Mosambik und Malawi

Reisezeit: Juli - September 2008  |  von Peter Kiefer

Schärfen - Catandica Farm

Der erste Wagen, der am Morgen an uns vorüberrauscht, ist schon wieder dieser (leere) Krankentransport. Duplizität der Ereignisse. Eine halbe Stunde später sind jedoch alle Befürchtungen gegenstandslos, da hält der so zu sagen etatmäßige Lastwagen, wir kennen ihn bereits. Dieses Mal sind aber nicht mehr als zehn Personen darauf versammelt, Dúglasse ist mit dabei.

Feuerstelle eines Marktimbisses

Feuerstelle eines Marktimbisses

In Sussundenge nehmen wir eine Chapa nach Chimoio, und Dúglasse hilft uns dort noch im Wust der Minibus-Haltestellen diejenige zu finden, von der aus wir zu einer Farm südlich der Stadt Catandica starten können, eine Empfehlung von Anja und Friedo und eine mögliche Zwischenstation auf dem Weg nach Tete und zum Stausee Cahora Bassa. Die Straße ist bald eine lange Baustelle, parallel dazu fahren die Autos auf staubigen Pisten. Die Abzweigung zur Farm ist frühzeitig erreicht. Einen Kiosk gibt es da und einen jungen freundlichen Wirt - haben wir in Mosambik überhaupt schon einmal unfreundliche Menschen getroffen? -, der uns sagt, dass gleich ein Lkw vorbeikäme, der zur Farm von Mr. Morgan führe. Der Wirt sei deshalb kurz erwähnt, weil er, obwohl Mosambikaner von Geburt, kein Portugiesisch spricht, sondern (wenn auch nicht viel) Englisch. Er gehört zu denjenigen, deren Eltern sich während oder gleich nach dem Bürgerkrieg entschlossen hatten nach Simbabwe auszuwandern. Inzwischen aber sind viele von ihnen vor der Mugabe-Diktatur wieder zurück in ihre alte Heimat geflüchtet. Am Stadtausgang von Chimoio haben wir zuvor eine Polizeikontrolle erlebt. Einige Leute werden von den Passagieren unseres Kleinbusses aussortiert, dürfen nicht weiter mitfahren, weil ihre Papiere nicht in Ordnung sind. Das seien "estrangeiros", belehrt mich einer, Ausländer, vermutlich sind es Simbabwer, die über die nahe gelegene Grenze gekommen sind. Eine jüngere Frau von ihnen kann sich nach einigem Hin und Her offenbar freikaufen, Straßenpolizisten sind korrupt. Im Lauf der nächsten beiden Stunden treffen noch mehrere Leute an dem besagten Kiosk ein, sie alle haben etwas mit der Farm zu tun. Der Lastwagen, der dann vorbeikommt, ist außer mit Menschen mit Ziegelsteinen beladen. Er bringt uns zu einem Ort mit verschiedenen Gebäuden und einer Vielzahl von Männern und Frauen, die meisten von ihnen tragen Arbeitskleidung. Alle, die mitgefahren sind, steigen aus, wir bleiben noch sitzen, sind noch nicht am Ziel. Unser Fahrer weiß nicht genau, wo er die Steine abladen soll, fährt woanders hin, kehrt aber bald wieder zurück. Die Arbeiter haben gerade Feierabend und versammeln sich um einen Anhänger voller Kohlköpfe, der sich allmählich leert. Inzwischen haben drei Leute damit begonnen unseren Lkw zu entladen. Ich sag denen mal, dass sie sich etwas beeilen sollen, sagt der Fahrer und bald steht einer der Männer oben auf der Ladefläche und wirft den anderen in bestimmten Abständen jeweils einen einzigen Stein hinunter - es dauert sehr lange, bis wenigstens eine erste schlanke Reihe dieser Steine abgeladen ist -, nicht sehr lange dauert es, bis die verwegene Steilwand, die die anderen beiden damit bauen, mit großem Rums wieder einstürzt. Das Interesse der Männer gilt dann bald nur noch dem Kohlkopfwagen, von dem sie sich für den Abend versorgen. Ein dicker, junger weißer Mann fällt mir auf, ich denke mir, er könnte der Sohn des Farmbesitzers sein. Wenig später werden wir ihm vorgestellt. Nachdem endgültig klar geworden ist, dass niemand mehr am heutigen Tag diesen Lkw entladen wird, werfen wir unser Gepäck auf den Pickup jenes Mannes und lassen uns von ihm mitnehmen. An einer Weggabelung fragt er uns, ob wir zu Mister Morgans Haus gebracht werden möchten oder lieber zum Campingplatz seiner Mutter. Letzteres. Der Mann heißt Pieter, ist Südafrikaner und in seinen Zwanzigern, seine Mama heißt Elsa und sie ist ebenso fettleibig wie ihr schüchterner Sohn, dabei überaus herzlich. Ihr Campingplatz ist schon seit Monaten außer Betrieb, seit dem Tod ihres Mannes, der im März an Malaria gestorben ist. So sind wir nun ihre ersten Gäste seither und sie bittet uns auf eine Tasse Tee in die Küche. Diese Küche ist auch ihre Wohn- und Schlafstube, untergebracht in einem außen und innen unverputzten Giebelhaus, das vor langer Zeit einmal weiß gestrichen wurde, es hat etwas Höhlenartiges. Das Mobiliar besteht aus grob gezimmerten Regalen, einem Tisch, Küchengeräten, zwei etwas schiefen Betten. Bei der Tasse Tee bleibt es nicht, Elsa tischt uns schon bald einen Imbiss auf, dessen Höhepunkt eine Art Chili-Probe ist. Chilipfeffer ist ein Hauptprodukt dieser Farm. Pieter, doch nicht Mr. Morgans Sohn, aber immerhin Leiter einer größeren Abteilung innerhalb des Farmbetriebes, hat sich zu uns gesellt und von vielen Erklärungen begleitet kosten wir die unterschiedlich eingelegten, unterschiedlich scharfen Sorten, die hier angebaut werden. Elsa scheint glücklich darüber zu sein, wieder einmal Gäste zu haben, sie erzählt freimütig aus ihrem Leben, ihrer früheren Farm in Südafrika, die an den Pestiziden zugrunde ging, die fortwährend über eine nahe gelegene Plantage gesprüht worden seien, über ihren Versuch mit Orchideen- und Rosenanbau, schließlich über diesen Ort, den sie seit sieben Jahren noch immer wie ein Provisorium bewohnt. Besonders wird das im Nachbargebäude sichtbar, in dem sie uns unterbringt. Da stehen auf einem schmutzigen und in Auflösung begriffenen Bodenbelag ein sperriges Bett und ansonsten nur wieder Regale und dick mit Staub bedeckte, sicher niemals ausgepackte Kartons. Das Licht erlischt, wenn der Generator ausgeschaltet wird, deshalb sucht man vergebens nach einem Schalter, man muss die Birne herausschrauben (und verbrennt sich prompt). Zum Frühstück serviert Elsa uns unter anderem frisch zubereitetes süßsaures Relish, es schmeckt vorzüglich. Sie hofft sicher, dass wir ihr noch einen weiteren Tag Gesellschaft leisten. Und sie erzählt wieder aus ihrem Leben, zum Beispiel davon, dass sie deutsche Wurzeln hat, jüdische, und ihre Großmutter selbst in der Zeit der Vernichtungslager noch Bilder von Hitler und Göring in ihrem Schlafzimmer hängen hatte, sie erzählt von ihrer Reiselust und ihrer neuen Einsamkeit. Pieter, der noch eine Inspektionstour machen muss, hat versprochen uns gegen zehn zur Autostraße zurückzubringen, lässt aber bis zur Mittagszeit auf sich warten. Wir sehen uns in der Zwischenzeit Elsas Nutztiere an, Ziegen, Enten, vor allem Schweine, die aufgeregt quieken, als jetzt ihre Fütterung naht. Ich erkundige mich später bei Pieter, welchen Gebrauch sie von all ihren Tieren machen. Er ist anscheinend überrascht von meiner Frage, meint, dass man nur an besonderen Feiertagen einmal schlachte, an Weihnachten oder so, und Ente hätte er noch nie in seinem Leben gegessen. Für Karin und mich bleibt noch Gelegenheit einen angrenzenden Hügel hinaufzusteigen, von dem man einen weiten Blick über die Landschaft hat. Das Buschland unter uns verschmilzt zu einem graugrünen Teppich, es wird flankiert von kugeligen Granitfelsen. Der Abschied von Elsa ist mit Umarmungen und guten Wünschen verbunden, für Übernachtung und Verköstigung lehnt sie jede Bezahlung ab. Später an der staubigen Straße stehen wir nicht lange, ein großer Lkw hält an, wir handeln einen Preis aus und haben einen Lift bis nach Tete, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, am Sambesi-Strom gelegen. Insbesondere auf dem Streckenabschnitt zwischen Guro und Changara sind die Schlaglöcher dann so tief, dass ein Kleinwagen (mit gutem Grund fahren hier keine) kaum ohne fremde Hilfe wieder herauskäme. Kinder schaufeln mit ihren Händen Sand in diese Löcher und betteln dafür die Autofahrer an. Erneut ist es dunkel, als wir in Tete ankommen, aber die Stadt ist noch halbwegs auf den Beinen. Nachdem wir eine Unterkunft gefunden haben mit Seife, Handtuch, Klopapier (wenn auch der unvermeidlichen Kakerlake), bringt uns jemand, den wir nach einem Restaurant fragen, das noch geöffnet hat, in seinem Auto zwei Straßen weiter zu einer Pizzeria, einem etwas aufgeblasenen Laden, wo man jedoch bald an der Aufgabe scheitert Öl und Essig für den Salat bereitzustellen. Beides ist ausgegangen und erst auf Nachdruck schickt der portugiesische Besitzer jemanden los, um Nachschub zu holen. Einer der Kellner gehört wieder zu jenen ehemals achtzehntausend Mosambikanern, die in der DDR gearbeitet haben, er spricht Deutsch und schüttet zunächst, um das Problem zu lösen, sämtliche Öl- und Essigreste aus sämtlichen Menagen zusammen, aber mehr als ein Kaffeelöffel voll ist es dann nicht geworden.

© Peter Kiefer, 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nach sieben langen Jahren haben wir endlich wieder eine große Reise gemacht, haben wieder einmal das Gefühl genossen on the road zu sein und hatten eine Vielzahl anregender Begegnungen. Vor allem Mosambik hat uns bestätigt, dass Afrika wohl der freundlichste Kontinent auf dem Globus ist.
Details:
Aufbruch: Juli 2008
Dauer: circa 9 Wochen
Heimkehr: September 2008
Reiseziele: Südafrika
Mosambik
Malawi
Der Autor
 
Peter Kiefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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