In einem Land das es gar nicht gibt

Reisezeit: März 2018  |  von Uwe Decker

Hargeisa – Tag 2, Teil 1

Das Erdgeschoss des Hotels Maansoor ist zwar sehr groß, für den Restaurant- und Frühstücksbetrieb ist aber nur ein recht kleiner Teil vorgesehen. Ich erscheine pünktlich, nehme am einzigen noch freien, großen runden Tisch Platz und bestelle mir -wie vom Kellner vorgeschlagen- ein Omelette „Somalistyle“, das aber zu einem beträchtlichen Teil aus Zwiebeln zu bestehen scheint. Ein junger Somaliländer, groß und schlank wie viele hier, setzt sich gruß- und wortlos dazu, dann noch einer und noch einer und noch einige. Die unterhalten sich auf Somali, hätten aber doch zumindest mal „Hello“ oder „Good morning“ zu mir sagen können. Englisch spricht hier jeder Hotelgast, jeder Bedienstete und jeder Fahrer.

Um Punkt 8 Uhr erscheint Bedri wie verabredet an der Rezeption, sammelt mich ein, geht zum parkenden Toyota, und ich krabbele auf die Hinterbank, denn vorne auf dem Beifahrersitz sitzt mein persönlicher SPU, mit dem ich ab jetzt für die nächsten beiden Tage zusammen mit Bedri eine Kleingruppe bilden werde.

Nun also endlich zum Begriff SPU. SPU bedeutet „Special Protection Unit“, Absame heißt meiner, trägt die Uniform der somaliländischen Polizei, „Somaliland Police“ ist an der Schulter aufgenäht, hat eine Kalaschnikow und spricht ein klein wenig Englisch.

Diese SPU Begleitung wird von der Regierung vorgeschrieben, um die Sicherheit der ausländischen Besucher zu garantieren. Passiert ist in Somaliland bis auf zwei Ereignisse seit Bestehen des „Staates“ - nichts. Reichlich übertrieben finde ich das, und ob mein „Sicherheitsoffizier“ tatsächlich im Ernstfall von seinem Schießprügel Gebrauch machen würde … da bin ich mir gar nicht so sicher. Ich lerne jedenfalls Absame als freundlichen und liebenswerten Herren kennen, der sich aber oft im Hintergrund hält, wenn wir aus dem Wagen steigen. Ist wahrscheinlich sein Job. Im Toyota selbst aber erzählt er unablässig mit Bedri, und beide lachen häufig. Insofern ist sein Platz auf dem Beifahrersitz recht vorteilhaft.

Unklar bleibt, ob Ausländer wirklich eine SPU benötigen, wenn sie umherreisen wollen. Tourigruppen mit Sicherheit, SPU werden vom Veranstalter als Pflicht angesehen, Einzelpersonen, Rucksackreisende … tja, Genaues weiß man nicht. An den Grenzen, also zu Äthiopien und Djibouti, werden jedenfalls keine Uniformierte herumstehen und sich versprengten Ausländern als Aufpasser andienen. Richtung Osten wird es dann sowieso problematisch. Da liegt Puntland und das Land der vielen Spitzbuben, mit denen man hier im sicheren Somaliland absolut nichts zu tun haben will.

Wenn eine im Befreiungskrieg abgeschossene MIG -auf einen mit Szenen aus besagtem Unabhängigkeitskampf bemalten Steinsockel gestellt- als zentrale Sehenswürdigkeit dient, kann es mit den Highlights einer Stadt nicht so weit her sein. So denke ich mir und liege damit auch weitgehend richtig - es sei denn, man hat generell ein Faible für arabische Straßenszenen. Um das Denkmal herum hat sich eine Art Freiluftcafé eingerichtet. Ausschließlich Männer sitzen herum und palavern. Die Regierungsgebäude, die wir auf dem Weg in die Innenstadt passieren, sind zwar gut gesichert und in den Nationalfarben bemalt, aber -soweit ich das vom SUV aus erkennen kann- einstöckig und rechteckig.

Viel mehr gibt es zunächst nicht zu sehen. Einige moderne höhere Gebäude kann ich erkennen -es handelt sich meist um Bürogebäude- aber das Gewusel auf den Straßen hält sich in Grenzen. Männer schlendern, zu zweit oder in kleinen Grüppchen durch die Straßen oder hocken am Wegesrand. Die Frauen erscheinen mir zielgerichteter, wollen zum Markt oder in Geschäfte und tragen -ebenso wie auch die Mädchen- den traditionellen Hijab, also lange Gewänder oder Umhänge. Nicht die meisten, aber viele, vor allem ältere Frauen, sind verschleiert.

Fotografieren ist hier nicht einfach. Bis auf Bilder von Geldwechslern, die man an verschiedenen Straßenecken antrifft. Sie hocken unter Planen als Schutz gegen die Hitze, zählen und wechseln Geld, das sich meist gebündelt unter Netzen oder in Glaskästen befindet. 500, 1000 und -seltener- 5000 Somaliland Schillinge gibt es. Ausgegeben werden sie von der Baanka Somaliland, der Zentralbank Somalilands.

1 Dollar sind momentan -vielleicht auch der Einfachheit halber- 10.000 Schillinge. Ich bekomme für 20 Dollar, die ich tausche, also 200.000 Somaliland Shillings. Hier kann man leicht zum Millionär werden … Natürlich hätte ich meine Dollar auch behalten können für meine -wenigen- Ausgaben, denn der Dollar wird überall gerne akzeptiert. Nur ausreichend klein sollten die Scheine sein.

© Uwe Decker, 2018
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Es gibt sicherlich diverse Möglichkeiten, um heutzutage nach SOMALIA zu kommen und dort seine Fußstapfen zu hinterlassen. Es ist lediglich eine Frage des Geldes und der Strapazen, die man bereit ist, auf sich zu nehmen. Ich wähle den einfachsten Weg und möchte -ohne mich in irgendeine Gefahr begeben zu müssen- einfach gerne mal schauen, was in diesem Teil der Welt so los ist. Im Nachhinein würde ich sagen: Nicht Viel. Aber der Reihe nach.
Details:
Aufbruch: 12.03.2018
Dauer: 4 Tage
Heimkehr: 15.03.2018
Reiseziele: Somalia
Der Autor
 
Uwe Decker berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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