Zürich - Saigon - Hanoi - Angkor - Bangkok - Zürich

Reisezeit: Januar / Februar 2008  |  von Christina Schlatter

Mystische Momente

7.2.2008 (Christina)

Frueh aufstehen - schon wieder! Diejenigen Leser, die unsere Eintraege fleissig mitverfolgen, werden nun etwas unglaeubig den Kopf schuetteln, schliesslich schreiben wir das praktisch jeden Tag. Diesmal meckern wir aber zu recht - Tagwach um 4:14 Uhr, das Hotel verliessen wir wenig spaeter. Der bestellte Tuctuc-Fahrer holte uns ab und schon bald brausten wir durch die stillen, noch dunklen Gassen Siem Reaps. Unser Ausflug in die Tempelstadt Angkor begann.

Am Ticketschalter erlebten wir eine Schrecksekunde, da Irene ihr Portemonnaie im Hotel vergessen zu haben glaubte (was sich im Nachhinein als Irrtum herausstellte). Rafaela und ich halfen ihr schliesslich mit je 10$ aus und weiter ging die Fahrt in den Urwald. Es war stockdunkel, der Geruch von Abenteuern lag in der Luft.

Irgendwann hielt der Fahrer an und wies uns den Weg hinaus in die Dunkelheit. Etwas verwirrt stolperten wir los und trafen einige Minuten spaeter auf eine ganze Flut von Touristen. Viele von ihnen hatten Taschenlampen dabei, was sich bei den unzaehligen Unebenheiten im Boden als aeusserst wertvoll entpuppte. Wir ueberquerten auf einer Steinbruecke den aeusseren Wassergraben von Angkor Wat, der groessten Tempelanlage Angkors.

Innerhalb der ersten Mauer setzten wir uns zusammen mit den anderen Touristen auf eine Treppe unter freiem Himmel und hielten den Blick unentwegt auf das Innere des Tempels gerichtet. Zuerst sahen wir gar nichts; dann wurde der Himmel langsam grau und am Horizont traten die Umrisse der fuenf Haupttuerme Angkor Wats aus dem Nichts auf. Noch war in der Daemmerung kaum etwas zu erkennen, und alle unsere Fotos wurden durchgehend schwarz. Doch je heller es wurde, desto mehr nahmen die Tuerme klarere Konturen an und schon bald waren sie vollstaendig ins Sonnenlicht getaucht. Zwar war es nicht der gluehend rote Sonnenaufgang, den wir uns erhofft hatten, aber dennoch ein beeindruckendes Schauspiel. Nach einer Weile wanderten wir auf der langen Steinstrasse, die sich etwa zwei Meter hoch erhob und die riesige offene Flaeche teilte, zum Innern des Tempels. Dort bestaunten wir die Reliefs, Saeulen und Statuen und fotografierten alles, was uns vor die Linse kam.

Als wir vom Tempel zurueckkehrten, bereitete es uns einige Muehe, unseren Tuctuc-Fahrer wiederzufinden. Fuer uns gleichen sich die Asiaten wie ein Ei dem anderen - und fuer die Tuctucs gilt uebrigens dasselbe. Schliesslich kam er winkend auf uns zu und die Fahrt konnte weitergehen. Er brachte uns nach Angkor Thom, einem ausgedehnten Komplexaus mehreren Tempeln, die allesamt von einer grossen Aussenmauer umgeben waren. Zum Tor in dieser Aussenmauer fuehrte eine Allee, die beidseits von schweren Steinstatuen gesaeumt wurde. Links standen die Goetter, rechts die Daemonen, und jede Statue hatte ihren individuellen Gesichtsausdruck.

Der erste Tempel Angkor Thoms war der Bayontempel. Seine Gesichtertuerme mit dem magischen Mona-Lisa-Laecheln sind weltberuehmt und wohl auf jeder Postkarte Kambodschas zu finden. Diese Anlage war schon mehr verfallen als Angkor Wat, doch die Feinarbeit, mit der die groben Steinquader in menschliche Gesichter verwandelt worden waren, liess keine Zweifel an ihrer vergangenen Schoenheit aufkommen. Etwas verunsichert durch das Schild "climb at your risk" kraxelten wir zwischen den Tuermen herum. Ploetzlich loeste sich unter meinem Hintern ein fussballgrosser Stein und polterte in die Tiefe. Wenn alle Touristen so tollpatschig sind, wird von den Tempeln bald nichts mehr uebrig sein...

Es ist schlicht unmoeglich, eine chronologische Erzaehlung der danach folgenden Tempelbesichtigungen zu verfassen. Dies liegt einerseits daran, dass es einfach zu viele Tempel waren, und zum anderen daran, dass wir auch ihre Namen vergessen haben. Der Gesamteindruck jedoch war ueberwaeltigend. Fuer uns war es fast unvorstellbar, dass vor so langer Zeit Menschen ohne jegliche technische Hilfsmittel wie Bagger oder Kraene derart schoene, detailgenaue und riesige Bauten erschaffen haben sollen.

Das Prozedere bei den Besichtigungen war immer das gleiche: Der Fahrer hielt an, sagte uns, wo wie ihn wiederfinden wuerden, und wir gingen Richtung Tempel. Allerdings war das nicht so einfach, wie es klingt. Strategisch klug standen vor jedem Tempeleingang zig Verkaufsstaende, die fuer Rucksacktouristen wie uns aeusserst nuetzliche Dinge wie Mobiles, Miniaturstatuen, Musikinstrumente und natuerlich Seidenschaele anboten. Jeder Verkaufsstand hatte eine eigene Armee von Kindern, die uns hartnaeckig folgten, sobald wir auch nur einen Fuss aus dem Tuctuc streckten. Ihre "Ladyyyy"- und "Buy from me!!"-Rufe strapazierten unsere Nerven aufs Uebelste und der Gang zu den Tempeln wurde jedesmal zum Spiessrutenlauf.

Wir erklommen um die Mittagszeit die Treppe eines Tempels. Stellvertretend fuer alle anderen Treppen in Angkor war sie horrend steil (Skipisten sind dagegen harmlos). Ihre Stufen waren ca. 40cm hoch, jedoch nur 10 bis 20cm tief und zudem gefaehrlich schraeg abgewetzt. Schon beim Hinaufklettern lief uns der Angstschweiss herab, ans Hinuntersteigen wollten wir gar nicht erst denken. Zum Glueck fanden wir auf der Rueckseite des Gebaeudes eine mit einem touristenfreundlichen Gelaender ausgestattete Holztreppe. Irgendwann forderten das fruehe Aufstehen und die Kletterei in der Hitze ihren Tribut und wir hielten im Schatten einer verfallenen Mauer einen 20minuetigen power nap.

Spaeter kamen wir zu einem Tempel, der uns ungemein faszinierte. Nur wenige seiner Tuerme standen noch, ueberall hingen Schilder, die das Betreten von einsturzgefaehrdeten Kuppeln und Torboegen verboten. Die Mauern waren mit einem merkwuerdig tuerkisfarbenen Moos bewachsen und von der Natur in ihre Gewalt gebracht worden: Grosse Urwaldriesen mit weisser Rinde hielten mit ihrem Wurzewerk die Steinbloecke fest umschlungen. Manche von ihnen hatten Mauern sogar gaenzlich gesprengt und manchmal schienen sie einfach direkt aus dem Tempeldach hinauszuwachsen. Hier wurde deutlich, dass die Natur immer den laengeren Atem hat, ganz egal wie hart die Menschen sich zu verewigen versuchen.
Der Tempel war uebrigens der Drehort von Tomb Raider, der Verfilmung des Lara Croft Videospiels mit Angelina Jolie in der Hauptrolle.

Puenktlich zum Sonnenuntergang waren wir wieder in Angkor Wat, dem groessten Tempel. Als wir uns auf einer niedrigen Mauer niederliessen und warteten, stattete uns ein ungebetener Gast einen Besuch ab: Ein Affe (wir wissen nicht, was fuer einer das war) kam zu uns gelaufen und schnappte sich stinkfrech unsere Wasserflasche. Rafaela schrie auf und er wich zurueck, doch dann knurrte er uns wuetend an und wollte zum Angriff uebergehen. In Gedanken sahen wir ihn bereits mit unseren Taschen (Handys, Paesse, Portemonnaies, ...) im Urwald verschwinden. Da wir uns zuvor gegen Mueckenschwaerme hatten wappnen wollen, hielt ich noch immer meinen Antibrummspray in der Hand - was haette ich schon tun sollen? Ich sprayte dem Affen das stinkende Zeug entgegen, doch er zeigte sich unbeeindruckt und fletschte stattdessen laut fauchend seine langen Eckzaehne.

Schliesslich traten wir den Rueckzug an und er wurde gottseidank von einer anderen Touristin abgelenkt, die ihm in Not ihre Coladose hinwarf. In Ruhe genossen wir den Sonnenuntergang und als der rote Feuerball am Horizont versunken war, kehrten wir mit dem Tuctuc-Fahrer in die Stadt zurueck. Beim Abschied bezahlten wir ihm die versprochenen 12$ sowie einen zusaetzlichen Dollar Trinkgeld, den er ueberhaupt nicht erwartet hatte. Er zeigte seine Freude in einem herzlichen Haendedruck.

Beim Abendessen in einem Strassenrestaurant (das Essen war extrem billig, dafuer aber umso schmackhafter) zogen wir an einem wackeligen Plastiktisch Bilanz: Der Eintritt war mit 20$ pro Person ziemlich hoch gewesen, doch fuer uns hat es sich allemal gelohnt. Es gibt keine Zwei-, sondern nur Ein- und Dreitagespaesse, und wir waren uns einig, dass drei Tage in den Ruinen Angkors fuer normale Touristen wie uns zu viel gewesen waeren.

Erschoepft, aber vollends zufrieden fielen wir an diesem Abend in unsere Betten und drapierten das Moskitonetz kunstvoll ueber unseren Koepfen. Wenigstens einmal fanden wir fuer eines der drei mitgeschleppten Netze Verwendung!

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Wir sind drei Studentinnen (Rafaela aus dem Kanton Glarus, Irene & Christina beide aus Zürich) und erkunden Asien auf eigene Faust. Starten werden wir in Saigon (Vietnam) und arbeiten uns dann Stück für Stück die Küste hoch bis nach Hanoi. Von dort aus fliegen wir nach Angkor und besichtigen die alte Urwaldstadt, bevor wir unseren Trip mit ein paar shopping-intensiveren Tagen in Bangkok abschliessen wollen.
Details:
Aufbruch: 10.01.2008
Dauer: 5 Wochen
Heimkehr: 13.02.2008
Reiseziele: Vietnam
Kambodscha
Thailand
Der Autor
 
Christina Schlatter berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.
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