Befehle zu den deutschen Truppen.

Wünsdorf - die verbotene Stadt

Fast 100 Jahre war Wünsdorf - im südlichen Berliner Umland gelegen - Garnisonsstandort. In der Weimarer Republik stand hier die Reichswehr unter Waffen. Die Nationalsozialisten bauten Bunker und Kasernen ins Gelände. Wenige Tage vor dem deutschen Überfall auf Polen wurde am 26. August 1939 das Hauptquartier des Oberkommandos des Heeres in die Bunkeranlage Maybach I verlegt. Bis zum April 1945 kamen von hier, von der Nachrichtenzentrale Zeppelin (siehe "Stammlager Zossen"), die Befehle zu den deutschen Truppen.

Nach Kriegsende bezog der militärische Führungsstab des sowjetischen Marschall Shukows in Wünsdorf Quartier. 1953 nimmt das Oberkommando der »Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland stationiert« hier seinen endgültigen Sitz. 30.000 russische Soldaten waren hier stationiert.

Seit 1974 befand sich in Wünsdorf die militärische Luftsicherheitszentrale, in der bis 1990 sowjetische Militärs mit Offizieren der DDR-Armee, ab der deutschen Wiedervereinigung mit Offizieren der Bundesluftwaffe, zusammenarbeiteten. Die Russen machten aus Wünsdorf den strategisch wichtigsten Standort des Ostblocks in Westeuropa und planten hier den 68er Einmarsch in die CSSR. 1994 hinterliess das Militär eine Geisterstadt inmitten einer idyllischen Waldlandschaft. Wünsdorfs militärische Geschichte ging zu Ende.

Die Militärstadt war streng bewachte Tabuzone. Auch als Wünsdorf nach dem Abzug der russischen Truppen zur Geisterstadt wurde, war der Zugang wegen militärischer Altlasten noch lange Zeit gesperrt. Das wurde erst anders, als vom Land Brandenburg beschlossen wurde, Teile der Landesverwaltung hierhin auszulagern, und ehemalige Kasernen zu Wohnhäusern umzubauen. Die Landesregierung stellte die Weichen zur Nutzung als Verwaltungszentrum und als Wohnpark. Mehr als 260 ha verdächtige Fläche mussten abgesucht werden, 98.300 Stück Munition und 47.000 Stück sonstige Kampfmittel zusammen mit 29,3 Tonnen Munitionsschrott und weiteren Bomben- und Waffenteilen wurden entsorgt. 45.000 qm Haus- und Sperrmüll (das entspricht einem Müllberg von 7 Metern Höhe und der Größe eines Fußballfeldes) wurden abtransportiert; hinzu kamen tonnenweise Chemikalien, Altöle, Altfarben, Altreifen, Akkumulatoren sowie Asbestabfälle.

Bücherstadt

In den Jahren seit dem Abzug der russischen Armee entwickelt sich wieder ziviles Leben im einstigen Militärsperrgebiet.

Bücherstadt

Bücherstadt

Am 12. September 1998 öffnete das Projekt Bücherstadt im Wünsdorfer Ortsteil Waldstadt seine Pforten. Bücherlager lösen die Militärarsenale ab. Nun gestalten Antiquare, Historiker und Künstler Deutschlands erste Bücherstadt. (www.buecherstadt.com)

Mit sechs antiquarischen Buchhändlern, Garnisonsmuseum, Restaurant und Teestübchen (sehr empfehlenswert!!!) in zwei aufwendig sanierten Gebäuden ging es an den Start. Das "Motorradmuseum an der B96" bezog im Sommer 2000 einen der ehemaligen Kaiserlichen Pferdeställe. In einem weiteren Pferdestall ist das Garnisonsmuseum (www.garnisonsmuseum-wuensdorf.de) untergebracht.

Haus der Geschichte und der Bücher

Das ehemalige Badehaus wurde als erstes Gebäude für die Bücherstadt eingerichtet.

Im »Haus der Geschichte und der Bücher« erhält der Besucher einen Einblick in das damalige Leben. Im Dachgeschoss des Haus I befindet sich eine Ausstellung zum Thema »Russischer Soldatenalltag«. Veranschaulicht mit Uniformen und militärischen Ausrüstungen, wurde hier die Wohnsituation von Soldaten und Offizieren, ihre Freizeitgestaltung, das Leben der Offiziersfamilien mit ihren Kindern und vieles mehr dokumentiert.

Im Erdgeschoss sind einige Antiquariate mit zahlreichen Büchern zu finden.

Wohnpark Vogelsang

Als das Projekt "Wohnpark Vogelsang" aufgelegt wurde, waren die "Würfelhäuser" noch grau. Der Putz löste sich in Fladen und bei Wind prasselten die Dachziegel herunter. Heute haben sich die heruntergekommenen Gebäude zu einer modernen Wohnanlage inmitten einer Parklandschaft gemausert.

Noch immer ist Wünsdorf geheimnisumwittert. Zwischen den modernisierten Wohnanlagen ragen die spitzen Luftschutztürme auf, Symbole der Geschichte des Ortes. Insgesamt 19 Luftschutztürme der Bauart "Winkel" entstanden zwischen 1938 und 1941 bei Zossen/Wünsdorf.

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Die Reise
 
Details:
Aufbruch: 09.01.2002
Dauer: 1 Tag
Heimkehr: 09.01.2002
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Anke Schlingemann berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Anke sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!