Uganda 2008

Reisezeit: Juli / August 2008  |  von Michael Kasper

Schwestern und Radln im Westen

Sister Act (22.7.)

Seit gestern logieren wir hier in Mbarara bei Schwester Justina. Maria hat diese Kontaktmoeglichkeit ueber Bruder und Schwester in Not bekommen und nach einem kurzen Mail wurden wir mit offenen Armen empfangen. Justina ist Chirurgin und Uni-Professorin hier in der Stadt, Nonne und wohnt in einer wunderschoenen Doppelhaushaelfte im Nobelviertel, die wir zur Zeit mitbenutzen.
Kurze Unsicherheit entstand gestern als uns Justina kurzerhand einen room fuer die boys und einen anderen fuer die girls zuwies - wir hatten daraufhin sogar Hemmungen vor ihr Haendchen zu halten - abends nach ein paar Bier stellte sich das Ganze aber als Missverstaendnis heraus. Justina ist wirklich alles andere als konservativ und eine interessante und engagierte Frau.
Waehrend sie heute operiert, beschaeftigen wir (d.h. die Maedls) einen Teil der lokalen Schneider mit Massanfertigungen. Die Nervositaet steigt - heute um halb sieben werden die Ergebnisse der Bestellungen praesentiert...
Es ist uebrigens Generatoren zu verdanken, dass wir diesen Blog-Eintrag verfassen koennen, denn obwohl Mbarara die Geburtsstadt des Praesidenten ist (und das heisst hier was) kommt es immer wieder zu Stromausfaellen. Seit wir hier sind hatten wir genau eine halbe Stunde Strom...
Wie die ganzen Naehmaschinen, die heute fuer uns surren, angetrieben werden brauchen wir dann ja nicht mehr extra zu erklaeren.
Morgen geht es weiter in Richtung Norden - vermutlich nach Fort Portal (oder: Port Fortal wie Edith zu sagen pfelgt). Einige Tage Sendepause sind aber immer wieder drin, denn auf dem Weg dahin gibt es jede Menge Nationalparks und Forest Reserves.

Jetzt gehen wir mit Sr. Justina Mittagessen und freuen uns schon auf eine grosse Portion mit Matoke (Bananenbrei), Posho (Maisbrei), Reis, Suesskartoffeln, Casava-Wurzeln mit Bohnen, Kraut und Erdnuss-Sauce...

Besuch des oesterreichischen Praesidenten in Uganda (23.7.)
Mbara hat ja viel zu bieten. Stoffladen, Stoffladen, Schneider, Schneider, Stoffladen, Stoffladen ... nachdem wir nach einem Vormittag in Stofflaeden und bei verschiedensten Schneidern den Eindruck hatten, die Stadt einigermassen zu kennen, nahmen wir dankend das Angebot von Sr. Justina an, uns die Gegend zu zeigen. Dabei gab es allerdings zwei kleine Probleme: 1. es gibt eigentlich nichts zum anschauen, 2. Sr. Justina kennt nicht einmal das, was es nicht gibt.
So entschieden wir uns zumindest die verschlossene Kirche von aussen anzuschauen. Von einem sehr freundlichen alten Mann erhielten wir den Rat auch unbedingt den braunen Bach zu besichtigen, dazu sollen wir mitten auf der Bruecke stehen bleiben. Da der Bach sehr klein ist, war leider die Bruecke nicht gross genug zum Stehen bleiben und wir fuhren weiter zum See, der eigentlich ein Teich ist. Zuerst haben wir in von der einen Seite besichtigt und dann hat uns die Schwester auch noch auf die andere gefuehrt, wo der See direkt an das Lake View HOtel (besser Drecklacken Blick Hotel) grenzt. Sofort wurden uns die Tore geoeffnet, die Bedinung eilte herbei und Sr. Justina erklaerte kurzerhand, dass wir die Kinder des oesterreichischen Praesidenten seien und uns das Hotel anschauen, weil unser Vater gedenkt, hier auf Urlaub zu fahren. Wir wurden sehr zuvorkommend behandelt und haben versprochen uns zu melden. Allerdings wuerden wir vorher gerne den See noch etwas vergreoessern

Kleider machen Leute (23.7.)
und schoene Kleider machen schoene Leute.
Nun stellt sich allerdings noch die Frage, was die frisch genaehten Kleider aus Edith und Maria machen>

* Batikhose in 70er/jahre style
* runder Rock mit riesen afrikanischen Muster
* flattrige Oberteile im afrikanischen Batiklook mit Abnaehern und REissverschluessen.
* Hose oben eng in der mitte weit und unten wieder eng

Keine Frage ist allerdings, dass wir den lokalen Markt unterstuetzt haben und viel Spass hatten.
Zur Modeschau in zwei Wochen seid ihr natuerlich alle eingeladen.

Boda-Boda-Trip (24.7.)
Inmitten von 1000en von Kratern liegt Fort Portal - eine Kleinstadt im Rift-Valley. Und wir verweilen am Fusse des koeniglichen Palastes von Toro. Das Beste an dieser wunderbaren Region hier (das 5000m hohe Rwenzori-Gebirge, jede Menge Nationalparks und einige riesige Seen sind die Highlights) ist, dass sich der Tourismus hier sehr nachhaltig entwickelt: Eco-Tourism ist die Devise.
Und ganz nach dieser Devise waren wir heute unterwegs: Auf vier massiven Boda-Bodas (ugandische Waffenraeder, die sonst als Taxis fungieren) haben wir einen Ausflug zu einer nahe gelegenen Tropfsteinhoehle und einigen wunderschoenen Kraterseen gemacht.
Klingt einfach - ist es aber nicht...
1. wird hier auf der linken Seite gefahren.
2. entsprechen die Strassen eher einer BMX-Strecke.
3. hatte das Rad nur einen Gang.
4. ging es ziemlich bergauf und bergab.
5. gilt auf diesen Strassen das Recht des Staerkeren (d.h. dass motorisierte Fahrzeuge die Hupe vor der Bremse benutzen, waehrend Fussgaenger und Radfahrer sich regelmaessig aufs Bankett schmeissen muessen).

Wir haben also wieder einmal ein alltaegliches europaeisches Vergnuegen als Abenteuer erlebt...

Mzungus wie im Bilderbuch... (24.7.)
... werden wir Morgen sein: Wir vier mieten uns naemlich einen fetten 4x4 mit Chauffeur (einer der groessten Vorteile, die man als 4-koepfige Gruppe unterwegs hat ist, dass die Kosten durch 4 geteilt werden koennen).
Auf dem Plan stehen ein Ausflug ueber einen niederen Pass der Rwenzori-Kette, in die tropischen Waelder des Semliki-Valley, ein Abstecher zum Lake Albert und schliesslich lassen wir uns inmitten der Kasenge-Crater-Lakes an einem Campingplatz absetzen.
Wir versprechen uns von den naechsten Tagen erholsame Wanderungen in paradiesischer Natur und vielleicht das eine oder andere Aeffchen (mit viel Glueck sogar ein paar Schimpansen).
Anfang naechster Woche sollten wir laut Plan wieder zurueck in der Zivilisation sein.

Menschensafari (28.7.)
Mit unserem 4x4 erkundeten wir letzten Freitag auf eine uns sehr unangenehme Weise das Semliki-Valley. Dieses Tal liegt an der Grenze zum Kongo und wird durch das Rwenzori-Gebirge vom Rest Ugandas abgeschirmt. Genau das ist der Grund warum man dort nur sehr schwer hin kommt. Und die meisten Touristen muessen sich Tour-Operators anvertrauen bzw. teure Waegen mieten, mit denen sie dann in den Semliki-Nationalpark oder das -Wildlife-Reserve kutschiert werden und dort auch auf Menschensafari gehen, denn es gibt dort Pygmaeen, die "besichtigt" werden koennen.
Wir haben sowohl auf den Nationalpark und selbstredend auf die Menschenschau verzichtet, sieht man doch auch so leider sehr deutlich was die Gegend dort wirklich kennzeichnet: Als Grenzregion kam es in der Vergangenheit hier immer wieder zu Uebergriffen und Kindesentfuehrungen durch kongolesische oder ruandische Rebellengruppen. Es sind viele Soldaten in der Region stationiert und vermutlich auch viele Fluechtlinge aus dem Kongo...

All das ist spuerbar durch die Angst vor den Autos ode den Fremden, die einem hier als Touristen entgegen gebracht wird und immer wieder durch die offene Ablehnung der Bevoelkerung, die besten Indikatoren sind hierfuer die Kinder, die unserem Auto 'you shall never come back to Uganda' nachschrien oder es anspuckten.

Allzuleicht vergisst man in diesem schoenen Land, als Tourist meist von Nationalpark zu Nationalpark reisend, wie viele Konflikte sich in dieser Region abspielten und immer noch abspielen: Der Genozid in Ruanda, der Buergerkrieg im Sudan und im Ostkongo, der Terror der Holy-Spirit-Mobile-Forces bzw. der Lord-Resistance-Army in Norduganda und der noch gar nicht so weit zuruekliegende Krieg zwischen Uganda und Tansania, mit dem der Diktator Idi Amin bekannt wurde.

Drummer-Drama und Meerkatz-Moments (28.7.)
Was fuer ein Paradies, unser kleiner Campingplatz am Rande eines Kratersees (Lake Nkuruba). Die erholsame Stille wird nur durch Vogelgezwitscher, das Rascheln der Affen in den Baumkronen und das Springen der Fische unterbrochen. So stellte sich unser Zufluchtsort vor der afrikanischen Zivilisation dar. Mangusten und Horden von Meerkatzen huschten ueber den Campingplatz und wir meinten schon hier nie mehr weg zu wollen...
Und dann kamen SIE.
Die Affenhorden wurden von einer Kinderhorde abgeloest, die sich mangels alternativer Wochenendbeschaeftigungen zwischen unseren Zelten und de Restaurant mit Trommeln niederliessen und eine Folkloreshow fuer Touristen einstudierten. - Und das stundenlang - immer die gleichen Gesaenge, immer das gleiche Getrommel in voller Lautstaerke.

Uns blieb nichts als die Flucht zu erfgreifen und zu Fuss oder per Rad die Gegend zu erkunden und dem Laerm ein paar Stunden zu entkommen.
Unser Trostpflaster war auf jeden Fall die genialen Kuenste der Kuechenchefin, bei der wir nur die Grundkomponenten des afrikanischen Essens bestellten und sie zauberte daraus eine Haute-Cuisine, die ihresgleichen sucht. - Vor allem hierzulande, wo mit Gewuerzen aeusserst sparsam umgegangen wird - ja diese geradezu gemieden werden. Kaum einer versteht wie die Europaeer und v.a. die Inder damit ihre Speisen verderben koennen.
Mit dem Abnehmen wird es in diesem Urlaub also wieder nichts...

"Kaampala Kampaala Kampalaa" (30.7.)
diesen Rufen der Busbegleiter folgten wir gestern: die vierstuendige Fahrt von Fort Portal nach Kampala fuehrte uns durch eine Huegellandschaft der Teeplantagen, durch Nadelwaelder - und das beste war wohl, dass man auf der juengst asphaltierten Strasse durchschnittlich sogar 100 km/h fahren konnte. (Michl F. und Maria sind uns uebrigens einen Tag voraus gefahren - erster befindet sich mittlerweile wohl gerade im Landeanflug auf Cairo...)
Die Ankunft in der Stadt gestaltete sich typisch - der Bus stand 20 Minuten vor der Kreuzung still, nur eines von vielen Beispielen fuer den totalen Verkehrsinfarkt hier in der Hauptstadt. Gestern abend gaben wir uns den unglaublich (un-)organisierten (oder besser: sich selbst mehr oder weniger regulierenden) Verkehr noch mal von oben. Von der Terasse unseres Hotels aus beobachteten wir, wie eine halbe Stunde lang gar nichts mehr ging, in den Kreuzungen stand alles - nur die Fussgaenger kamen noch voran. An den Minibushaltestellen standen jeweils 100e von Menschen, und wenn ein Minibus einfuhr, rannten diesem die Massen entgegen, Trauben klemmten sich bei den Tueren fest, junge Maenner drangen durch die Fenster in den Bus ein, bevor dieser stehengeblieben war. Hier ist wirklich schwierig zu entscheiden, ob es so viel klueger ist, das Auto (wenn man eines hat) zuhause zu lassen und auf die Oeffentlichen zu vertrauen...

Mit dem Boda-Boda machten wir die Umgebung von Fort Portal unsicher

Mit dem Boda-Boda machten wir die Umgebung von Fort Portal unsicher

Meerkatzen am Campingplatz

© Michael Kasper, 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Im Sommer 2008 bereisten wir zu viert Uganda. Das ostafrikanische Land am Äquator bot neben dem Viktoriasee, dem Mt. Elgon-Gebirge und der Quelle des Weißen Nils vor allem spannende Einblicke in die dort stattfindende Entwicklungszusammenarbeit. Bei einem mehrtägigen Besuch des Projektes IRUDEKA in der Diözese Kasana erfuhren wir mehr über Land und Leute, ihre Probleme und Fortschritte, als in der gesamten vorherigen Reisezeit.
Details:
Aufbruch: 08.07.2008
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 06.08.2008
Reiseziele: Uganda
Der Autor
 
Michael Kasper berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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