In einem Land das es gar nicht gibt

Reisezeit: März 2018  |  von Uwe Decker

Hargeisa – Tag 1, Anreise

Ich bin gleich mehrfach überrascht:

Erstens, dass ein „Land“, das sich eigentlich über jeden Besucher freut, zumindest am Airport einige Hürden aufbaut. Erst schnauzt mich, als ich endlich bei der Passkontrolle dran bin, ein diensthabender Beamter an, ich solle schleunigst von seinem Schalter verschwinden. Des Rätsels Lösung, auf die ich erst nach einigem Überlegen und Suchen komme: ich hatte mich erdreistet, aus Versehen eine meiner Sicherheitskopien des "Confirmation Letters" vorzulegen und nicht das Original. Dann nuschelt nach der Immigration der Typ hinter einer dicken Glasscheibe irgendein unverständliches Zeug. Ich hatte aber bereits darauf geachtet, was die Einreisenden vor mir tun und reiche 60 Dollar durch einen kleinen Schlitz in der Glasscheibe. Und schließlich kontrolliert ein Mann in Zivil am Ausgang zum Gepäckband, dass jeder seinen Obolus auch ordnungsmäßig entrichtet hat.

Mein "Visum"

Mein "Visum"

Zweitens werde ich von meinem Guide und Fahrer in einer Person, Bedri heißt er, wie mit der Agency vereinbart empfangen, aber keine SPU weit und breit (ich weiß, ich bin noch eine Erklärung schuldig).

Drittens hieve ich mich in den nicht mehr ganz neuen, aber trotzdem protzigen Toyota Land Rover -auf die linke Beifahrerseite. Das Lenkrad befindet sich rechts, obwohl hier in Somaliland -wie in Äthiopien, da komme ich gerade her- Rechtsverkehr herrscht. Bedri meint, die allermeisten Autos hier sind japanischen Ursprungs und halt auf Linksverkehr ausgerichtet.

Und viertens herrscht zwar am größten Airport des Landes -wie nicht anders zu erwarten ist- reger Verkehr, dennoch gibt es hier offensichtlich auch so etwas wie eine Rush Hour. Je näher wir der Stadt kommen, umso dichter wird nun der Verkehr, der ab den Vororten auch aus frei umherlaufenden Ziegen, Eselskarren und Fußgängern, die einigermaßen sorglos die Straßen überqueren, besteht.

Mein Fahrer und Guide Bedri erweist sich als zunächst recht schweigsamer Zeitgenosse und gibt nur das preis, was ich eh schon weiß bzw. gelesen habe:
Somaliland hat über 3,5 Millionen Einwohner, davon leben mehr als 1 Million in der Hauptstadt.

Die Somaliländer seien überaus freundlich und ausländische Besucher, gerade Touristen, sehr willkommen und absolut sicher in ihrem Land. Ganz anders als in Somalia. Dort würden sich nur Spitzbuben herumtreiben.

An dieser Stelle gleich mal ein Wort zum Klima. Es ist mollig warm -wir sind ja schließlich in Afrika und damit verbindet man üblicherweise Hitze-, aber es ist gut auszuhalten. Noch. Ich habe nämlich zum einen eine gute Jahres- und Reisezeit erwischt, zum anderen liegt Hargeisa mit über 1.300 Metern sehr hoch und begünstigt damit auch für den gemeinen Mitteleuropäer einigermaßen erträgliche Temperaturen. Im Gebirge, in das wir übermorgen einen kurzen Abstecher machen werden, ist es sehr angenehm, man lässt dort die Hitze hinter sich, aber einen Tag lang, Richtung Berbera und in der Stadt selbst, am Golf von Aden und damit ungefähr auf Meeresniveau gelegen, wird es heiß werden. Sehr sehr heiß. Richtung 35 bis 40 Grad.

Ich hoffe inständig, dass Bedri möglichst lange auf den Hauptstraßen bleibt und ich ein Hotel in Innenstadtnähe bekomme, aber irgendwann biegt er links ab in eine staubige Seitenstraße und bald stehen wir vor hohen, mit Stacheldraht gesicherten Mauern, davor eine Art Panzerspähwagen und viele mit Maschinengewehren bewaffnete Soldaten der somaliländischen Armee.

Auch wenn Bedri mit einigen der Anwesenden bekannt sein dürfte, den Sicherheitscheck muss auch er -wegen mir?!- über sich ergehen lassen: mit Spiegel unters Gefährt gucken, Auto und Kofferraum öffnen und durchsuchen lassen, dann weiterfahren um eine weitere, eng gebaute Mauer herum, so dass er Mühe mit dem großen Geländewagen hat, und dann sind wir auf dem Komplex des Maansoor Hotels, wahrscheinlich eines der besten Hotels in ganz Somaliland, aber weit abgelegen vom City Center. Ich erinnere mich an die Aussage des Reisebürobetreibers auf meinen Vorschlag, Kosten zu sparen, indem ich in eher preiswerten Hotels übernachten könnte. Er meinte, dass Billighotels in Somaliland keinen verlässlichen Service hätten.

Maansoor Hotel

Maansoor Hotel

Nun, dieses Hotel hat jedenfalls einen, auch wenn ich etwas abseits in einer Art Reihenbungalow oder Chalet in einem -staubtrockenen- „Garten“ untergebracht werde. Jetzt am späten Nachmittag ist gerade noch Zeit für Kaffee und ein Stück Kuchen aus der Auslage.

Mein Chalet

Mein Chalet

Mein Chalet innen

Mein Chalet innen

Mein Chalet innen

Mein Chalet innen

Obwohl der Äquator noch ein gutes Stück entfernt ist, geht es hier ganz fix mit der Dunkelheit. Ich schaue, ob man auch ganz allein herauskommt aus der Hotelanlage, spaziere an den Uniformierten vorbei, die neugierig gucken, mich aber nicht aufhalten, und schon befinde ich mich auf der bereits erwähnten staubigen, nun aber dusteren Nebenstraße und laufe in Richtung Licht, soll heißen, zur Hauptstraße. In der Tasche habe ich einen 10 Dollar Schein, sonst nichts. Auch keine Digicam, auch kein Smartphone. Man weiß ja nie …

Die Vorsichtsmaßnahme ist absolut unbegründet. Ich bin der einzige etwas fremd Aussehende, aber kaum jemand nimmt Notiz von mir. Sehr viel los im Sinne von für Touris interessanten Geschäften ist in diesem Viertel aber auch nicht. Ich komme an einem Laden vorbei, der fast völlig leer ist. Nur hinter der Theke entdecke ich einen jungen Mann, auf der Theke steht eine große Saftpresse samt einiger Orangen.

Ich gehe hinein und ordere einen Becher frisch gepressten Orangensaft. Der Verkäufer wirft das Gerät an, und wir kommen ins Gespräch. Vielmehr werde ich ausgefragt, das Übliche halt, Name, woher, wohin, warum usw. Ich antworte brav, gebe dann meine Dollar hin und bekomme als Wechselgeld ein Bündel einheimischer Banknoten zurück. Der an einer Kreidetafel angeschlagene Preis stimmt. Natürlich. Hier in Hargeisa wird auch ein noch unbedarfter Tourist nicht übervorteilt.

© Uwe Decker, 2018
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Es gibt sicherlich diverse Möglichkeiten, um heutzutage nach SOMALIA zu kommen und dort seine Fußstapfen zu hinterlassen. Es ist lediglich eine Frage des Geldes und der Strapazen, die man bereit ist, auf sich zu nehmen. Ich wähle den einfachsten Weg und möchte -ohne mich in irgendeine Gefahr begeben zu müssen- einfach gerne mal schauen, was in diesem Teil der Welt so los ist. Im Nachhinein würde ich sagen: Nicht Viel. Aber der Reihe nach.
Details:
Aufbruch: 12.03.2018
Dauer: 4 Tage
Heimkehr: 15.03.2018
Reiseziele: Somalia
Der Autor
 
Uwe Decker berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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