Baltikum-Rundreise: Litauen – Lettland – Estland

Reisezeit: Mai / Juni 2005  |  von Anke Schlingemann

Lahemaa Nationalpark - Tartu (Estland)

Ganz im Norden Estlands, nicht allzu weit von Tallinn entfernt, liegt der Lahemaa Nationalpark. Das "Land der Buchten", wie Lahemaa übersetzt heißt, hat eine schöne Küstenlandschaft mit vier Halbinseln, die kleine Buchten bilden. Unser Ziel ist Käsnu. Aus der Eiszeit stammend findet man hier im Wasser und im Wald eine große Ansammlung großer Felsbrocken.

Lahemaa Nationalpark

Lahemaa Nationalpark

Wir folgen einem kurzen Rundweg, der zunächst an der Küste entlang führt und später durch den vermoosten Wald. Wieder einmal stellen wir fest, dass es die Esten mit stringenten Wegmarkierungen offensichtlich nicht zu genau nehmen. Der auf der Karte gelb eingezeichnete Pfad wird mit grünen Markierungen in den Wald geführt. Erfreulicherweise ist es momentan trocken, so dass der kurze Spaziergang über den saftig grünen, moosbewachsenen Waldboden Spaß macht. Überall ragen Felsbrocken heraus und verleihen dem Wald eine mystische Stimmung.

Die Regenpause ist schnell vorbei. Wir verlassen den Nationalpark und fahren weiter nach Tartu, die älteste Universitätsstadt des Baltikums (370 Jahre alt).

Tartu - Universitätsgebäude

Tartu - Universitätsgebäude

Bevor wir unsere kurze Stadtbesichtigung beginnen müssen wir zunächst ein Parkautomatproblem lösen. Aufgrund der Währungseinheit (1€ = 15 EEK) haben wir bislang keine Münzen bekommen, welche fürs Parken aber von uns abverlangt werden. Freundlicherweise wird uns in einem Buchladen - auch ohne sprachliche Verständigungsmöglichkeit - eine Banknote in Münzen eingetauscht. Der Stadtrundgang durch die 100.000 Einwohner zählende Stadt ist schnell vollbracht. Die Kleinstadt verbreitet eine ruhige, studentisch geprägte Atmosphäre. Ganz nett ist der Rathausplatz, der von neoklassizistischen Gebäuden umgeben ist. Besonders auffällig ist das lila-/orangefarbene Rathaus, vor dem ein Brunnen mit einer netten Skulptur eines beschirmten Liebespaares steht. Nördlich des Platzes liegt das ebenfalls neoklassizistische Universitätsgebäude, der Eingang wird von Kolonnaden geschmückt. Auf dem Domberg sind noch Ruinen einer Kathedrale zu sehen.

Unser nächstes Ziel liegt in der Nähe von Polva. Sechs Kilometer vor dem Ort biegen wir links nach Taevaskoja ab. Nach weiteren vier Kilometern geht es rechts ab nach Suur Taevaskoja. Vor einem alten Wasserkraftwerk und dem dazugehörigen Stausee beginnt ein kurzer Wanderweg. Der harmlos wirkende Fluss Ahja hat hier bis zu 30m hohe Sandbänke und -höhlen ausgespült. Die Sandsteinwände, die von weiß bis terracotta-rot leuchten, heben sich idyllisch von dem kleinen Flusslauf und den grünen Bäumen ab. Über zwei Brücken führt der Weg an den Sandsteinwänden vorbei..

Suur Taevaskoja bei Polva

Suur Taevaskoja bei Polva

Von Polva aus wollen wir auf der Landstraße Nr. 64 weiter nach Voru. Verwöhnt vom deutschen Schilderwald mussten wir im Baltikum schon häufiger feststellen, dass hier eher das Prinzip "weniger ist mehr" angewandt wird. Beispielsweise werden Abzweigungen i.d.R. vorher nicht angekündigt. So passiert es nicht selten, dass man beim Vorbeifahren aus dem Augenwinkel gerade noch erkennt, wo man eigentlich hätte abbiegen wollen und kurzfristig ein Wendemanöver einleiten muss.

Wie wir erfahren müssen, wird es mit Baustellen ähnlich leger gehandhabt, jedenfalls ist die Straße für uns auf den ersten Blick nicht als solche erkennbar. Es fällt uns zwar auf, dass die Fahrbahn gerade neu gemacht wird, aber auf dem festgewalzten Sand fährt es sich nicht so viel schlechter als auf den bekannten Schotterpisten. Zudem kommt uns ein Auto entgegen, so dass wir uns nichts Böses denken. Kurz darauf wird allerdings erkenntlich, dass es wohl noch einige Wochen dauern wird, bis die Straße wieder durchgängig befahrbar sein wird, denn vor uns kippen Lkws gerade Sand ab. Darüber verwundert, dass wir weder Umleitungsschilder noch eine Baustellenabsperrung ausgemacht haben, machen wir kehrt. Genauer gesagt versuchen wir es. Beim Zurücksetzen fahren wir uns im weichen Sand fest. Mit jedem Versuch, dem Sand zu entkommen, buddeln sich die Hinterräder nur noch tiefer ein. Glücklicherweise haben die Bauarbeiter noch nicht Feierabend gemacht. Auch ohne sprachliche Verständigungsmöglichkeit ist unsere missliche Lage unverkennbar. Mangels Abschleppmöglichkeit bleibt nur, das Fahrzeug herauszuschieben. Nach ersten kontraproduktiven Versuchen, die das Fahrzeug noch weiter eingraben, kommen rettende Spaten zum Einsatz. Nachdem das Fahrzeug nun etwas freigeschaufelt wurde, gelingt die Befreiung mit viel hin und her schließlich. Für den tatkräftigen Einsatz wollen wir uns gerne erkenntlich zeigen, doch die Bauarbeiter lehnen das angebotene Geld dankend ab. Vorsichtig und nach der Devise "bloß nicht anhalten", fahren wir den Kilometer wieder zurück und freuen uns, wieder asphaltierten Boden zu erreichen. Aus dieser Richtung kommend sehen wir nun auch das Umleitungsschild.

Mit einem etwas unguten Gefühl fahren wir später auf diversen Schotterstraßen nach Obinitsa. Wir sind nur wenige Kilometer von der höchsten Erhebung des Baltikums, dem 318 m hohen Suur Muna magi sowie von der Grenze zu Russland entfernt. Dementsprechend ist die Landschaft hier etwas hügeliger. Von Obinits führt eine Straße zu den Sandhöhlen von Piusa.

Sandhöhlen von Piusa

Sandhöhlen von Piusa

Zwischen 1922 und 1970 wurden diese Höhlen durch Quarzsandabbau, der von der Glasindustrie benötigt wurde, geschaffen. Das Gebiet wurde 1999 unter Naturschutz gestellt. In den Höhlen haben sich Fledermäuse angesiedelt, heute eine der größten Kolonien im Baltikum. Die Höhlen sind frei zugänglich. Von den Fledermäusen können wir allerdings nichts erkennen, aber die Atmosphäre beim Durchlaufen der Höhle ist toll. Wie Säulen einer Kathedrale, die in Rundbögen zusammenlaufen, wirken die verbliebenen Sandsteinstelzen. Mangels einer Taschenlampe wagen wir uns allerdings nicht allzu weit hinein. Hinter der Höhle führt ein Weg zu einer großen Sanddüne, die sich entlang des Waldrandes in der Sonne leuchtend erstreckt.

Damit verlassen wir Estland und passieren bei Aluksne erneut problemlos die estisch-lettische Grenze.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Reisebericht mit Fotos von Anke Schlingemann & Detlef Hälker. Rundreise: Vilnius, Europa Park, Trakai, Kaunas, Klaipeda, Kurische Nehrung, Dzukijos, Gruto Parkas, Pape-See, Kuldiga, Sliteres, Rundale, Riga, Gauja, Muhu, Saaremaa,Tallinn, Lahemaa, Danzig
Details:
Aufbruch: 21.05.2005
Dauer: 15 Tage
Heimkehr: 04.06.2005
Reiseziele: Estland
Polen
Litauen
Lettland
Der Autor
 
Anke Schlingemann berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Anke sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!