Heilige Kühe und GoGo-Girls

Reisezeit: Januar - Juli 2004  |  von Ralf Knochner

bundi - verweile doch, du bist so schön

laut reiseführer hat man in der kleinstadt bundi das gefühl, durch einen zeittunnel zurückgesprungen zu sein. das stimmt, aber mit sicherheit ging der sprung nicht allzu weit. ja, es gibt einen schönen palast mit fantastischer aussicht auf die stadt und es gibt die kleinen gassen mit handwerksberufen, den quirligen markt und die beschauliche altstadt. das gibt es allerdings recht oft in rajasthan.

was allerdings wirklich selten ist, ist die freundlichkeit der menschen. es ist vor allem nicht nötig, zu feilschen, nicht mal mit den rikschafahrern.
so ungefähr könnte es in vielen touristenorten gewesen sein, bevor zu viele von uns kamen. in zehn jahren mag es anders sein, aber momentan ist bundi noch ein ort, wo man einfach an einer straßenecke sitzen und das leben beobachten kann.

typisch für mich ist mein desinteresse an palästen und mein interesse an den leuten. das verstehen offenkundig nicht alle, denn der amerikaner am nebentisch springt wütend auf, als ich erzähle, dass ich mir den palast vermutlich nicht anschauen werde (er war schon dreimal drin und restlos begeistert). bevor er ganz aufgebracht geht, meint er noch abfällig, ich solle doch zuhause bleiben und fernsehen. ich bin selten sprachlos, aber diesmal war es so und das ist äußerst ungesund. den halben vormittag habe ich mir überlegt, was ich hätte sagen können, wenn ich die gelegenheit gehabt hätte und ich bin da sehr einfallsreich ... DU-PSEUDOINTELLEKTUELLER-WIRF-BITTE-KEINE-BOMBE-AUF-MICH-WEIL-ICH-NICHT-DEINER-MEINUNG-BIN-VIER-WOCHEN-URLAUB-AMI! ach nö, geärgert hab ich mich eigentlich nicht.

stattdessen habe ich mich mit dem hotelmanager unterhalten und eine art indisches märchen erfahren ... und das geht so:

es war einmal eine indische mittelstandsfamilie in einem kleinen, heißen städtchen. der familie gehörte ein erfolgreiches gästehaus und noch zwei häuser. die eltern hatten vier söhne und zwei töchter, und als schließlich alle verheiratet waren, wollten die eltern das erbe aufteilen - wie in indien üblich auf die söhne. keine ganz leichte aufgabe ... vier söhne und nur drei häuser. es fand sich dann doch eine lösung: der jüngste der söhne sollte auf sein erbe verzichten. als er das nicht wollte, wurde er mit schimpf und schande aus dem haus gejagt, besser gesagt die straße raufgeprügelt ... bis vor den palast. da stand er nun, ohne geld, aber mit schwangerer ehefrau und wusste nicht weiter.

just in diesem augenblick kam ein reicher, alter mann des weges - ihm gehörte die tankste..., upps, die postkutschenstation und einige häuser in der stadt. er hatte keinen sohn und war darüber (als inder) natürlich sehr traurig. so nahm er nun diesen jungen, mittellosen mann als eine art sohn an und vertraute ihm ein haus direkt vor dem palast an. daraus wurde, wen wundert's, mein gästehaus. der junge mann und seine frau waren fleißig, die aussicht auf den palast einmalig und so kamen immer mehr zufriedene gäste.


Aussicht von der Dachterasse des Kazera Heritage
(5 MB, Quicktime erforderlich).

nach zwei jahren lief das geschäft so gut, dass der alte mann und der junge mann gemeinsam noch ein haus an der palastmauer kauften, um daraus ein nobleres gästehaus zu machen. das war aber noch nicht alles: gemeinsam gingen die beiden zum maharadscha und mieteten für 10 jahre den gesamten palast. sie werden ihn ein wenig restaurieren und dafür den eintrittspreis verfünffachen.
wenn alles so läuft wie geplant, dann ist der junge mann in dieser geschichte bald ein reicher mann. das gästehaus seiner eltern ist nicht mehr erfolgreich und die eltern betteln darum, den einzigen männlichen enkel sehen zu dürfen. aaach, können rache und schadenfreude schön sein.

das ende der geschichte? ... nein, noch nicht ganz.
ich habe ihn gefragt, was er mit all dem geld machen will, dass er verdient? die antwort kam prompt: er will den armen helfen...! aaahhh, das hört das westlerohr gerne. auf die frage, was das denn konkret bedeute, antwortet er: er will fleißig konsumieren, selber eine fabrik bauen, natürlich weiter den palast renovieren und mit all dem noch mehr geld verdienen...! moment, fehlt da nicht was.... ach ja, und natürlich schafft das alles arbeitsplätze für die armen. na da bin ich nun aber erleichtert.

jetzt könnte manch einer meinen, das wort "caritativ" bedeute im indischen kontext was anderes... tja mag sein, aber als gläubiger hindu ist man eben der meinung, dass alles, was man besitzt, mehr oder weniger belohnung oder zumindest fügung ist. wirkliche dankbarkeit findet man selten, genauso wenig wie beständiges klagen, vielmehr wird alles gleichmütig hingenommen.
inder sind aber durchaus zu großen spenden bereit. die reichsten familien des landes spenden unsummen für schulen, universitäten und tempel. die namen "birla", "tata" und "poddhar" sind jedem inder ein begriff, aber wie schon ein ehemaliger professor - gott hab diesen choleriker bitte nicht selig - von mir sagte: jedes gespendete geld musste erst erarbeitet werden. sicher sicher, fragt sich nur wer es erarbeitet.
aber diese diskussion würde an dieser stelle zu weit führen...

© Ralf Knochner, 2004
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Die Reise
 
Worum geht's?:
. := Auf einer Enfield Bullet durch den Norden Indiens := . . Den zweiten Teil der Reise findet ihr in der Rubrik Südostasien/Laos unter "Dauerlächeln und Bombenstimmung - der Fortsetzungsroman in Südostasien". Bis jetzt ist erst der Teil über Laos fertig, Kambodscha folgt noch.
Details:
Aufbruch: Januar 2004
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: 18.07.2004
Reiseziele: Indien
Jaipur
Udaipur
Jaisalmer
Leh
Der Autor
 
Ralf Knochner berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Ralf sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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