Impressionen aus crazy India

Reisezeit: Mai 2008  |  von Julia Froehlich

So nun auch endlich ein paar Saetze!

Da Indien bereits in einiger Entfernung liegt, weil ich mittlerweile schon meine anschliessende Malaysia- und Singapurtour beendet habe und gerade Neuseeland ansteuere, faellt es mir ein wenig schwer all das Bestaunte zu erinnern und in Worte zu fassen, wie es einem wohl nur moeglich ist, wenn man etwas gerade und unmittelbar erlebt! Trotzdem war die Zeit, die ich im Norden des Subkontinentes verbringen durfte so intensiv und voll von unvergesslichen Eindruecken,dass es mir also gelingen sollte,einige Dieser festzuhalten...
Ich kam am fruehen Morgen in Delhi an,von wo aus ich meinen Weg nach Agra machte.
Diese Fahrt ist wohl mit das Unvergesslichste meines Indienaufenthaltes, da ich zwar auf extreme Temperaturen (40-45Grad im Schatten) sowie extrem abgasbelastete Luft und allerlei andren Schnickschnack vorbereitet zu sein glaubte, jedoch nicht auf die Nacktheit des Lebens, die sich mir beim Blick durch mein Fenster in diese ploetzlich greifbar nahe und doch so ferne Welt bot! Schockierend und brutal real, spannend, faszinierend und verzaubernd. Aber so unbeschreblich fremd und anders als Alles was ich jemals zuvor gesehen hatte, dass es mich voellig ueberwaeltigte. Gegensaetze wohin ich blickte:
Modernste Autos mit edel gekleideten Indern auf der Rueckbank (Vorne sass selbstredend der Chauffeur), draengten sich neben unzaehligen voellig ueberladenen Dreiradtaxen, Motorraedern(nicht selten mit ueber 4 Personen beladeen), Fahrraedern und Viehgepannen, Kamelen und allerlei andren unbeschreiblichen Fortbewegungs- und Transportmitteln auf den vorerst breiten staubigen Strassen. Riesige LKW mit der fettgedruckten Aufschrift "Blow Horn" auf der Rueckseite bahnten sich ebenso skrupelos wie die ueberfuellten Busse(die vom Aussehen eher an Viehtransporter erinnern...) den Weg durch das zwar chaotisch wirkende,jedoch einer undurchschaubaren Ordnung unterstehend scheinenden Strassenwirrwarr, als haetten sie keine Bremsen. Besonders die Busse, die meist die Musik auf "volle Pulle" haben, sind anscheinend recht gefuerchtet.Ihnen wird stets Vorfahrt gewaehrt- man weiss wohl,sie stoppen nie...

In all diesem auf mich hektisch wirkenden Treiben und dem Ohrenbetaeubenden Huplaerm, konnte ich allerdings weder ein einziges stressverzerrtes Gesicht hinter einem Steuer ausmachen, noch ein fluchend klingendes Wort aufschnappen!Jeder schien die Lage als voellig normal zu empfinden, naja Jeder ausser mir eben. In diesem Mioment bekam ich zum ersten Mal zu spuehren,dass ich so ziemlich der einzige Fremde in der gesamten Umgebung war. Und es sollte nicht bei diesem einen Mal bleiben...
Nachdem ich mich ein wenig an den Verkkehrszustand gewoehnt hatte und mich vom fesselden Anblick der zum Kontrast zu Staub und Dreck in allen Regenbogenfarben schillerndenund , im Wind wehenden Gewaender junger Frauen auf den Ruecksitzen der Mofas ihrer Manner klammernd, losreissen konnte,begann ich die Situation am Strassenrand wahrzunehmen...
Wieder schauten meine Augen unbeschreiblich kontrasreiche Bilder : Die protzigsten Gebaude dicht gedraengt an heruntergekommene, unfertige Betonbautenauten, garagenaehnliche Unterkuenfte, die als Shops und Teestaende zu funktionieren schienen. Ausserdem viele suedafrikanischen Slums gleichende Zonen zwischendrin.
Frei umherstreunende Hunde ,Kuehe und Schweine wohin ich meinen Blick auch schweifen liess.
Kamen wir an einem der -in meinen Augen- extrem kitschig und ueberladen wirkenden ,aber dennoch eine besondere Atmosphere schaffenden Hindu-Tempeln vorbei, fand ich mich ploetzlich inmitten einer Duftwolke wieder: Ausgehend von unzaehligen Blumenstaenden und Essbuden...Ich fuehlte mich unverzueglich in eine Geschiche aus 1000 und eine Nacht versetzt!
Ebenfalls ab vom Highway dann auch Schulen am Stassenrand, ausserdem natuerlich Obst- und Gemuesestaende, Barbier und oeffentliche Waschplaetze... direkt neben den endlosen Muellhalden, in denen Kinder spielten,Bettler und Schweine um die Wette zu wuehlen schienen. Furchtbar und schockierend fuer mich.

Furchtbar und schockierend auch ein anderes Bild, das sich mir einge Tagee spaeter bieten sollte!
Ich befand mich auf dem Rueckweg von Fatehpr Sikri nach Agra und war, aehnlich wie nach meinem Besuch beim Taj Mahal absolut fasziniert und erfuellt von der atemberaubenden Schoenheit und Perfektion der so peinlich genau erhaltenen architektonischen Wunderwerke (in deren Inneren sich allerdings Kinder auf erschreckende Art und Weise Geld zu verdienen versuchten und Erwachsene Markkthandel betreiben- hier treffen die 2 Welten einmal mehr aufeinander...).Ich kann den Besuch dieser und/ oder aehnlicher Staetten allerdings nur empfehlen, die in Marmor eingelegten Edelsteinarbeiten sind einfach atemberaubend!!
Wie auch immer,auf dieser Fahrt jedenfalls bot sich mir ein schrecklicher und unvergesslicheer Anblick:
Eine von einem Laster ueberrollte und in Stuecke geteilte Frau in der Mitte der Fahrbahn.
Ich hatte zuvor schon einige ueberfahrene Tiere auf den Strassen gesehen und dachte im ersten Moment es handele sich um ein Weiteres...Bis ich mit Schrecken festellen musste,dass dem nicht so war! Wir sind nur einige Meter entfernt an der nicht abgesperrten Unfallstelle entlang gefahren und ich kann wohl von Glueck sagen, dass meine Augen nicht die Besten sind!
Ich habe in Indien Einiges erlebt,dass mich erschreckt hat: Nicht nur die bitterliche Armut und der allgemeine hygienestandard,sondern auch die Art und Weise, auf die in der Gesellschaft untereinander miteinander umgegangen wird.
In jeder einzelnen der indischen Familien,in der ich unterkam gab es eine Reihe Angestellter. Neben fuer die Sauberkeit und das Chauffieren zustaendigen Bediensteten, gab es stets auch Kuechenhilfen. Hierbei handelte es sich fast ausschliesslich um Kinder, die zu jeder Tages-und Nachtzeit herbeigerufen werden ,sobald es ein Glas Wasser aus dem Kuehlschrank zu holen, oder ein Geschirrstueck abzuraeumen gab. Als ich mich dagegen streubte und mein Geschirr selbst abzuraeumen begann, stiess ich auf absolutes Unverstaendis, fast war es sogar, als verletzte ich dadurch meine Gastgeber in ihrer Ehre...

Als mich nach dem Alter eines Dienstjungen erkundigte, lautete die Antwort: "We like to believe that he`s 14!He doesn`t know, and so don`t we" . Fragt man mich, war das Kerlchen kaum aelter als 9!
Sie behandeln die Bediensteten sehr abschaetzig, vielerorts mussten sie auf dem Boden im Hinterzimmer essen, in Abstellkaemmerchen schlafen und es faellt weder ein dankendes Wort noch gilt es ihnen ein wertschaetzendes laecheln oder irgendeine warme Geste entgegen zu bringen. Mir hat das sehr weh getan, aber es ist nunmal eine andere Mentalitaet, auf die es sich wohl einzulassen gilt.
Die Gastfreundschaft hingegen ,die mir entgegen gebracht wurde ,war einfach ueberwaeltigend.
Zum einen war es toll zu sehen, wie das Altagsleben von statten geht( z.B. das Ankleiden und mehrmalige wecken / zu Bett "klingeln" der GoetterpuppenEs)und wie gehaust wird. Zum Anderen wurde alles versucht, mir meinen Aufenthalt so angenehm wie moeglich zu gestalten, was dann auch z.T. dazu fuehrte,dass ich sehr unindisches Essen(Pastagerichte oder Pizzahut Bestellungen)auf den Teller bekam, oder zu Besuchen von Shoppingzentren geschleift werden sollte-hmmm naja,sie haben eine sehr "spezielle" Vorstellung, wonach es Europaern so geluestet...
Die eine Sache,die ich definitiv fuer einen evtl. zukuenftigen Besuch Indiens im Hinterkopf behalten werde ist, dass wenn ich wieder bei lokalen Familien unterkommen sollte, ich mein Programm vorab detailliert zu planen habe. Ansonsten ist es naemlich sehr gut moeglich, dass nicht festgezurrte Plaene boikottiert werden, oder auf Anfragen nach Auskuenften oder Ratschlaegen erst die gesamte weibliche Hausbesatzung zusammengetrommelt wird um (natuerlich auf Hindi) Loesungsansaetze zu entwickeln, bis dann die Hausaelteste nach ca. 3 Stunden und 7 Glaeschen Tee beschliesst, einen der arbeitenden Maenner auf dem Haendy anzurufen, um dessen Meinung einzuholen. Anschliessend wartet man dann auf das Resultet der Unterhaltungen , die die Maenner von der Arbeit aus ueber ihre Handys fuehren , bis sie schlussendlich der wartenden Gesellschaft zu Haus ihren Entschluss mitteilen.

Anfaenglich sehr amuesant fuer mich, zeitweise dann aber doch etwas nervenaufreibend, sodass ich nach einigen dieser Situationen beschloss, meine Gastgeber vor vollendete Tatsachen zu stellen.
Auf meine Einzelstreifzuege ueber Maerkte, kleine Unterhaltungen am Strassenrand( meist unter Gebrauch von Haenden und Fuessen als Verstaendigungsmittel), Erkundschaftung des Bahnhofes in Agra ,oder den Besuch eines Basars haette ich aus Sicherheitsgruenden, oder "weil man das einfach nicht macht" laut meiner Gastgeber naemlich wohl verzichten muessen. Es verlangte Einiges an Entschlossenheit und Durchsetzungsvermoegen um meine Wuensche und Vorsaetze in die Tat umsetzen zu koennen- wie man an der Fotobeute erkennen kann,war ich zumindest z.T. erfolgreich!
Auch wenn sich das Alles ziemlich ruede und viell. sogar undankbar anhoeren mag, kann ich wirklich nur beteuern, dass ich sehr froh fuer jede einzelne Unterkunft und Aufnahmme die ich erfahren durfte bin.
Ich habe mich zwar zum ersten Mal seit Antritt meiner Reise etwas einsam gefuehlt, aber das hatte wohl kaum mit dem Verhalten meiner Gastgeber, sondern vielmehr mit meinen Gewohnheiten und der Tatsache, dass in Indien einfach Alles anders und irgendwie "verrueckt" ist, zu tun.
Ausserdem gabs anfaenglich auch einige Kommunikationsproblemschen, da ich mich nicht so recht an den indischen Akzent das unaufhoerliche Kopfschuetteln gewoehnen konnte und die Inder ihrerseits dazu neigten, mein kopfschuettelndes Verneinen stets als Bestaetigung des Gefragten aufzunehmen. Im Nachhinein, laesst mich diese Erinnerung schmunzeln: so richtig touri-like eben!

Ein weiterer Grund der mir das Einleben erschwerte war denk ich, dass die Maedchen, welche ich in den Familien kennen lernte oftmals Vorschriften unterstanden, die fuer mich undenkbar waren: Kein Schritt vor die Tuer ohne Begleitung;keine freie Auswahl der Freunde; keine Gespraeche mit Jungen(es sei denn unter Anwesenheit der Eltern);kein Internet nach 9pm, kein Ausgehen nach 8:30pm ; kein Verfuegen ueber eigenes Geld; keine Nebenjobs...und "selbstverstaendlich" auch keine freie Braeutigamwahl! Mir fiel es besonders anfaenglich schwer, meinen Platz unter Ihnen zu finden, denn ich wollte mich nicht durch Freiheiten die ihnen nicht gewaehrt waren, mir aber zugestanden wurden, ausgrenzen. Andererseits mochte ich mich aber auch nicht verstellen, gerade, da sie nahezu europaeisches Verhalten von mir zu erwarteten schienen, um nicht zu sagen verlangten...

Leider finde ich durch das stetige Weiterziehen keine rechte Musse, die einzelnen Stationen und Erlebnisse oder meine genaue Route wiederzugeben und kann euch nur einige grobe Eindruecke aufzeichnen.

All das Schoene und Screckliche, das ich gesehen habe, all die fremden und wunderbaren Gerueche die mein Naeslein schnupperte, der ungeahnte Facettenreichtum an Geschmaeckern und der ohrenbetaeubende aber doch irgendwie ins Gesamtbild passebnde Laerm den meine Ohren ertragen mussten haben Spuren hinterlassen...
Generell habe ich aus Indien nicht nur das mitnehmen koennen, was ich ueber meine Sinne aufnahm; es ist vielmehr einen unvergesslichen Gesamteindruck, der mich so viel reicher fuehlen und mich eine unendliche Dankbarkeit fuer das als so selbstverstaendlich hingenommene Leben, das mir zu Haus geschenkt ist, spueren laesst
- in aehnlicher, aber vielleicht sogar noch intensiverre Form als ich es durch meine Arbeitserfahrung in England erlebt habe.

© Julia Froehlich, 2008
Du bist hier : Startseite Asien Indien So nun auch endlich ein paar Saetze!
Die Reise
 
Worum geht's?:
Vorest einmal Fotos die Baende sprechen...Sobald ich die Zeit finde folgt ein Bericht ueber einige meinerErfahrungen waehrend der kurzen, aber dennoch sehr eindrucksvollen Zeit im Norden Indiens...
Details:
Aufbruch: Mai 2008
Dauer: unbekannt
Heimkehr: Mai 2008
Reiseziele: Indien
Der Autor
 
Julia Froehlich berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.
Bild des Autors