Pampas, Anden, Amazonas, Guyanas

Reisezeit: September - Dezember 2009  |  von Roland E.

Der arme Brite von Iquitos

Ich mache eine Ausnahme und nehme das Taxi vom Flughafen Iquitos in die Stadt. Normalerweise vermeide ich dies, aber die WM-Barragespiele beginnen in zwanzig Minuten und ich würde sie gerne sehen. Warum ich Taxis lieber meide? Genau darum! Der Taxifahrer versucht mir alles mögliche anzudrehen. Zuerst kennt er auch einen Schweizer, der schwärmt von Iquitos und vom Dschungel, er macht immer eine Tour. Er bucht sie bei dieser Firma und die sei sowieso die Beste und wir können gleich hinfahren etc. Ich will auf keinen Fall, dass er meine Hotelwahl kennt, den ansonsten wird er vor dem Hotel auf mich warten und weiter auf mich einreden. Deshalb will ich, dass er mich an einem Plaza, nahe meines geplanten Aufenthalts, rauslässt. Er versucht mir aber ein anderes Hotel aufzuschwatzen, dann meint erm hier sei es zu gefährlich um mich rauszulassen, wir sollen doch zusammen suchen. Erst als ich einen Befehlston aufsetze, ist er bereit anzuhalten. Natürlich ein paar Blocks weiter, vor einem Hotel. Wir sind beide sauer.

Ich mag Iquitos. Es ist so lebendig, immer geht was. Und das Bier, das Iquitena extra, schmeckt mir sehr gut. Die Leute sind herzlich. Bald habe ich auch eine Stammkneipe, indem mich die mollige Wirtin und ihr sehr höflicher Sohn immer so nett empfangen.

Doch nicht alle sind so glücklich wie ich. Ein Brite spricht mich an. Er sei überfallen worden, alles hätten sie ihm geklaut, inklusive Schuhe. Vor zwölf Tagen sei das gewesen. Was mir aber wirklich Sorgen macht ist sein kleiner Finger. Er steht in einem hässlichen Winkel ab, dick geschwollen mit offener Wunde. Ich vermute mal ein offener Bruch. Dies geschah einige Tage später, bei einem Verkehrsunfall. In drei Tagen kommt sein neuer Pass, dann kann er heim. Als er das erzählt, steigen ihm Tränen in die Augen. Für mich gibt es keinen Grund, an seiner Version zu zweifeln und selbst wenn er nicht die Wahrheit sagt, sein Finger muss unbedingt behandelt werden. Mein Gewissen verlangt, dass ich ihm helfe und was wiegt schon Geld gegen Gesundheit auf? Zudem könnte mir das Gleiche passieren. Ich gebe ihm einen grösseren Betrag unter der Bedingung, dass er sofort seinen Finger untersuchen und stabilisieren lässt. Seine Erleichterung über den Betrag freut mich. Er wirkt auch sehr symphatisch. Leider reden wir anschliessend aneinander vorbei und so sehen wir uns nie wieder.

Die Frauen in Iquitos entsprechen genau meinem Geschmack und in einer Bar hat es eine Kellnerin, die ich umwerfend schön finde und ihre Art, ihr Blick mich völlig um den Verstand bringt. Sie lässt auch keinen Zweifel daran, dass sie mich gerne näher kennenlernen würde. Ich gehe nie mehr hin, aus Selbstschutz, Feigheit, Klugheit oder Dummheit, ich weiss es nicht. Wohl von allem ein bisschen, aber bereuen tue ich es sehr, denn es dauert lange, bis ich sie einigermassen aus meinem Kopf bringe. Hätte ich sie näher kennengelernt, meine Reise hätte in Iquitos geendet. Ich bin einfach ein Feigling. Fertig.

© Roland E., 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine Reise mit Hindernissen
Details:
Aufbruch: September 2009
Dauer: 3 Monate
Heimkehr: Dezember 2009
Reiseziele: Brasilien
Argentinien
Bolivien
Peru
Guyana
Suriname
Der Autor
 
Roland E. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.