Malediven wir kommen :-)

Reisezeit: Juni 2006 - Juli 2007  |  von Michaela und Thomas Günther

Wendepunkt Angaga

Vor einigen Tagen hatte ich einen Super-Tauchgang am Hausriff: Drei Weißspitzen-Riff-Haie an einem Platz, eine Riesenschildkröte und eine sehr große Muräne. Eingebettet in einer malerischen Unterwasserlandschaft. Es wirkte beinahe wie im Winter auf einer Rodelbahn. Weißer Sand, der abwärts in Kurven seinen Weg sich bahnte. Auch die Sicht war mit circa 50 Meter und mehr umwerfend. Wenn man in einem solchen Moment über den "Bergen" schwebt, unter sich der Abgrund und ein herunterfallen unmöglich ist, kommt einem oft eine Gänsehaut über den Rücken. In solchen Momenten hat das Tauchen etwas göttliches, etwas übermenschliches.
Nach einiger Zeit hatte die Riesenschildkröte zum Weiterflug angesetzt. Majestätisch schwebte sie davon. Auch die Riesenmoräne begab sich in ihr Schlafgemach und bettete sich zur Ruhe. Die Haie hatten ihren Standort am Sandboden nicht geändert, da sie sich scheinbar dort ausruhen wollten. Haie sinken zu Boden, wenn sie nicht weiter schwimmen, sie besitzen keine Schwimmblase.
Aber auch ansonsten können wir uns hier unter Wasser nicht beklagen. Das Tauchen im Ari Atoll gehört nicht ohne Grund zu einem der Besten. Aber wie steht es mit dem Leben über Wasser?
Das Leben auf einer kleinen Insel mit wenigen Gästen, wenigen Unterhaltungsmöglichkeiten und permanentem Zusammentreffen mit den Kollegen, ist alles andere als einfach. Die Kollegen sieht man bei der Arbeit, bei fast allen Mahlzeiten und auch in der Bar, man sieht sie, außer auf seinem Zimmer, fast immer und überall.
Auch das Heimweh kommt des Öfteren in uns hoch. Man fragt sich, wie zum Beispiel unser Boss, der Jochen, es hier auf Angaga schon acht Jahre aushalten konnte? Insgesamt ist er schon 12 Jahre auf den Malediven! Woher nimmt er die Kraft, was mag in ihm vorgehen? Er hat hier keinen Partner, nicht so wie wir - er ist hier ganz allein. Ein anderer Kollege ebenso seit drei Jahren, eine Kollegin seit zwei Jahren usw.

Muss man aus einem bestimmten Holz sein, um das hier zu überstehen? Oder haben sie alle nichts, was sie in ihrer Heimat erwartet? Etwas Angst überkommt uns. Wann überschreitet man den point of no Return? Hatten wir ursprünglich wirklich vor ein Jahr auf den Malediven zu verbringen? Bisher sind erst drei Monate verstrichen.
Wenn wir von dem derzeitigen Klima (Regen und Kälte) in Deutschland hören, sind wir ganz schnell wieder froh, hier in den Tropen zu sein. Aber wiegt das angenehme Klima und die wunderbare Unterwasserwelt die Trennung von der Familie und den Freunden wieder auf?
Als wir damals von Hamburg nach Timmendorf zogen, dachten wir auch, dass die höhere Lebensqualität dort, das täglich Pendeln von Timmendorf nach Hamburg und zurück aufwiegen würde. Dem war aber nicht so. Das Pendeln raubte uns kostbare Lebensstunden.
Nun haben wir türkisblaues Wasser, stundenlangen Sonnenschein und ein stressfreieres Leben - aber unsere Lieben sind nicht um uns. "Quo vadis?" fragte Petrus einst Jesus. Wohin gehen wir, fragen wir uns heute? Man muss fortgehen, um zu erkennen. Unsere Erlebnisse kann uns niemand mehr nehmen, das wissen wir. Vielleicht ist es die Abgeschiedenheit der Insel, vielleicht sind es die Kollegen oder vielleicht ist es einfach die Zeit, die uns irgendwie zu einem Wendepunkt geführt hat. Synonyme für Wendepunkt sind "Ende", "Krise" oder gar "Höhepunkt". Ist das schon der Höhepunkt unserer Taucherkarriere, das Ende oder stecken wir in einer dicken Krise? Oder aber ist es eine Odyssee, auf der wir uns befinden und irgendwann, nach vielen Abenteuern, zurück nach "Ithaka" segeln werden? Wir wissen es nicht.

Kein Zweifel, man trifft hier unzählige interessante Menschen. Einige hat man sogar ein wenig in sein Herz geschlossen, aber nach zwei oder drei Wochen sind sie wieder weg, als wären sie nie hier gewesen. Sicher man tausch E-mail-Adressen aus, verspricht sich zu schreiben, aber nach einigen E-Mails versickert der Kontakt leider wieder.

Es gibt hier eine kleine, aber feine Bibliothek, die sich dank Hinterlassenschaften der Gäste ständig aktualisiert. Man findet so einige interessante Romane. Ich verschlinge sie regelrecht, Michaela kommt mit meiner Lesegeschwindigkeit nicht ganz hinterher, aber es ist sehr schön sich über das Gelesene im Nachhinein zu unterhalten. Wäre einer von uns hier allein auf der Insel, hätte er es wohl keine zwei Wochen ausgehalten. Zu zweit aber bauen wir uns immer wieder gegenseitig auf. Irgendwie klingt dieser Bericht wie ein Tagebuch aus einem Gefängnis, aber scheinbar bilde ich mir das nur ein.
Eigentlich sollten wir uns derzeit freuen, da ein Verlag das vollständige Manuskript unsers ersten Buches über unsere Reise quer durch Asien angefordert hat. Vielleicht kann man es tatsächlich irgendwann einmal in einem Buchladen oder im Internet kaufen. Zum Glück läuft unser Laptop auch wieder, denn just als uns der Verlag darum bat das vollständige Manuskript per E-Mail zu schicken, streikte dieser und wollte partout nicht mehr. Wir haben Blut und Wasser geschwitzt und sandten ständig Stoßgebete gen Himmel. Eines muss wohl angekommen sein, denn nach einigen Tagen begrüßte er uns, als wäre nichts gewesen - er hat sich wohl eine kleine Auszeit genommen. Hier auf einer einsamen Insel ist es nicht einfach mal eben für Ersatz zu sorgen oder einen Tag frei zu bekommen, um nach Male zu fliegen.

Eines ist sicher: Wir werden uns trennen.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Ein Jahr Malediven, das ist der Plan :-) Doch wie das mit Plänen so ist, wir werden sehen ;-)
Details:
Aufbruch: 22.06.2006
Dauer: 13 Monate
Heimkehr: Juli 2007
Reiseziele: Malediven
Sri Lanka
Der Autor