Leh

Reisezeit: Januar - Juli 2004  |  von Ralf Knochner

leh - das highlight

dreieinhalb wochen in leh und umgebung. eine wunderschöne zeit und endlich mal wieder wirklich urlaub. mitte juni ist in leh noch nicht so viel los, die meisten lokale sind leer und zimmer noch keine mangelware.
zwei der offiziere, duke und virendr, wollen nicht im armeelager schlafen, also besorge ich ihnen und den beiden zivilisten, ashish und ajay, zimmer in meinem gästehaus. während die offiziere alle auf shoppingtour gehen, schlafe ich mich erst mal richtig aus, genieße das zimmer und packe den rucksack zum hundertsten mal um. das gästehaus hat einen schönen garten, der blick ist vom feinsten, es wohnen nette leute um mich herum und es gibt ein prima abendessen.
die nächsten tage kann ich mich zu nichts aufraffen, liege im bett, lese oder gehe in eines der vielen gartenrestaurants. es gibt erstaunlich gute westliche gerichte wie thunfischsalat, nudeln in allen varianten, pizza und sogar ein schnitzel aus hähnchenfleisch. nach dem vielen reis mit linsen kann ich indisches essen für eine weile nicht mehr sehen und esse die speisekarte in einem lokal von oben nach unten. begleitet wird das gelage meistens von englischen filmen oder wichtigen gedanken wie: ahhh ... eine wolke, die von westen herzieht. was will mir das sagen?

um leh herum bei sonnenuntergang

um leh herum bei sonnenuntergang

um ihnen zu danken lade ich die offiziere an ihrem letztem abend zum abendessen ein. etwas widerstrebend nehmen sie an, denn eigentlich wollten sie mich einladen. der abend wird nett, wenn auch nicht berauschend und ich ziehe kräftig über die bundeswehr her. im gegenzug preisen sie die indische armee und ich bin sehr erstaunt, dass die mehrheit dieser offiziere sehr wohl bereit wäre die kaschmirfrage pragmatisch zu lösen .... "sollen die pakistanis kashmir doch bekommen, haupsache kein indischer soldat muss dort noch sterben". hollahop, wer hätte das gedacht. wir waren uns aber einig, dass kein indischer politiker soetwas je sagen würde. das wäre politischer selbstmord in einem so nationalistischen land wie indien.
zum abschied tauschen wir die adressen aus und ich schenke ihnen eine in der eile gebrannte cd mit den bilder der gemeinsamen reise. da haben sie sich wirklich gefreut.

sie verlassen leh am frühen nächsten morgen und ich beschließe, endlich mal einen tagesausflug zu machen. er führt mich nach alchi, einem bekannten kloster ca. 50 km von leh entfernt. alles läuft wie am schnürchen und offenbar ist aber auch gerade ein feiertag der sikh-religion. alle sikhs der gegend, mehrheitlich soldaten, teilen an alle verkehrsteilnehmer getränke und ein essen aus. das ist nett, aber ich will eigentlich gar nichts, kann aber natürlich nicht so schroff sein. na ja, die straße ist lang und offenbar stehen die jungs überall. so gibt es also dann drei mal irgendein komisches gebräu und einen fettigen teig puri genannt. ich lächle höflich, obwohl mir nicht danach ist, freue mich aber, als ich endlich die offene prärie erreiche. es ist zeit sich wieder von dieser kargen landschaft faszinieren zu lassen.

leh gompa

leh gompa

weil ich irgendwo gelesen habe, das es - abzweigend von der hauptstraße - noch eine interessantere route geben soll, biege ich also ab und folge einer sandstraße. die route ist schön, aber zunehmend erhärtet sich der verdacht, dass diese straße irgendwohin führt, aber mich nicht an mein ziel. mitten in diesem gedanken unterläuft mir ein kleiner fahrfehler, den ich mit der handbremse korrigieren will ... nächster fehler .... denn es ist eine scheibenbremse. "scheibenbremse auf sand" und "vorderrad nicht gerade" ist keine gute kombination. ich glaube weder die a- noch die b-note wären besonders gut ausgefallen und als ich so im sand liege, fällt mein blick auf die zerbrochene steuerungseinheit für den cd-player ... hmmm, na prima. ich fühle mich ein wenig schwindlig, ich blute am ellenbogen und deshalb suche ich - nachdem ich das motorrad hochgewuchtet habe - nach einer menschlichen behausung. die findet sich bald, aber als ich mich staubbedeckt und blutend bemerkbar mache, ruft die arme frau erschrocken nach dem sohn. der ist auch gleich da und, das ist nicht verwunderlich in leh, sehr freundlich. ich wasche mich am bewässerungskanal und darf mich im wohnzimmer hinlegen, bekomme tee und kekse und schlafe für zwei stunden ein (wahrscheinlich hatte ich auch einen kleinen schock). als ich dann weiterfahren will, bringt mich der sohn zu meiner enfield. als wir uns dem motorrad nähern merke ich schon wie ihm die zunge immer weiter raushängt. ich weiß was kommt: er will mal damit fahren. och neeeee, das ist ja eine soziale geiselnahme. wie kann ich das nach den vergangenen stunden, der hilfe und gastfreundschaft ablehnen?! ich kann es nicht und er hat zum glück schon viel erfahrung .... er ist mal mit einem scooter gefahren : wir einigen uns darauf, dass er den flachen hügel herunterrollen darf und gerade als ich erleichtert aufatme, weil er anscheinend stehenbleibt, da kippt er um und liegt unter dem motorrad. seufz! gut, es ist nix passiert, aber warum müssen manche inder so größenwahnsinning sein und glauben mir nicht, dass die enfield schwer ist?

mönch in alchi.

mönch in alchi.

endlich in alchi. sehr schön hier und ruhig. die klosteranlage ist klein und liegt versteckt an einem fluss. junge mönche spielen um mich herum, alte mönche beten, alles ist still und entspannt. ja, und ich fühle mich mal wieder deplaziert. ich bin nun mal nicht gläubig, bin aber eingekreist von menschen, die ihr leben dem glauben verschrieben haben. ich will deshalb auch niemanden stören, bitte nicht darum die alten und berühmten wandmalereien sehen zu dürfen, mache ein paar schnelle fotos und verschwinde. auf der rückfahrt fahre ich noch ein oder zwei nebenstraßen, bewundere meinen schatten auf den sanddünen und staune darüber, das man auf knapp 3600 m abends um neun noch im t-shirt motorradfahren kann.

es folgt ein fünftägiger ausflug ins nubra tal (siehe "nubra valley - ungepflegte langeweile") und nach meiner rückkehr beziehe ich das schon vorher gebuchte sog. glaszimmer. wunderschön, alleine schon die aussicht in der früh.
als ich eines morgens aufwache liegt sophie neben mir. 33 jahre alt, französin, hübsch und ..... schwanger.

glaszimmer.

glaszimmer.

jaaa, den letzten satz muss man mal wirken lassen.
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nee leute, sie ist aber nicht von mir schwanger. das ist mir einmal vor fast elf jahren passiert, ein wenig klüger bin ich heute schon. auch sonst ist nichts gewesen, denn ich hab sophie und ihren freund joslan schon in kalpa kennengelernt. sophie ist jetzt noch ein paar tage alleine unterwegs, hat aber nach einer trekkingtour kein zimmer gefunden. die beiden haben sich übrigens vor vier monaten in indien kennengelernt und jetzt ist sie im zweiten monat. man könnte nicht gerade sagen, dass sie vor freude luftsprünge macht, joslan trägt es äußerlich ein wenig gelassener. in ihrem ersten frust behandelt sophie joslan nicht immer sonderlich nett (ich hoffe das ändert sich ... bei mir geht das schon 11 jahre .. hoho .. ist eigentlich gar nicht witzig!) und ich staune wie er das erträgt. bald werden sie sich in frankreich wiedertreffen, beide ohne job und 300 km voneinander entfernt wohnend. sie wollen es zumindest versuchen ..... viel glück ihr beiden.

maskentanz in hemis.

maskentanz in hemis.

leh wird langsam recht voll und damit ein wenig unattraktiver. alles ist hier zwar ein wenig besser, aber auch ein wenig teurer als im rest von indien und so gebe ich hier das mehr aus, was ich bisher eingespart habe. die internetverbindungen sind ein einziger großer trauerfall und die preise dafür eine schweinerei. es gibt sogar eine art gewerkschaft der internetanbieter, die die preise künstlich hoch hält. auch taxifahren ist schweineteuer, ein motorrad zu haben macht sich hier wirklich doppelt bezahlt.
es ist unter anderem deshalb so voll, weil ein paar sehr bekannte feierlichkeiten anstehen. zum einen die feier im kloster hemis, die jedes jahr stattfindet und zum anderen im örtchen shey, wo ein bekannter lama eine unterweisung gibt. in hemis wird alle zwölf jahre eine art wandteppich entrollt und 2004 ist es wieder soweit. der lama, auch nicht träge, hat 600 franzosen eingeladen (frankreich ist seine wahlheimat), die in auffälligen orangefarbenen zelten nächtigen. kurzum: noch mehr leute.

mit sophie fahre ich nach hemis, aber auf dem weg dahin machen sich kinder einen spaß daraus, alle vorbeifahrenden fahrzeuge mit wasser zu bespritzen. nichts gegen ein paar tropfen wasser, aber ein halber eimer ist dann doch ein wenig viel und auch gefährlich bei voller fahrt. die kleinen arschlöcher haben glück das ich sie nicht erwische, erst recht weil das motorrad kurz darauf erheblich an kraft verliert. vermutlich ist wasser irgendwo eingedrungen, wo es nicht hin soll. wir schaffen es gerade noch bis zum parkplatz.
hemis ist voll, grauenvoll voll, aber es gelingt uns, ein paar tänze zu sehen. viele leute sind schon ganz früh vor ort gewesen, manche auch schon um vier in der nacht, denn da wurde der wandteppich entrollt. wie in den vergangenen jahren haben sich auch diesmal viele bei der eingangs-raserei-ich-will-der-erste-sein verletzt. das fest ist eine gute gelegenheit für portraitfotos, aber schon nach zwei stunden nervt mich die menschenmenge an und ich fahre zurück. weit komme ich nicht, denn die straße ist gesperrt. später erfahre ich, dass ein bus in den fluss gestürzt ist: zehn tote und viele schwerverletzte ... schrecklich.

ein mönch in thiksey.

ein mönch in thiksey.

ich besuche noch die veranstaltung in shey und danach noch mit brian den tso moriri see (siehe "tso morir - see in den bergen"). die verbleibenden tage ruhe ich mich aus, versuche noch das ein oder andere fußballspiel der em zu sehen, lese und esse die speisekarte von unten nach oben.
mittlerweile ist auch jürgen eingetroffen, ein frühpensionierter offizier, der mit einem alten militärtransporter durch die welt zuckelt. ich kaufe ihm ein paar bücher ab, auf seinem laptop brenne ich meine fotos und kann zwei meiner lieblingsmusik-cds teilweise retten (wieso sind die eigentlich so zerkratzt?). dafür herzlichen dank jürgen, aber an deinem sozialverhalten musst du noch ein wenig arbeiten, aber ich glaube das weißt du auch. jaaa, jürgen, ich mag ihn ..... irgendwie. aber er spricht immer sooo laut, unterbricht einen ständig mitten im satz und schleudert seine vorurteile rücksichtslos in die welt hinaus. da muss ich mich manchmal wirklich beherrschen und im nachhinein habe ich mich geärgert, dass ich nicht den mut gefunden habe ihm das zu sagen. jetzt - viel später - kommt das z.b. per mail irgendwie nicht so gut. na ja, da muss ich noch an mir arbeiten.

am letzten tag schreibe ich noch die berichte fertig (wieder in einer computerschule), drucke zwei meiner bilder für die "einfachen" soldaten aus, die auf der reise dabei waren und schicke ein buchpaket nach hause (lesetip: der davinci code, wird glaube ich auch gerade verfilmt).
so, jetzt muss ich aber los und diese wunderschöne gegend verlassen. ganz alleine mache ich mich auf den weg nach manali.

es folgen vier bilder aus shey:

jaa, das ist das foto das man den betreffenden leuten lieber nicht zeigt

jaa, das ist das foto das man den betreffenden leuten lieber nicht zeigt

© Ralf Knochner, 2004
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Die Reise
 
Worum geht's?:
. := Auf einer Enfield Bullet durch den Norden Indiens := . . Den zweiten Teil der Reise findet ihr in der Rubrik Südostasien/Laos unter "Dauerlächeln und Bombenstimmung - der Fortsetzungsroman in Südostasien". Bis jetzt ist erst der Teil über Laos fertig, Kambodscha folgt noch.
Details:
Aufbruch: Januar 2004
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: 18.07.2004
Reiseziele: Indien
Jaipur
Udaipur
Jaisalmer
Leh
Der Autor
 
Ralf Knochner berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Ralf sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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