Auf den Spuren von Che und Fidel

Reisezeit: November 2013  |  von Marius Schebaum

Wie Bene den Pizzastand kaufen wollte...

In unserer Generation sind wir ja durchaus mit Straßenständen, to-go-Pizzen auf fettigen, grauen Papp-Dreiecken und einem schnellen Happen im Gehen vertraut und deshalb dachten wir uns auch nichts Böses, als wir auf einem kleinen Platz in Holguin ca. fünf kleine Stände entdeckten, die alle ein recht ähnliches Angebot an Hähnchen-Sandwiches anpriesen. Wir schauten also neugierig auf die verschiedenen trostlosen Auslagen und als Benes kurze Inspirationsphase abgeschlossen war, bestellten wir bei einem der Verkäufer eines jener Sandwiches für $5. Schnell mal durchgerechnet erscheinen 5 US$ schon ganz ganz schön viel für ein Stück Pizza im nicht gerade vom Geldregen überschütteten Kuba, aber wer weiß, vielleicht ist das ja die beste Pizza im ganzen Land und Fidel persönlich kommt hier einmal im Monat auf nen Snak vorbei?! Noch unkundig in der Währungspolitik drückte Bene dem Herren also einen 20 CUC-Schein in die Hand, also jener Währung, die wir aus dem Automaten erhalten hatten und die 1:1 an den amerikanischen Dollar gebunden ist, eine Art Tauschwährung also. Der Mann schaute entsetzt auf den 20er und fragte, ob wir nicht etwas kleineres hätten. Wir durchsuchten nochmals unsere Taschen, doch wir waren bereits froh gewesen, dass der Bankautomat uns nicht 100er ausgespuckt hatte, sondern immerhin schon einen dicken Batzen an 20ern. Außerdem waren wir der Meinung, dass bei einem Preis von 5US$ ein 20-US$-Schein doch angemessen sei?! Der Mann runzelte die in der Mitagshitze vor Schweiß glänzende Stirn, rannte schnell zu seinem Kollegen am Nachbarstand, doch auch ihn sahen wir nur den Kopf schütteln. Am Ende mussten wir tatsächlich unverrichteter Dinge die Pizza zurückgeben und mit leerem Bauch wieder abziehen, weil der Mann kein Wechselgeld organisieren konnte. Wir dachten zu diesem Zeitpunkt noch, dass es aber ziemlich schwach vom Verkäufer war, nicht auf das vierfache seines Pizzapreises rausgeben zu können.
Doch erst in einem kleinen Café in Santiago (gemütlich-urig und damit typisch kubanisch eingerichtet mit silbern-glänzenden Metalltischen auf braun-gelben Terrassenfliesen, unbequemen, aber farblich passenden Metallstühlen, einem Pulverkaffee im braunen, bei uns aus Krankenhaus-Wartehallen-Automaten bekannten Riffel-Pappbecher und einem ehemals weißen Plastikaschenbecher in der Mitte des Tisches)...

...kam uns die große monetäre Erleuchtung bzw. erkannten wir das komplizierte System, dass dieses Land finanziell in Bewegung hält.
Wir entdeckten nämlich, dass es in diesem Land zwei Währungen gibt und das zur zusätzlichen Verwirrung der Touristen beide Währungen das gleiche Zeichen haben, nämlich ein $. Und als wir dann im lonely planet kurz den Wechselkurs der beiden Währungen nachlasen, ging uns einige Tage nach dem Zwischenfall an der Pizza-Bude plötzlich ein Licht auf: Das Stück Pizza hatte nicht 5 CUC ("cubanische convertibles", die 1:1 an den amerikanischen Dollar gekoppelt sind), sondern 5 kubanische Pesos gekostet und somit nicht 5 US$, sondern bei einem Wechselkurs von 25:1 auf einmal nur noch 15 €-CENT! Und so erklärte sich dann auch schlagartig das verdutzte Gesicht des Verkäufers, als Bene ihm einen Schein hinhielt, der einen Gegenwert von ca. 15 € besaß! Das mag jetzt noch nicht allzu viel klingen, allerdings muss man bedenken, dass der durchschnittliche MONATSlohn (!) eines Kubaners bei ca. 15 € liegt und bei einem solchen Straßenverkäufer darf durchaus von noch weniger ausgegangen werden.
Man muss sich also einfach mal kurz die Verhältnisse klar machen: Das war in etwa so, als würde man in Deutschland in eine Döner-Bude rein marschieren und einen Döner, der 3,50 € kostet, mit einem, sagen wir mal 2000€-Schein bezahlen wollen. Da ist es durchaus verständlich, wenn der Verkäufer einen schief anguckt und mit ein bisschen Pech nicht in der Lage ist, einem passend rauszugeben
Wir hatten munkeln gehört, dass es für ausländische Touristen verboten sei, die kubanischen Pesos zu besitzen, geschweige denn, damit etwas zu kaufen. Doch in diesem Café in Santiago bekamen wir als Restgeld für einen CUC (= 1 US$ für einen Kaffee) dann drei 1-Peso-Münzen mit dem Konterfei von Che Guevara zurück. Entzückt betrachteten wir die unbekannte Währung und rechneten aufgeregt aus, dass wir gerade eine 3€-Cent-Münze in der Hand hielten. Wir bestellten also schnell noch einen Kaffee, nur um noch mehr dieser mysteriösen einheimischen Währung zu bekommen, doch mittlerweile hatte es einen Schichtwechsel gegeben und die neue Kellnerin hielt es nicht mehr für notwendig, uns Restgeld auszuzahlen, schließlich seien wir Touristen und würden vielleicht gar nicht genau wissen, was ein Kaffee kostet. Naja, Schwamm drüber, dann eben die drei Che-Münzen als Startkapital betrachten und damit den kubanischen Binnenmarkt erobern... Durch die Entdeckung mit neuem Selbstvertrauen ausgestattet, gingen wir noch am selben Nachmittag in eine dieser etwas heruntergekommenen Wechselstuben, vor denen regelmäßig ca. zehn bis fünfzehn Kubaner Schlange stehen und dann einzeln von einem Wachmann mit Maschinengewehr um die Brust eingelassen werden.

Wir tauschten dort 5 CUC in 100 kubanische Pesos, die wir in völlig abgewetzten, mit Tesafilm geklebten und bekritzelten Scheinen ausgehändigt kriegten und wir waren uns sicher, endlich die wahre Volkswährung in den Händen zu halten.

Später erfuhren wir, dass Kubaner tatsächlich die meisten Lebensmittel und Marktwaren, die größtenteils aus der Straße gehandelt werden, mit kubanischen Pesos bezahlen und die wirklich harten Waren wie Kühlschränke, Waschmaschinen, Busfahrkarten, Flugtickets oder Übernachtungen mit convertibles, also der Touristen-Währung zahlen müssen. So passiert es fast täglich, dass Kubaner, die mit Touristen in Berührung kommen, von diesen CUC bekommen und um mit diesem Geld etwas Brauchbares anfangen zu können, sprich, zum Beispiel den Einkauf zu erledigen, müssen sie in einer der Wechselstuben diese CUC in kubanische Pesos tauschen, wobei wieder ein Teil an Kommission verloren geht. Allerdings lediglich ein Bruchteil im Vergleich zur Kommissionsrate beim Tausch von echten amerikanischen Dollar. Hier liegt die Rate bei zusätzlichen 11%, einfach nur aus lange infiltriertem Hass auf den kapitalistischen großen Nachbarn, der einem vor vielen Jahren die Wirtschaft praktisch lahm legte mit seinem Handelsembargo.

Das hintere Kuba

Wir haben den Großteil unserer Zeit in Santiago dann eigentlich damit verbracht, uns durch den ganz normalen Wahnsinn der vollgestopften, bunten, lauten und extrem wuseligen Haupteinkaufsstraße zu tanken.

Und was vielleicht anstrengend klingen mag, bietet die perfekte Möglichkeit zum im neudeutschen sehr beliebten "people watching" bzw. zum Beobachten von Land & Leuten. Und das kubanische Leben scheint sich tatsächlich zu 95 % AUßERHALB der eigenen vier Wände abzuspielen, denn alles, was sich in irgendeiner Form alleine fortbewegen kann, ist auf den kleinen, verwinkelten Gassen der Stadt unterwegs, vom auf der Eingangstreppe gerade an der Brust seiner Mutter saugenden Säugling bis zur Ur-Oma, die im Rollstuhl neben ihrem Haus sitzt und ihre Hood mit zusammengekniffenden Augen fest im Blick und wahrscheinlich auch im Griff hat.

Im Inneren der Häuser ist es tagsüber sowieso viel zu heiß, trotz der zahlreichen Ventilatoren, die träge ihre stotternden Runden an der Decke drehen und deshalb kann man auch gleich ein wenig frische Luft schnappen und sehen, was im eigenen Viertel so los ist. Dazu bleibt unverhältnismäßig viel Zeit, da ein Großteil der Kubaner arbeitslos ist. Dies taucht natürlich in keiner offiziellen Regierungs-Statistik auf, doch gefühlt sitzt oder steht mehr als jeder zweite Kubaner vor seinem Haus und beobachtet das wilde Treiben auf der staubigen Straße, quatscht mit dem Nachbarn über die letzten Baseball-Ergebnisse, diskutiert mit einem Kumpel, der gerade spontan zu Besuch gekommen ist, über Politik oder hat einfach das berufliche Schicksal in die eigene Hand genommen und einen Teppich oder eine Pappe vor dem Haus ausgebreitet, auf denen allerlei Kleinigkeiten feil geboten werden, wie zum Beispiel Batterien, Handys, Nähzeug, Holzschnitzereien, Porzellan, Lampenschirme, Kuscheltiere, Postkarten, alte Münzen oder auch einfach nur der Klassiker: frisches Obst.

Man kommt also durchaus gut durchs kubanische Leben, wenn man sich von Ständchen zu Ständchen durchschlägt, denn es gibt hier im Prinzip alles, was das Herz begehrt und wenn nicht, dann kennt der Verkäufer bestimmt einen Kumpel oder sonstigen Verwandten, der genau das passende gerade im Angebot hat, zum unschlagbaren Spitzen-Peso-Preis, versteht sich...
Am zweiten Tag in Santiago hatten wir uns jedoch morgens in den Kopf gesetzt, nun sei es auch mal Zeit für das Hinterland bzw. die Outskirts von Santiago. Mit nicht mehr als einem groben Sinn für die Himmelsrichtung und einer vagen Vorstellung davon, wie unser Ziel aussehen sollte, sind wir also einfach mal ins Blaue hineingelatscht bzw. in die heruntergekommenen Armen-Viertel von Santiago.

Man muss dabei wissen, dass Kuba ein völlig ungefährliches Land ist. Wir sind im Laufe unserer Reise des Öfteren durch solche Armen-Viertel gestreift, ein paar Mal sogar abends und wir haben uns nicht ein einziges Mal unsicher oder bedroht gefühlt und die Menschen dort haben uns eigentlich immer mehr mit Interesse als Missgunst betrachtet. Ein Grund für die Friedfertigkeit der Kubaner ist sicherlich, dass es drastische Strafen auf Diebstahl gibt und hier besonders, wenn ein Tourist bestohlen oder attackiert wird, da dem Volk klar zu sein scheint, wie sehr man glückliche und sich sicher fühlende Touristen braucht, um die marode Wirtschaft des Landes am Leben zu erhalten. Aber wer weiß, vielleicht ist der augenfällige Pazifismus auch einfach nur der Tatsache geschuldet, dass sowieso niemand viel Besitz hat und da es allen gleich dreckig geht, lohnt sich es sich einfach nicht, irgendwem etwas zu stehlen?!

Trinidad

Mittlerweile gefühlte Profis im Nutzen diverser kubanischer Verkehrsmittel also ab in den nächsten Viazul-Bus nach Trinidad...

...einer kleinen fast schon mittelalterlich anmutenden Stadt inmitten der südlichen Bergkette, die sich von Santiago aus Richtung Westen an der Küste entlang zieht und Fidel und seinen Mitstreitern als Ausgangspunkt für den Guerilla-Krieg gegen Batista diente. Vom Busbahnhof wurden wir trotz der für einen Urlauber unheimlichen Zeit von 6.30 Uhr von einem freundlichen Kurier auf einer Fahrradrikscha erwartet, der uns und unsere Rücksäcke, die professionell mit einem Seil am Heckspoiler der Rikscha festgezurrt wurden, kreuz und quer durch die Kopfsteinpflastergassen von Trinidad strampelte.

Man hatte fast schon das Bedürfnis, dem jungen Mann ein paar angestrengte Kurbelumdrehungen abzunehmen oder von hinten zu schieben, so ächzend schaukelten wir durch die steilen Gässchen der Stadt. Da mein Mitstreiter die nächtliche Busfahrt erholungstechnisch nicht ganz so effektiv nutzen konnte wie ich altes Murmeltier, holte er dies direkt nach dem liebevoll hergerichteten Frühstück unseres Gastgebers nach, während ich die hauseigene Dachterrasse in Beschlag nahm und den kompletten Morgen abwechselnd in der Hängematte und der Hollywood-Schaukel mit dem alten Mann und dem Meer von Hemingway verschaukelte.

Am Nachmittag nutzten wir dann noch das Angebot unseres Hosts, ein Fahrrad zu mieten und damit zum 10 km entfernten Strand zu fahren. Wie scheinbar alles in Kuba funktionierte die Besorgung der Fahrräder über das überlebenswichtige Bekannten-Netzwerk und eine Viertelstunde standen die beiden Fahrräder vor der Haustür. Deutsch wie wir sind dachten wir an das ausfüllen eines Formulares oder ähnliches, um die Fahrräder für den Tag übernehmen zu dürfen, doch das ganze lief ein wenig unkommerzieller ab, als man es aus unseren Breitengraden vielleicht gewohnt ist: "Hola Chicos! Hier ist der Schlüssel, Räder stehen vor der Tür, fahrt einfach so lange ihr wollt und irgendwann abends stellt ihr sie vor die Tür und ich hol sie wieder ab. Bezahlen? Hm, könnt ihr einfach eurem Gastgeber irgendwann geben, ich hol mir das dann von dem wieder... Viel Spaß!"
Unsere Räder hatten denn auch den gleichen Gemütlichkeits-Faktor, der fast allen privaten Verkehrsmittel der Kubaner eigen ist, es waren nämlich richtig schöne bunte Chopper-Räder, auf denen man sich vorkommt, als säße man auf einer Harley. Da kommt dann naturgemäß auch null komma null Stress oder Eile auf, wenn man dann so gediegen durch die kleinen Gassen der Stadt rollt und wenn dann der Weg zum Strand auch noch überwiegend bergab führt, lässt man sich irgendwann einfach nur noch die Sonne auf den Pelz scheinen

Den kilometerlangen Strand hatten wir dann auch passenderweise fast ausschließlich für uns, bis auf ein paar gelangweilte kubanische Strohhüttenbar-Besitzer, die nach einem kurzen Blick auf uns uns auch gleich einen Caipirinha anboten. Kann das Leben überhaupt noch entspannter werden?

Um den Tag dann abzurunden, bestellten wir in unserem casa particular ein hausgemachtes Abendessen und was uns der gute Mann dann auf bei Laternenschein auf der lauschigen Dachterrasse für gerade mal 10US$ pro Person auftischte, war mit Abstand das feinste Mahl, das wir de ganzen Urlaub zu uns genommen haben. Es reichte von gebratenen Bananen mit Honig-Überguss über das typisch kubanische Gericht "Mauren und Christen" (Reis mit dunklen Bohnen, wobei man sich schnell klar wird, welcher Teil des Essens für welchen Teil des Namens verantwortlich war), einem saftigen Melonensalat bis hin zu frisch gefangenen und marinierten wirklich übergroßen Gambas. Kugelrund und glückselig schleppten wir uns nur noch hinüber zur Hollywood-Schaukel, um einem nächtlichen Cristal-Bier zu frönen und uns zum bestimmt hundertsten Mal an diesem Tag zu sagen ,wie gut wir es haben.

Wie die Kubaner sich das Leben schön machen

Dieses ominöse Cristal-Bier beziehungsweise diese vom Eiswasser glänzenden Grünen Dosen...

...gehören übrigens genau so zu Kuba wie die berühmte Zigarre oder der weltberühmte kubanische Rum. Man sieht sie tagtäglich auf den Resopal-Tischen der Cafés und Kneipen des Landes, egal ob Groß- oder Kleinstadt, egal ob morgens, mittags oder abends, man kann dem Volksbier einfach nicht entkommen. Meist sind es ältere Männer, die an einem runden Tisch sitzen, das Zeug in beeindruckender Geschwindigkeit in sich hineinschütten und dabei lautstark über Gott und die Welt diskutieren, wobei naturgemäß die Diskurslautstärke proportional zum fortschreitenden Pegel ansteigt.
Wir sind im Laufe der zeit auch echte Liebhaber dieses Bieres geworden. Natürlich kann man es nicht mit dem deutschen Reinheitsgebot vergleichen, aber es wird dafür immer eiskalt geliefert und oft ist Bier in den Supermärkten auch das einzige Produkt, was es in den Kühlschrank schafft, hier werden also noch echte Prioritäten gesetzt
Allerdings verbindet man Kuba hierzulande ja eher mit der kubanischen Zigarre und dem goldgelben Rum, der gefühlt aus dem Boden sprudelt und man ihn sich nur noch abfüllen müsste. Diese beiden fundamentalen Teile der kubanischen Kultur konnten wir uns natürlich nicht nehmen lassen und so haben wir bereits am 3.Tag unserer Reise eine Flasche Rum gekauft und zwar nicht irgendeinen Rum, sondern den originalen "Santiago de Cuba Rum"

...denn wie es bei uns eine Millionen regionale Biersorten gibt, so hat auch in Kuba jede Region ihre eigene Destiellerie und verschiedene Geschmacksrichtungen und Altersstufen. Dabei erstaunte uns doch sehr, dass der "Havana Club", den man weltweit zu teilweise horrenden Preisen erwerben kann, in Kuba sogar als mit der billigste Rum gilt, nur noch unterboten vom "silbernen Rum", der in weißen 0,25 l Tetra-Trinkpäckchen verkauft wird und nur den Vollzeit-Trinkern als Mische dient. Diese sieht man dann tatsächlich mit einer PET-Flasche durch die Straßen ziehen, in der eine goldbraune Plörre hin- und her schwappt, die sich in regelmäßigen Abständen hinter die Binde gekippt wird. Rum ist in Kuba tatsächlich im Verhältnis billiger als Bier und da sucht man sich als Berufs-Alkoholiker natürlich das billigste mit den meisten Umdrehungen raus.

Zu weltweiter Berühmtheit gelangte auch der "Cuba Libre", der fast überall als Cocktail aus Havana Club, Cola, einer Limette und ein paar Eiswürfeln serviert wird. Wir lernten allerdings im Laufe unserer kulinarischen Thekenreise, dass der tatsächlich originale "Cuba Libre" diesen ganzen Schnick-Schnack mit Limette und Eis gar nicht nötig hatte bzw. schlicht und ergreifend die Mittel dazu fehlten. Denn als dieser Drink in den 1950ern erfunden wurde, entwarf ihn ein umtriebiger Chef einer Bergbau-Kolonne als Belohnungsdrink für seine in sehr ländlichen Gebieten hart arbeitenden Jungs und Eis und Limetten waren einfach gerade knapp. Außerdem gab es schon damals gewisse Ressentiments gegen amerikanische Produkte und als das sozusagen amerikanische Ur-Produkt war Coca-Cola entsprechend ebenfalls verpönt. Die Kubaner hatten schließlich schon immer ihre eigene Billig-Cola, nämlich die landesweit zum Grundnahrungsmittel gehörende "Tucola". Diese kann man in etwa vergleichen mit der hiesigen Sinalco-Cola, doch wer die Traditionen ehren will, der trinkt den Cuba Libre ganz klassisch mit kubanischem Rum und einem ordentlichen Schuss Tucola, ohne Eis und Limette. Da wir ein großer Fan von Traditionen sind, richteten wir uns des Öfteren nachmittags nach der anstrengenden Stadtbesichtigung einen Dichter- und Denkertisch im casa particular ein, gönnten uns eine ausgiebige Partie Schach und hielten währenddessen den Gehirnschmalz geschmeidig mit dem ein oder anderen Gläschen Cuba Libre...

Der Exportschlager

Wenn man mal so ein spontanes brain storming macht und sich den großen Fidel Castro und seinen Revolutionshomie Che vorstellt, woran denkt man dann so rein äußerlich? Klar, der Rauschebart, gewachsen beim dreijährigen Guerilla-Gemetzel durchs Land und danach flugs zum Markenzeichen der neuen Herrscher gemacht. Es sollte ein paar Jahre dauern, bis der Drei- oder auch Fünftagebart auch im piefigen Deutschland wieder in wurde, nämlich ziemlich genau 54 Jahre, bis zum Jahr 2013. Und jetzt wo Fidel dem körperlichen Abtritt nah ist, trägt man endlich auch in Deutschland seinen Bart. Danke dafür, Jungs! Aber woran denkt man noch bei Fidel? Na klar, die oliv-grüne Kappe, wahlweise mit dem Sternchen vorne drauf, ein Accessoire, das eher Che begeistert hat als den großen Führer, der auch zwischendurch gerne mal sein mit den Jahren zugegebenermaßen lichter gewordenes Haupthaar zeigte. Auch diese Kappe bzw. mittlerweile von der Baskenmütze abgelöste Kopfbedeckung wurde in der Neuzeit wieder salonfähig, auch wenn sich dieser Trend eher im großstädtischen Raum durchzusetzen scheint, während in ländlicheren Gebieten wie dem zutiefst urdeutschen Westfalen zumeist Unverständnis über diese Mode zeigt: "Junge, zieh die Mütze ab beim Essen! Sowas trägt man doch nicht im Haus!" Nun gut, hier gehen die Meinungen auseinander

Doch das dritte wichtige Accessoire, wenn man Karneval als Fidel gehen möchte, ist natürlich die kubanische Zigarre! Kuba ist übersät von Tabakplantagen, auf denen in liebevoller Handarbeit der Tabak geerntet, getrocknet und gerollt wird, ein Prozess, der sich über Monate hinzieht und große Finger-Fähigkeiten der kubanischen Arbeiter bedarf. Es gibt hierbei angeblich horrende Qualitätsunterschiede, die sich vielleicht dem Kenner sofort erschließen mögen, doch ich wette auch Fidel und Che haben das damals im Dschungel nicht ganz so genau genommen, sondern einfach geraucht, was ihnen vor das Streichholz kam. Vielleicht auch aus dieser historisch bedingten Not heraus zündet man bis heute eine Zigarre stilecht mit Streichhölzern an. Ob unsere beiden Guerillas die Sache mit dem Zigarren-Ende abtrennen damals mit einem originalen Zigarren-Klipser gemacht haben, oder eher die rabiate Colombo-Variante mit den Zähnen bevorzugten mangels angemessener Auswahl an Zigarren-Accessoires in Kubas Hinterland, bleibt dahin gestellt. Jedenfalls machten die Beiden nach Eroberung des Landes die Zigarre zum Symbol der neuen Bewegung und pafften sich die Lunge schwarz in den folgenden Jahren. Fidel ließ landesweit die Zigarren-Produktion subventionieren und so bekam man bei dieser schier endlosen Fertigung die Zigarre praktisch für lau hinterher geschmissen. Bis heute werden einem auf der Straße von fliegenden Händlern mit weißen Plastiktüten Zigarren angeboten, die allerdings preislich rapide in die Höhe schnellen, sobald der potenzielle Käufer als Tourist entlarvt wird. Also beschlossen wir, das Ganze in einem vertrauenswürdigeren Rahmen zu machen, nämlich in einem einer Zigarrenfabrik angeschlossenen Café, in dem man in Ruhe und unter professioneller Anleitung seine Lieblingszigarre aussuchen durfte.

Nebenbei gab es hier noch die Möglichkeit, einen besonders guten kubanischen Kaffee zu trinken, eine echte Wohltat nach den morgendlichen Plörren aus Instant-Kaffee mit Milchpulver.

Wir haben uns dann letztendlich für die zwei berühmtesten Marken des Landes entschieden, nämlich die spottbillige 9 US$-Variante "Cohiba", die der Legende nach ausschließlich für Diplomaten und Regierungsschefs auf Besuch reserviert war und deshalb nur den oberen 10000 der Menschheit zugänglich war. Doch gut, dass dieses kleine Café in einem recht runtergekommenen Viertel von Santa Clara ausgrechnet dieses seltene Exemplar noch wie ein Staatsgeheimnis hütete! Und als wäre es Vorbestimmung gewesen, entschied sich der deutsche Diplomat in spe, mein Kumpel Bene, für ebenjene high class Zigarre. Ich verliebte mich sofort in eine längliche braune Schönheit mit dem Namen "Montecristo", eine Marke, angebaut in den umliegenden Bergen von Havanna, der auch der gute alte Winston Churchill bei einem seiner Besuch des Inselstaats verfiel und sich flugs zu seiner Lieblingszigarre erklärte, was den Ruhm und sicherlich auch den Absatz dieser Zigarrenmarke bestimmt zu Gute kam. Im übertragenen Sinne habe ich also mit Winston Churchill Speichel ausgetauscht

Wir schleppten unsere beiden frisch erworbenen Schätze quer durch die Republik, um dann schließlich an unserem vorletzten Abend in der Multi-Kulti-Metropole Havanna auf unserem Hostel-Balkon gaaanz genüsslich diesen wichtigen Punkt auf unserer Bucket List abzuhaken, dabei umgeben vom so typischen kubanischen Abend-Sound: Einem Mischmasch aus energischem Stimmengewirr, zirpenden Grillen, hupenden und rauchenden Autos, klappernden Töpfen und Schüsseln aus den Foodstores um die Ecke und vor allem die omnipräsente kubanische Tanzmusik aus dem dröhnenden Bass eines am Straßenrand parkenden Oldtimers.

Um den ganzen zutiefst kubanischen Kulturrausch abzurunden gönnten wir uns eine Flasche 7-jährigen Havana Club Rum und eine Dose eiskaltes Cristal-Bier.

So saßen wir also dies alles in uns aufsaugend paffend auf dem Balkon und verloren uns völlig im säuseligen Gefühl, das das Leben gar nicht mehr viel schöner werden kann...

© Marius Schebaum, 2014
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Zwei Pempelforther Jungs backpacken sich kreuz und quer auf revolutionären Pfaden durch die Perle der Karibik
Details:
Aufbruch: 01.11.2013
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 20.11.2013
Reiseziele: Kuba
Der Autor
 
Marius Schebaum berichtet seit 13 Jahren auf umdiewelt.
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