Schlüssel zum Paradies - Tor zur Hölle: die Apolobamba-Region, Bolivien

Reisezeit: August / September 2004  |  von Robert Rauch

Beginn der Expedition

Am frühen Morgen brechen wir auf, unser eigentlicher Aufbruch ins Ungewisse beginnt heute, der gestrige Tag war ja nur die Anreise zum Ausgangspunkt. Zuerst einmal müssen wir wegen Joses Schuhen nach Pelechuco absteigen, das bedeutet einen beträchtlichen Umweg. Nach 15 Jahren Bolivien bekommt man aber wegen so was keine Wutanfälle mehr, ich habe es auf vielen Unternehmungen gelernt die Nerven zu behalten und zu improvisieren.

Am Dorfrand von Pelechuco steht ein Schild mit der Aufschrift " Kreisstadt der Provinz Canaria". Ich schätze die Einwohnerzahl auf etwa 800 Indios der Quechua Nation. Dieses Volk hat eine völlig andere Sprache und Kultur als die Aymara Nation des zentralen Altiplano.
Bolivien ist ein großes und geheimnisvolles Land. Das Dorf besteht aus einfachen Lehm- und Steinhütten, die sich um einen quadratischen, mit Kopfsteinen gepflasterten Marktplatz scharen.

Hinter dem Dorf hört die Strasse einfach auf, dort ist das sichtbare Ende der mir bekannten Welt. Hier steht auch unser Bus von gestern, er nimmt sich in dieser ländlichen Umgebung so krass wie der falsche Ton in einem klassischen Meisterkonzert aus. Ein sehr nützlicher falscher Ton muss man dazu sagen!

Zu unserem Glück gibt es 3 offene Kramerläden und in einem finden wir, auch wieder mit viel Glück, passende Kichutes, robuste chinesische Billigturnschuhe, für Jose. Wir sind beide erleichtert, denn wenn wir die Turnschuhe nicht aufgetrieben hätten, wäre ich aus Sicherheitsgründen gar nicht erst losgegangen.
"Das passiert mir nie wieder" seufzt Jose mit treuem Hundeblick. "Die Schuhe ziehe ich Dir vom Lohn ab" antworte ich. Damit ist der Fall für mich erledigt. Wir gehen ein Stück weit aus dem Dorf hinaus, damit Jose ohne neugierige Zuschauer seine Schuhe wechseln kann.

Wie immer vor großen, unbekannten Unternehmungen befallen mich Zweifel, die vom unsicheren Wetter und dem Zeitverlust durch den Umweg vervielfacht werden. Auf inszenierten Pseudoabenteuern, die heute in Europa so modern sind, gibt es keine Selbstzweifel - weil sie nicht echt sind. Ihr einziger Wahrheitsgehalt ist die Lüge. Was kommt dabei heraus? Ein Berg von Missverständnissen, produziert von Leuten, die sich profilieren wollen, um jeden Preis und selten von irgendetwas anderem als sich selbst sehr gut zu vermarkten eine Ahnung haben.
Von unserer Tour weiß außer Fabiana, Joses Frau, niemand etwas und das ist auch gut so. Wir sind weder schön, noch cool, aber wir und unsere Trips sind echt, worauf wir auch großen Wert legen. Wir brauchen keinen Beifall und müssen uns nichts beweisen, das macht es uns einfach, ohne Druck einen guten Job zu machen.
Warum wir Abenteurer mit Leib und Seele sind? Unterwegs zeichnen wir mit unseren Füßen eine ästhetisch schöne Route auf den Boden und stellen uns damit eine und keine Frage: "Wohin kommen wir, wenn wir gehen?" Dabei bearbeiten wir mit unseren Lungen den flüchtigsten aller Werkstoffe: die Luft. Die Antwort auf unsere Frage liegt auf dem Weg und erklärt sich unterwegs von selbst. Unser Handeln ist einfach, direkt und effektiv. Würde jemand diese Kunst auf ein Blatt Papier bannen wollen, dann müsste er ein leeres Blatt zeichnen. Fragt ein Außenstehender nach unseren Beweggründen, so können wir sie unmöglich in starre Formen, wie Worte es sind, fassen. Ein Leben in Freiheit lässt sich nicht zu Papier bringen. Das lebt nur in einem drinnen. Für immer.

© Robert Rauch, 2005
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine Erkundungsexpedition vom bolivianischen Apolobamba-Gebirge zu den Regenwäldern Amazoniens
Details:
Aufbruch: 30.08.2004
Dauer: 7 Tage
Heimkehr: 05.09.2004
Reiseziele: Bolivien
Der Autor
 
Robert Rauch berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Robert sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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