Thailand - Malaysia - Singapur - Indonesien. Ein Reisebericht von 1989

Reisezeit: Juli / August 1989  |  von Peter Kiefer

Kapit/Tag 11: Nichts sagen, nichts wissen

Aufstehenszeit ist sechs Uhr, um sieben soll das Expressboot nach Kapit starten. Nachdem wir unsere Rucksäcke an Bord geschafft haben, essen wir noch das notorische Frühstückssüppchen, kriegen es aber nicht mehr ganz auf, weil jemand uns zum schleunigen Aufbruch drängt. Um fünf vor sieben startet das Boot, wir waren die Letzten. Im Innern sorgt eine Klimaanlage für eine geradezu polare Kälte. Wir sitzen und frieren und müssen uns eine total idiotische Unterhaltungsshow ansehen. Das Glas der Fenster, die man nicht öffnen kann, ist abgedunkelt und verschmutzt, man fühlt sich wie in einer trashigen Raumkapsel.
Der einzige Ausweg führt an der Toilette vorbei zum Heck, wo ein schmales Holzbänkchen steht. Der Motor heult hier draußen freilich so laut, dass man sich etwas in den Gehörgang stopfen muss, um das Trommelfell in den nächsten Hafen zu retten. Aber lauter freundliche Menschen sind um uns. Ein älterer Herr, der uns zuvor schon jedem ein süß gefülltes Brötchen in die Hand gedrückt hat, versorgt uns jetzt mit Kirschbonbons. Kurz bevor wir nach drei Stunden Fahrzeit in Kapit angelangt sind, deutet er stolz auf das Haus, in dem er wohnt. Wegen des Motorenlärms haben wir im Laufe unsrer Unterhaltung kein einziges Wort miteinander wechseln können.
Langhäuser kann man einige weitere entdecken, soweit aus der Ferne zu erkennen, sind sie alle neueren Datums. In Kapit entscheiden wir uns für das Methodist Church House und sind ein wenig gespannt darauf, was uns der Pfarrer alles wird erzählen können. Eine muffelige, vollkommen desinteressierte Frau ist es dann jedoch, die uns zu einem Zimmer führt, das zu ihrem Gesicht passt; nicht einmal ein Ventilator ist vorhanden. Zu den üblichen Formalitäten sollen wir dann ins obere Stockwerk kommen. Ich gehe also hinauf, klopfe an eine Gittertür, die Frau erscheint wieder, sie hat ein Buch in der Hand, in das ich mich eintrage. Kaum ist das geschehen, nimmt sie es wortlos wieder an sich und sperrt ihre Gittertür zu. Auf meine Fragen folgt nichts als eine tranige Miene. Sie ist, stellt sich nun heraus, die Frau des Pfarrers.

Und apropos Formalitäten. Um weiter in der Region herumfahren zu dürfen, braucht man eigens eine Genehmigung. Wir fragen uns zur zuständigen Behörde durch. Als wir sie nach längerem Suchen entdeckt haben, liegt sie gleich um die Ecke des Hotels. Nun schickt man uns von einem Zimmer ins Nächste, bis einer sich für zuständig erklärt. Am Nachmittag erst soll der Erlaubnisschein bereit liegen und wir haben viel Zeit zum Kapit Longhouse Hotel am anderen Ende des Städtchens zu wandern, wo der Besitzer angeblich eine gute Informationsquelle ist.
Als ich dort aber nach ihm frage, höre ich nur, der Boss sei nicht da, in einer halben Stunde vielleicht. Brav probieren wir es dann nochmal, jetzt ist er da. Er sitzt in einem Hinterzimmer, spielt mit drei anderen Mayong (und das bestimmt schon seit Stunden) und blickt kaum zu uns auf. Ich frage was, er sag er hätte keine Ahnung, die Audienz ist beendet.
Einige Zeit darauf versuche ich's nochmal beim Methodistenpfarrer, klopfe wieder an die Gittertür, und diesmal erscheint er in persona. Ich frage was, er weiß nichts, Ende. Er hätte- seine Gittertür nicht einmal geöffnet, wenn ich nicht mit einem Zehn-M-Dollar-Schein gewunken hätte, dem Geld für die Übernachtung. Wir treiben uns wieder im Städtchen herum, das viel kleiner ist als Sibu, ähnlich reizlos und aussieht, als hätte jemand einen Baukasten mit verschiedenen Klötzchen ausgeschüttet: Stadtplanung hat jedenfalls niemand hier betrieben.
Ein Unterschied zwischen dem, was sich "alter" und was sich "neuer" Markt nennt, ist auch nicht zu erkennen. Überall wird nur billige Plastikware verhökert. Die Angehörigen des Iban-Stammes wirken mitten in der Tropenstadt wie Exoten. Man erkennt sie an ihren Tätowierungen und den riesigen Löchern in den Ohrläppchen, in denen jedoch keine Ohrringe mehr baumeln.
Als wir unseren Schein mit der Aufenthaltserlaubnis abholen, lassen wir uns eine Karte von der Umgebung zeigen. Einen Dollar müssen wir dafür berappen, allein fürs Zeigen. Karin zeichnet das Wichtigste darauf ab, die Namen der Flüsse und der Langhäuser. Zu diesem Zeitpunkt ist noch in keiner Weise klar, wer oder was unser nächstes Ziel ist. Überdies könnte uns der augenblicklich niedrige Wasserstand gänzlich an der Weiterreise hindern. Expressboote jedenfalls (die ohnehin schlechteste Option) verkehren zu dieser Jahreszeit gar nicht. Wir werden unsicher, fragen uns, ob sich der weite Weg hierher am Ende überhaupt gelohnt hat.
In den Abendstunden entsteht noch eine Art Kneipenrunde zusammen mit einem holländischen Paar und zwei etwas unbedarften Schwäbinnen. Alle schwärmen sie von Kapit und von Sibu, warum bloß?
Weil, wie gesagt, das Zimmer im Methodist Guest House keinen Ventilator hat, ist später für eine heiße Tropennacht gesorgt.

© Peter Kiefer, 2005
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Die Reise des Jahres 1989 ist ein wenig lückenhaft dokumentiert. Erstens streikte mein Fotoapparat zeitweilig, zum anderen hat der Atem des Tagebuchs nur etwa vier Wochen gereicht. Dennoch erfährt man einiges: die Begegnung mit einer Dorfgemeinschaft der Iban in einem Langhaus auf Sarawak, ebenso die mit einem javanesischen Sultan oder auch Einzelheiten einer Verbrennungszeremonie in einem balinesischen Dorf.
Details:
Aufbruch: Juli 1989
Dauer: circa 5 Wochen
Heimkehr: August 1989
Reiseziele: Thailand
Malaysia
Singapur
Indonesien
Der Autor
 
Peter Kiefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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