Für 99 DM an das Schwarze Meer

Reisezeit: Juni 1973  |  von Günter Huppmann

Ausflug aufs Land


3. Urlaubstag

Am nächsten Tag wollte ich mal alleine sein, sofort nach dem Frühstück verließ ich das Hotel.
Unterwegs war eine Bushaltestelle, und als ein Bus hielt, stieg ich ein, bezahlte ein paar Pfennige, und los ging die Reise ins Unbekannte.
Ich wusste nicht mal wo der Bus hinfuhr - Hauptsache ich sah mal nichts von Maria und meinen Freunden vom Fußballclub.
Unterwegs sah ich ärmliche Dörfer, innerhalb der Dörfer war keine Straße geteert, Sand und Lehmstraßen und Gänse, Hühner und allerlei Kleintiere.

Die Leute waren alles, nur nicht reich. Aber das habe ich gelernt in Rumänien: umso ärmer die Bevölkerung, desto besser der Zusammenhalt - die Rumänen halfen sich untereinander aus.
Das war in der Nachkriegszeit in Deutschland auch so, als es noch Lebensmittelkarten gab und vor allem noch kein Fernsehen, denn da kam man mit Nachbarn und Freunden fast allabendlich zusammen.

Mitten in Gedanken las ich auf einem Ortsschild Mangalia: "Das ist doch der Ort, wo die Fussballmannschaft ihr Freundschaftsspiel austrägt."
Dort stieg ich aus. Ich merkte mir genau den Ort der Haltestelle, ich musste ja wieder zurück nach Eforia Nord.
Nach einem kleinen Bummel sah ich Pferdedroschken, da konnte man sich chauffieren lassen.
Na Klasse, dachte ich mir, sagte dem Kutscher mein Ziel, aber der weigerte sich: "Viel zu weit Eforia, dann Pferd tot."
"Macht nichts", sagte ich vorlaut. "Dann kaufen wir neues." Aber der scharfe, alles sagende Blick des Kutschers brachte mich von meinem Vorhaben ab.

Im Landesinneren, 1973.

Im Landesinneren, 1973.

In Mangalia war doch tatsächlich eine Art Eisdiele und dort gab es leckeres Speiseeis.
Mit einer Riesen-Eiswaffel bestieg ich den Bus nach Hause. Der Bus war überfüllt mit Arbeitern, die nach getaner Arbeit wieder in ihre Dörfer fuhren.
Ich kann mich noch genau erinnern, ich hatte ein violettes Hemd an, allerbeste Qualität und plötzlich lief das Eis über die Waffel in Richtung Hemdärmel. Bei dem überfüllten Bus und dem Geschaukel verging mir das Eisschlecken, an der nächsten Haltestelle warf ich das Eis kurzerhand aus dem Bus, und genau vor die Füße einer dort wartenden Frau. Plötzlich war die Hölle los, ein Geschrei und alles deutete auf das Eis, das da im Sand lag, und auf mich. Aber, so dachte ich mir, das ist doch ganz normal - bevor ich mir mein Hemd vollkleckere, werf ich das Eis lieber weg. Das war das Denken eines Touristen - für die Einheimischen war so eine Eiswaffel purer Luxus.
Also ganz ehrlich, ich war froh, als der Bus Eforia Nord erreichte.

Nach dem Abendessen traf ich meine Freunde, wir verabredeten uns in einer Bar, die unweit der Hotelanlage lag, dort gab es Rumgetränke zu kaufen. Der Rum kam bestimmt aus Cuba, das ist ja auch ein kommunistisches Land.
Auf jeden Fall, nach dem ersten Glas sangen wir fleißig unser Lied: "Ein kleiner Hund - das kann dein allerbester Freund sein." Und immer wieder und immer wieder ...
Da kamen plötzlich, wir hatten schon mehrere Getränke intus, 2 dieser Geheimpolizisten ins Lokal. Mein Freund, der Mittelstürmer, schrie als er die beiden sah: "Wenn euch der Hitler gekannt hätte, er ..."
Da war ich plötzlich stocknüchtern, ich nahm mein halbvolles Glas und rannte aus dem Lokal wie ein Besessener. Auf meinem Zimmer angelangt, dachte ich nur immer wieder: "Wenn die Deutsch verstehen, um Gottes willen!"
Nach einer Weile klopfte mein Freund bei mir an der Zimmertür, und als ich ihm öffnete sagte er: "Warum bist du denn davongerannt?"
"Wegen deinem blöden Spruch" sagte ich, aber er lachte nur. Glück gehabt, Herr Mittelstürmer.

Aber auch die anderen, allen voran der Trainer, kamen zu mir aufs Zimmer, dort wurde ausgiebig gesungen vom kleinen Hund. Dann hatte ich noch 'ne Flasche Wein bei mir, den bekamen die wilden Hunde in ihre Aschenbecher.

© Günter Huppmann, 2003
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mit einer Fußballmannschaft aus Fürth/Bayern flog ich im Juni 1973 nach Rumänien: zum Urlaub in ein bitterarmes Land, das schwer zu leiden hatte unter dem Diktator Ceausescu und seiner Geheimpolizei.
Details:
Aufbruch: Juni 1973
Dauer: unbekannt
Heimkehr: Juni 1973
Reiseziele: Rumänien
Der Autor
 
Günter Huppmann berichtet seit 21 Jahren auf umdiewelt.
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