Railroad Crossing - mit dem Zug quer durch die USA: New York - San Francisco

Reisezeit: Mai / Juni 2007  |  von Markus Keune

01.06. San Francisco / Oakland

Wer die Simpson's kennt, der kennt auch Bart, den frechen Sohn der Familie. Wer die San Francisco Bay kennt, der kennt auch BART. Gemeint ist hier die Schnellbahn, die die Orte rund um die Bucht miteinander verbindet. Und genau mit dieser Bahn fahre ich früh morgens rüber nach Oakland zum Jack London Square.

Der eigentliche Platz ist mir ganz egal, ich interessiere mich hier eher für die daran vorbeiführende Straße "Embarcadero". Hier fahren die großen Personen- und Güterzüge auf einer Länge von 5 Blocks mitten auf der Straße. Nichts Ungewöhnliches - mögen einige Schweizer nun sagen, denn gerade in ihrem Land habe ich ähnliches auch schon verstärkt vorgefunden, nur handelte es dabei meist um kurze Schmalspurzüge, die gegenüber den mächtigen amerikanischen Güterzügen, die nicht selten von sechs donnernden Dieselloks gezogen und über 100 Anhänger stark werden, wie Spielzeugeisenbahnen.

Und das in einem Land, wo Sicherheit nicht nur am Wortanfang groß geschrieben wird. An einer Ecke nach der anderen beginnt das Gebimmel (wie schon die sich öffnenden Brücken in Chicago), eine Schranke nach der anderen wird geschlossen und dann donnern tausende von Tonnen Stahl durch die sonst so beschaulich ruhige Straße, vorbei am übrigen Individualverkehr.

Vorsorglich habe ich mir einen Fahrplan ausgedruckt, so dass ich genau weiß, wann der nächste Zug zu erwarten ist und ob es sich noch lohnt, auf den nächsten zu warten. Ich habe da auch schon mal was ganz anderes erlebt, wo ich mich über eine Stunde an eine stark befahrene Güterzugstrecke gestellt hatte, wo natürlich genau dann kein Zug gefahren ist. Hier ist das etwas ganz anderes. Schön regelmäßig bekomme ich hier etwa jede Viertelstunde etwas geboten.
Mein Lieblingsstandort ist eine Fußgängerbrücke, die ein Parkhaus mit einem Einkaufszentrum verbindet. Von hier lässt sich die komplette Straße bis zum Bahnhof überblicken.
Ja, der Bahnhof. Drei mal bin ich da schon mit dem Coast Starlight von Los Angeles kommend angekommen. Drei mal bin ich achtlos in den Shuttle-Bus gestiegen und hinüber nach San Francisco gefahren, ohne überhaupt zu ahnen, was sich hier für eine Besonderheit befindet, die jedes Eisenbahnerherz höher schlagen lässt.

Ok, ich langweile euch schon wieder mit meinem Schienengefasel, also zurück nach San Francisco. Die Wolkendecke ist noch immer nicht aufgerissen. Seit knapp 3 Tagen dieselbe graue Suppe über der Stadt. Nebel kann man es auch nicht nennen, da ja am Boden und selbst auf Twin Peaks alles zu sehen ist, nur halt bewölkt. Kein Sonnenstrahl dringt zur Erde, kein blaues Flecken am Himmel lässt Urlaubsgefühle aufkommen, es ist einfach nur kalt.

Aus diesem Grund verwerfe ich auch eine Radtour zur und über die Golden Gate Bridge und weiter nach Sausalito, denn gegen den Gegenwind habe ich keine Lust anzukämpfen. Also laufe ich rüber zur Marina und fahre von dort mit dem Bus zur Golden Gate Bridge.

Vorher, am Ghirardelli Square, mache ich aber noch Bekanntschaft mit einem Bettler, der mich um ein paar Cent anbettelt. Als ich ihn aber nichts geben will, ruft er mir nur hinterher in gebrochen Deutsch: "Komm schon, du hast doch was, du Schlawiner."
Ich bin mal wieder erstaunt. Woran erkennt er am Kopfschütteln, dass ich Deutsch spreche? Und lernt man das Wort "Schlawiner" im Deutsch-Kurs in Amerika?

Na, egal. Vor mir verspricht die Golden Gate Bridge einen trockenen Weg hinüber auf die anderen Seite. Perfektes Timing, vorgestern bin ich zu ähnlicher Zeit hier auch mit dem roten, alten, schicken, glänzenden Mack Feuerwehrwagen drüber gefahren. Mal sehen, ob ich die Bande heute auch wieder sehe.
Ich trotte los und tatsächlich, auf dem letzten Drittel fährt der rote, alte, schicke, glänzende Mack Feuerwehrwagen an mir vorbei. Obwohl ich ihn erwartet habe, bin ich doch etwas überrascht, wie schnell er aufgetaucht - und wieder verschwunden ist, so dass ich in der Eile ihn nur halb aufs Foto bekomme.

Auf der anderen Seite der Brücke ist nun die Frage: Was tun? Weiter hoch laufen in die Marine Headlands lohnt nicht. Sämtliche Aussichtspunkte, die höher als die Spitze der Golden Gate Bridge liegen, sind im dichten Nebel verhüllt. Da oben kann man dann nun echt von Nebel sprechen. Wieder zurück? Da war ich doch gerade erst. Sausalito? Ist ja nicht weit, die Strecke kenne ich ja noch von der Fahrt mit dem roten, alten - mit dem Feuerwehrwagen eben.

Meine Wahl fällt auf Sausalito und ich laufe los. Unterwegs werde ich von zahlreichen Radfahrern überholt, die von hier ab einfach nur noch bergab fahren müssen. Ich werde ein wenig neidisch und bereue, kein Fahrrad genommen zu haben.

In Sausalito erlebe ich eine echte Überraschung: Die Sonne scheint. Es ist sommerlich heiß. Blickt man über die Bucht hinüber nach San Francisco, kann man nur heulen. Da bin ich schon 4 Tage in der Stadt unter dichten Wolken und ringsherum ist schönstes Wetter. Das ist doch nicht fair. Das ist sogar unfair.
Wie gerne hätte ich jetzt ein Fahrrad und wäre noch weiter Richtung Old Mill Park oder Tiburon gefahren. Ich habe aber keins. Also muss ich mir eine andere Freizeitbeschäftigung suchen: Faul im Gras liegen. Ja, das kann ich gut. Faul im Gras liegen und Sonne tanken. Oh ja, das tut gut.

Als die Schatten länger werden, wird es Zeit für den Rückweg. Sicher, man hätte auch die Fähre nehmen können, aber ich wollte doch noch Fotos von der Golden Gate Bridge am Abend machen.
So laufe ich los. Unterwegs werde ich von einigen Radfahrern überholt, die von hier ab schwerlich bergauf fahren müssen. Ich werde überhaupt nicht neidisch und bereue es keinesfalls, für den Rückweg kein Fahrrad genommen zu haben.

Kaum aus Sausalito heraus, begrüßt mich meine lieb gewonnene Wolkendecke zurück und die Temperaturen gehen zum Lachen in den Keller. Dahinten noch um die nächste Kurve und ich habe freie Sicht aufs Meer und der Wind freie Bahn zum Touristenumpusten.

Noch ist es nicht dunkel, aber Lust, mich auf eine Bank zu setzen und einfach zu warten habe ich auch keine. Dafür ist es einfach zu kalt. Also fahre ich kurz mit Bus und Bahn durch die Stadt und damit ist genügend Zeit vertrödelt. Für ein paar Fotos reicht es noch, da frieren einen schon die Finger ein und ich suche das Weite.
Was kann man mit dem Abend noch anfangen? Cable-Car fahren? Zu kalt. - U-Bahn fahren? Zu dunkel. - Feuerwehrwagen fahren? Zu unwahrscheinlich. Alamo Square und Skyline im Dunkeln ansehen? Zu-mindest eine Idee.

Der Parkplatz an der Golden Gate Bridge ist leer geworden. Auch an der Haltestelle steigt niemand in denselben Bus ein wie ich. Wieder bin ich mit dem Fahrer alleine und wieder fragt er mich, wo ich denn hin möchte. So langsam begreife ich, die Frage gestern war nicht als störend, sondern fürsorglich gemeint. Schnell gebe ich mein Ziel an und nach einem Umstieg bin ich auf schon am Alamo Square.
Eine ganze Zeit wundere ich mich, warum die Lichter der Hochhäuser im Hintergrund so schwach sind. Auch die Fotos wollen einfach nichts werden. Ich bekomme die viktorianischen Häuser drauf, aber dahinter verschwimmt alles in einem Gelbschleier. Auch, wenn ich die Belichtungszeit höher wähle, es will sich kein Hochhaus im Hintergrund abzeichnen.
Und da dämmert es mir - da ist Nebel am Werk. Boah, das ist ja gemein. Am Tage bei Helligkeit sieht man wenigstens, dass man nichts sieht.

Übernachtung: Grant Hotel - San Francisco, CA

© Markus Keune, 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Die Zugfahrt einer guten Bekannten musste storniert werden. Heraus kam ein Gutschein, den sie auf meinen Namen ausschreiben ließ - eine nette Geste, doch musste ich so eine Tour finden, die teuer genug ist, den ganzen Gutscheinwert abzufahren. Dann erfülle ich mir halt einfach den Traum und fahre einmal quer durch die ganze USA - mit dem Zug!
Details:
Aufbruch: 16.05.2007
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 02.06.2007
Reiseziele: Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Markus Keune berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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