Heilige Kühe und GoGo-Girls

Reisezeit: Januar - Juli 2004  |  von Ralf Knochner

INDIEN SPEZIAL: früh übt sich

eduard zimmermann ist sicher ein großer fan indiens. außer "aktenzeichen xy" gab es von ihm mal die sendung "nepper, schlepper, bauernfänger" im zdf. in indien könnte ede täglich eine sendung produzieren. es wäre sicher interessant, mal zu wissen, wieviele menschen in indien - direkt oder indirekt - von der gutmütigkeit, unwissenheit und - sagen wir es offen - dummheit und gier der touristen leben. wahrscheinlich ein sehr geringer prozentsatz, aber bei der größe der indischen bevölkerung sicher die einwohnerzahl einer dt. kleinstadt.

leider trifft man als tourist überwiegend inder (zumindest im persönlichen kontakt), die einem etwas verkaufen oder sich in irgendeiner art dienstbar machen wollen. ihr erkennungszeichen ist die wortkombination "hello my friend". tja, und wer schon mal in indien war, der weiß es bereits: spätestens wenn ein indischer verkäufer "my friend" sagt, dann ist klar, du wirst von ihm gnadenlos beschissen werden.

es fängt meistens schon bei der ankunft in einer stadt an: am busterminal oder am bahnhof warten die rikschafahrer - zugegeben meistens wirklich arme schweine, die nachts in ihren fahrzeugen nächtigen. sie bieten sich an, einen zum gewünschten hotel zu fahren, aber sobald man in der rikscha sitzt, erzählen sie, dass sie ein besseres hotel wüssten, das gewünschte gerade geschlossen hat, dort nichts mehr frei wäre, usw. (und das sind noch die harmlosen sprüche). wenn man sich schlussendlich durchgesetzt hat, steigt der fahrpreis plötzlich ins unermessliche (eigenlich ein gutes zeichen, denn das heißt, sie bekommen am zielort vermutlich keine kommission).
wenn man das überstanden und den zimmerpreis noch ein wenig herunterhandeln konnte, warten bei allen sehenswürdigkeiten - neben den "offiziellen" führern und den "unentgeltlich" arbeitenden menschenfreunden - die bei allen touristen so "beliebten" kaschmiris. nachdem es in kaschmir ja momentan mit den touristen nicht ganz so dolle läuft, scheinen alle männer im heiratsfähigen alter in den rest indiens auszuschwärmen, um wie eine heerschaar heuschrecken über die reisenden hereinzubrechen. meistens gutgekleidet sitzen sie in ihren fast immer gleich aussehenden shops und versuchen jeden vorbeigehenden menschen mit gespielter höflichkeit und gastfreundlichkeit hereinzulocken. einmal gefangen, beginnt das immer gleiche spielchen. zuerst loten sie mit guter menschenkenntnis das budget aus, dann spendieren sie einen tee und versuchen sich in weltmännischem smalltalk. männern zeigen sie gerne die fotos mehr oder weniger ansehnlicher, westlicher freundinnen, die sie natürlich alle nebeneinander "laufen" haben. irgendwann und eher beiläufig kommen dann die waren ins spiel und - der superverkaufstrick - das anfassen. da westler mehrheitlich distanziert sind (gerade die männer), wirkt so ein griff an die hand, den oberarm oder den schenkel bei vielen wunder. zusätzlich schafft der tee und vielleicht noch ein wertloses geschenk das bedürfnis nach ausgleich. das wirkt erstaunlich oft, probiert's mal aus! frauen sind übrigens überdurchschnittlich oft von kaschmiris begeistert!?!

bablu (links) mit freund.

bablu (links) mit freund.

bablu ist eins der vielen kinder, bei denen man sich fragt, ob man sie, wenn man ihnen als tourist in zehn jahren über den weg laufen sollte, hassen wird. jetzt ist alles noch putzig und es überwiegt der respekt. respekt vor allem vor der gewitztheit und der schnellen auffassungsgabe. bablu's englisch ist bereits passabel, er kann ein wenig französisch, spanisch und japanisch. seine lieblingsphrase in deutsch ist "alles klar".
er bot sich an, mir ein "haveli" zu zeigen, kostenlos natürlich. er hat einen onkel der ein hotel führt, looogisch. er kennt die umgebung, die sehenswürdigkeiten, sogar die dreißig kilometer entfernten städte, vielleicht aber auch nur stichworte. auf keinen fall würde er mich zu etwas drängen wollen, zumindest betont er das mindestens 20 mal. wahrscheinlich hat ihm jemand gesagt, dass touristen nicht gedrängt werden wollen. er will mich trotzdem unbedingt in die nächste stadt begleiten, als beifahrer auf dem motorrad selbstverständlich. als ich das dankend ablehne (der junge ist maximal 11 oder 12 jahre alt!!!!!!!!!!), will er mir unbedingt das momentan stattfindende kulturfest zeigen. dahin fahren wir dann zu dritt auf dem motorrad - ein freund von ihm fährt mit. obwohl wir in einer kleinstadt sind, dauert die fahrt 20 minuten, natürlich nur, weil er die verkehrsarmen straßen wählt, eigentlich aber, um dem ganzen ort zu zeigen, dass er bei einem westler auf dem motorrad sitzt.
auf dem fest macht er sich ein wenig wichtig und zerrt mich durch die reihen, wobei mich drei andere kinder vor ihm warnen.
die rückfahrt im dunkeln dauert wundersame drei minuten ... jaja, die abkürzungen.

na gut, aber wie gehe ich mittlerweile damit um?
die kunst ist, leute wie bablu stets im glauben zu lassen, das große geschäft würde noch kommen. solange kann man sich all das zu nutze machen, was man brauchen kann, um sich dann schnell und schmerzlos abzusetzen. damit habe ich auch moralisch kein problem, denn mir ist klar, dass entweder ich sie, in den meisten fällen aber sie mich (hoffentlich seltener) oder andere touristen ausnutzen.

wo kann man bablu treffen?
egal ... wenn man sich lange genug an einem touristenort aufhält, dann trifft man garantiert einen der vielen bablus - kostenlos natürlich, looogisch.

© Ralf Knochner, 2004
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Die Reise
 
Worum geht's?:
. := Auf einer Enfield Bullet durch den Norden Indiens := . . Den zweiten Teil der Reise findet ihr in der Rubrik Südostasien/Laos unter "Dauerlächeln und Bombenstimmung - der Fortsetzungsroman in Südostasien". Bis jetzt ist erst der Teil über Laos fertig, Kambodscha folgt noch.
Details:
Aufbruch: Januar 2004
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: 18.07.2004
Reiseziele: Indien
Jaipur
Udaipur
Jaisalmer
Leh
Der Autor
 
Ralf Knochner berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Ralf sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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