Mosambik und Malawi

Reisezeit: Juli - September 2008  |  von Peter Kiefer

Kein Krokodil, aber ganz viele - Cahora Bassa

You guys give me three minutes, sagt Dennis, Leonards Bruder, als Karin ihn am Morgen anruft. Es dauert dann doch noch eine halbe Stunde, bis er kommt, gut gelaunt und dieses Mal ohne Bierdose in der Hand. Wir sind nicht mehr in Quissico, Dennis steckt mitten in der Arbeit. Die Begegnung ist daher kurz, sollten wir am Abend freilich noch hier sein, will er uns gerne ein weiteres Mal treffen. Unser heutiges Ziel jedoch ist Songo unweit des Cahora-Bassa-Stausees (der zu Kolonialzeiten noch Cabora Bassa hieß), der Minibus startet zwei Blocks weiter.

Karin

Karin

Songo ist ein wohlhabender Ort und, eingeteilt in eine nördliche und eine südliche Zone, auch ein sehr weitläufiger. Die Chapa, in der wir sitzen, bringt jeden ihrer Fahrgäste bis vor die Haustür, fungiert zugleich als Brief- bzw. Geldbriefträgerin. Fast eine Stunde lang sind wir mit diesem Von-Haus-zu-Haus-Service unterwegs, ehe auch wir am Ziel angelangt sind, dem so genannten »Centro Social«. Der Name täuscht. Was immer es ursprünglich gewesen ist, jetzt ist es ein Hotel. Gerade findet ein Essen des Energieministeriums hier statt und mit dessen Mitgliedern ist es auch ausgebucht. Die schwarz gekleideten Kellner, die schwarz gekleideten Gäste, die blütenweißen Servietten, alles sieht einigermaßen teuer aus. Wir sprechen den Geschäftsführer an, einen Portugiesen mit Namen Manuel, er will uns aus der Klemme helfen, denn in Songo sind Unterkünfte rar. Manuel ruft bei einer der Lodges am See an und meint kurz darauf, dass die Sache klar ginge, jemand käme uns abholen. In der Zwischenzeit taucht ein Telefonkartenverkäufer auf, er spricht mich an und fragt, ob wir noch einen Ort zum Übernachten suchten, er wüsste einen, sein Onkel betreibe nur ungefähr hundert Meter vom »Centro« ein kleines, sauberes Hotel. Der See sei ja nur einen Kilometer entfernt, ein kleines Restaurant gebe es auch, also alles, was wir bräuchten, und in einer halben Stunde könne er Näheres sagen. Unser Reiseführer ist ungenau, gibt keine exakten Aufschlüsse über Entfernungen, wir schenken dem Mann vorsichtigen Glauben. Als er dann wiederkommt mit der Nachricht, ja, in dem Hotel des Onkels seien Zimmer frei, trifft gerade auch der Mann von der Lodge am See ein. Wir sind in der Zwickmühle und entscheiden uns unter tausend Entschuldigungen für das kleine Hotel um die Ecke. Ein Fehler. Das winzige Zimmer wäre zwar in Ordnung, aber alle anderen Informationen stimmen nicht. Wütend, vor allem über uns selbst, auch ein wenig beschämt kehren wir zu Manuel zurück und bitten ihn ein weiteres Mal für uns aktiv zu werden. Er tut es, will uns ehrlich helfen, erhält jedoch die zu erwartende Auskunft, dass kein Auto mehr zur Verfügung stünde, um uns zur »Casa de pesce«, jener Lodge am See, zu bringen. Und nun? Nun fährt Manuel uns dahin. Er ist ein Sprössling des kolonialen Mosambik, Sohn eines portugiesischen Militärs. Zuvor hatten wir seine - er hat dies eigens betont - zweite Ehefrau kennen gelernt. Karin ahnt sogleich, dass sie nicht auf die erste gefolgt ist, sondern dass Manuel zwei Ehen gleichzeitig führt. Die Ehefrau Nummer eins lebt in Portugal, in einem Ort in der Algarve. Genau betrachtet ist Manuel also ein Bigamist, aber unter Weißen scheint das in ähnlicher Konstellation hier keine Seltenheit zu sein. Der Stausee ist etliche Kilometer entfernt und als er dann zum ersten Mal auftaucht, hält Manuel für uns an. Der vordere, von hier oben sichtbare Teil ist von allen Seiten eingebettet in eine tiefe Schlucht, sein Anblick ist nicht weniger als überwältigend. Weitere zehn Kilometer sind es noch bis zur »Casa de pesce« direkt am Seeufer. Wir haben Glück, dass wir überhaupt aufgenommen werden, denn die Lodge macht gerade Ferien, der Besitzer hält sich in Südafrika auf. Wir sind die einzigen Gäste und beziehen ein Zimmer mit zwei Räumen und vier Betten. Zum Abend-, überhaupt zum ersten Essen des Tages wandern wir zur unweit entfernten »Ugezi Tiger Lodge«. Im dortigen Restaurant hat Karin die Auswahl zwischen einem großen und einem kleinen gebratenen Fisch, sie nimmt (für mich ein wenig überraschend) den "kleinen", der dann freilich so groß ist, dass er nicht einmal auf einen Teller passt. Ich koste ihn und er schmeckt nach dem See, mild und ein bisschen modrig. Am folgenden Tag suchen wir nach einer Möglichkeit ein Boot zu besteigen, um die wunderbare Landschaft vom Wasser aus zu erkunden. In unserem Hotel steht derzeit keines zur Verfügung, folglich wandern wir wieder zur »Tiger Lodge«. Unterwegs passieren wir ein Haus, vor dessen Eingang eine junge weiße Frau steht. Ich gehe auf sie zu, stelle mich ihr vor und frage, ob sie wüsste, wie man zu einem Bootstrip käme. Sie heißt Michelle und sagt, dass ihr Mann gleich wieder zurück sei, er werde uns, wenn wir Lust hätten, gerne auf seinem Motorboot ein Stück hinausfahren. Da kommt er auch schon und wir sind erst einmal zum Tee eingeladen. Gerade wird am Ufer vor dem Haus der eingerostete Unterbau eines Katamarans von Arbeitern wieder see-tüchtig gemacht. Richard und Michelle halten sich mit ihren drei Kindern nur kurzzeitig hier auf, das Haus (ein wenig dunkel und mit vielen irgendwo ausrangierten Möbelstücken voll) dient ihnen als Außenstelle ihrer Fischfarm, die an einem anderen Ende des Sees liegt. Das eigentliche Zuhause dieser noch sehr jungen Familie ist das malawische Lilongwe. Richard, der uns hinter dem Haus zwei Becken zeigt, die für künftige Fischzuchten gedacht und, wie er behauptet, gut sind für "meine nächsten paar Millionen" (malawische Kwacha?), ist ein geschäftstüchtiger, äußerst zielstrebiger Mensch (übrigens mit deutschen Vorfahren, mit Nachnamen heißt er Franz). Seinen beiden Ältesten Luke (7) und Lisa (6) hat er schon das Autofahren beigebracht, sagt er, und als wir dann einen Bootsausflug zum Staudamm machen, sitzt tatsächlich Luke (wenn auch flankiert von seinem Papa) am Steuer. Beim Halt an einem der steilen Felsufer nehmen Richard und die Kinder sofort ihre Angeln zur Hand, werfen sie aus und holen sie, wie beim Fliegenfischen üblich, jedes Mal gleich wieder ein, Aktivität ist alles. Der Trip dauert eine knappe Stunde, man könnte noch mehrere Buchten ansteuern, hat dennoch schöne Eindrücke gewonnen. Nach der Rückkehr werden wir mit Sandwiches verköstigt und plötzlich sagt Richard: Merkt ihr's? Im Augenblick ist Windstille, steigen wir ins Boot. Dann geht es auch wirklich schnell, sie werden zu ihrer Fischfarm fahren und so nehmen wir Abschied, verbunden mit der Möglichkeit uns in Malawi noch einmal zu begegnen. Sie bieten uns sogar ihr Haus als Unterkunft für die Nacht an, was wir jedoch ablehnen müssen, weil mit dem Aufenthalt in der »Casa« auch der Weitertransport in dieser ansonsten so gut wie unbewohnten Gegend gesichert ist. Wir setzen unseren ursprünglichen Weg fort, einen anderen, den man entlangspazieren könnte, gibt es abgesehen von der Autostraße nicht. Sich zu nahe am Ufer aufzuhalten ist unratsam. Am nächsten Morgen in der Lodge erfahre ich einmal mehr, warum. Eine Frau läuft aufgeregt herum, sie sucht ihren Hund und vermutet gleich das Schlimmste, dass nämlich ein Krokodil ihn geschnappt hat (was dann aber doch nicht der Fall ist). Krokodile sind an diesem Stausee jedoch ausgesprochen zahlreich. Dass ich kein einziges zu Gesicht bekomme (leider), spricht nur dafür, dass sie sich gut tarnen. In der »Tiger Lodge« - Tiger ist im südlichen Afrika, wo es wie im ganzen Rest des Kontinents gar keine Tiger gibt, der Name für alle möglichen Raubkatzen - kommen wir mit den Betreibern ins Gespräch, mit Catherine und Andrej. Auch sie stammen aus Südafrika und auch sie sind weg "aus diesem Chaos", wo, wie Andrej berichtet, sogar die frisch Beerdigten wieder ausgegraben und aus dem Sarg gekippt werden, nur um dann das Holz verscherbeln zu können. Nach einer Gewürzfarm und einem gescheiterten Handel mit Mercedes-Benz-Oldtimern sind sie zu Mitbesitzern dieser von hohen Bäumen eingeschirmten Lodge geworden. Wir unterhalten uns einen ganzen Nachmittag mit ihnen und nachdem wir zum Schluss noch etwas gegessen haben, lassen sie es sich nicht ausreden uns die kurze Wegstrecke mit ihrem Auto zurückzufahren. Dabei machen wir eine kleine Entdeckung, einen blühenden Baobab. Leider ist es schon wieder dunkel, so dass wir seine einzige große, glockenförmige Blüte nur halbwegs im Licht der Autoscheinwerfer sehen können. In der Nacht träume ich von raunenden Krokodilen.

© Peter Kiefer, 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nach sieben langen Jahren haben wir endlich wieder eine große Reise gemacht, haben wieder einmal das Gefühl genossen on the road zu sein und hatten eine Vielzahl anregender Begegnungen. Vor allem Mosambik hat uns bestätigt, dass Afrika wohl der freundlichste Kontinent auf dem Globus ist.
Details:
Aufbruch: Juli 2008
Dauer: circa 9 Wochen
Heimkehr: September 2008
Reiseziele: Südafrika
Mosambik
Malawi
Der Autor
 
Peter Kiefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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