2022 Mit einem Geländewagen durch Tunesien

Reisezeit: April - Juni 2022  |  von Michael Bünte

Zu den Berbern: zurück durch die Wüste und dann ans Meer

Heute geht es für uns aus den Bergen heraus. Nördlich von Gabès, einer Oasenstadt am Mittelmeer, wollen wir einen Platz für unsere letzte gemeinsame Übernachtung mit Gerhard suchen, der dann wieder zu seiner Martina zurückfahren wird.
Noch einmal fahren wir im Zweiergespann über eine endlose ins Nichts verlaufende Straße. Ein sehr starker Wind ist heute wieder aufgekommen; so stark, dass große Mengen Sand quer über die Fahrbahn getrieben werden, so stark, dass Gerhards Wagen ab einer Entfernung von 100 Metern vor uns nicht mehr zu erkennen ist, und so stark, dass immer öfter Sandwehen von uns überfahren werden müssen. Dann kommen wir an eine der wenigen Straßenkreuzungen hier in der Wüste. Geradeaus führt die asphaltierte Straße nach Douz, links geht es auf der Teerstraße nach Ksar Ghilane und nach rechts zweigt der Weg ab, den wir nehmen werden um nach El Hamma zu gelangen. Das ist leider eine Schotterpiste.

ein Café in der Wüste

An dieser gottverlassenen Straßenkreuzung liegt, wie “das Café am Ende der Welt“ von John Strelecky, ein kleines Gebäude mit einer großen Tafel darüber : “Café Jilili - Pizza“ steht dort verlockend. Wir stellen unsere beiden Fahrzeuge auf dem Sandplatz vor der kleinen Hütte ab und überlegen, ob es sich lohnt, bei diesem sandigen Wind überhaupt auszusteigen.

das Café "Jilili" an der Straßenkreuzung in der Wüste

das Café "Jilili" an der Straßenkreuzung in der Wüste

Eine schmächtige, in viele Tücher gehüllte Frau wird in der offenen Tür des Gebäudes sichtbar und winkt zu uns herüber. Wir winken zurück, drücken unsere Fahrzeugtüren gegen den Wind auf und treten kurz danach in den Schutz der kleinen Kaffeestube. Links steht ein Postkartenständer, auf denen die Karten so sandig berieselt sind, dass man die Fotos auf Ihnen nur noch unklar erkennen kann. Dahinter ist der Tresen, hinter dem sich ein kleiner Kocher verbirgt. Hier werden heiße Getränke und offensichtlich auch Pizza hergestellt. Die Frau ist nicht sehr alt, ihre Haut hat aber bestimmt schon mehr Sonne gesehen, als ihr gut getan hat, und Ihre Hände sind abgearbeitet. Ihr ganzes Wesen jedoch macht auf uns einen außerordentlich freundlichen und liebevollen Eindruck.Wir bestellen für jeden von uns einen Kaffee, zu dem wir dann auch noch zwei Tellerchen Gebäck bekommen. Ein Mädchen von vielleicht 12 Jahren kommt zur Tür herein. Die beiden tuscheln miteinander und setzen sich so, dass man sich gegenseitig sehen kann, auf die andere Seite des Raumes. Die Kommunikation zwischen uns, der Frau und dem Mädchen findet durch Lächeln und Zurücklächeln statt.
Bald ist unser Kaffee ausgetrunken. Wir studieren die vom Boden bis zur Decke reichenden Schriftzüge auf den weiß getünchten Wänden in dem Raum und beschließen, dass auch unsere Gruppe unter der Bezeichnung “HZJ-Tour 2022" mit unseren drei Namen darunter einen Eintrag bekommen soll. Die Frau versteht uns, besorgt uns einen Stift, und ehe wir ihre Frage beantworten können, ob wir nach dem Kaffee nicht auch noch einen Minztee trinken möchten, ist sie schon hinter ihrem Tresen verschwunden.
Sie steht schon wieder vor uns bevor wir unsere Widmung an der Wand fertig haben und überreicht jedem von uns einen frisch zubereiteten Tee und ein großes Stück aufgebackenes Brot, das sie uns mit einem Teller Olivenöl serviert. Ganz schön geschäftstüchtig, die Dame. Aber wir geben ihr gerne die paar Dinare, die sie verlangt. Außerdem ist das, was sie uns zubereitet, frisch und auf sauberem Geschirr serviert.
Bereitwillig stimmen die beiden zu, dass wir von dem Raum hier Fotos machen, und auch sie selbst lassen sich gerne von uns fotografieren.

Schutz vor dem Sandsturm im Café

Schutz vor dem Sandsturm im Café

eine freundliche Bedienung

eine freundliche Bedienung

Dekorationen an den Wänden des Cafés

Dekorationen an den Wänden des Cafés

die Wirtin und ihre Tochter

die Wirtin und ihre Tochter

Nach einer guten Stunde machen wir uns wieder auf den Weg, nicht ohne vorher die desaströsen “sanitären Einrichtungen“ in einem kleinen Gebäude hinter dem Café besucht zu haben.
Es sind zwei nebeneinander liegende Toiletten, von denen der einen die untere Hälfte der Tür fehlt. Einen Riegel zum Verschließen gibt es bei keiner dieser Türen und nach Wasser zum Nachspülen bitte lieber erst gar nicht fragen. „Oh je“, da haben wir schon edlere Wüstentoiletten besucht.

desaströse Toilettenzustände

desaströse Toilettenzustände

noch einmal durch Sanddünen

„Diese Piste ist nicht schön“! Immer wieder geraten wir auf Wellblechstrecken, bei denen der Bodenbelag wie der Sand des Meeresbodens aussieht. Fährt man darüber zu langsam, wird alles im Auto durcheinander geschleudert, ist man mit circa 80 km/h schnell genug, gleitet man ohne großes Gerappel über diese Bodenbeschaffenheit. Nur bis man die Geschwindigkeit erreicht hat braucht man starke Nerven. Und die braucht man auch, wenn plötzlich ein Hindernis im Weg liegt, denn Lenken ist bei diesem “Sandsurfen“ praktisch nicht mehr möglich. Immer wieder versuchen wir, die optimale Spur für uns in der Piste zu finden um zügig voran zu kommen. Und dann liegt sie vor uns, unsere nächste Herausforderung - in Form einer anderthalb Meter hohen Sandverwehung, die sich über die gesamte Straßenbreite gelegt hat.

die Piste nach El Hamma

die Piste nach El Hamma

schlechte Sichtverhältnisse und Sand auf der Straße

schlechte Sichtverhältnisse und Sand auf der Straße

Sandberge verhindern das Weiterfahren

Sandberge verhindern das Weiterfahren

Gabis erster Vorschlag ist umzudrehen. Das würde allerdings einen Umweg von über 50 Kilometern Schotterpiste bedeuten. Wir Fahrer laufen erst einmal den festen Boden außerhalb dieser Sandverwehungen ab und meinen, dass unsere Wagen diesen Umweg von etwa 100 Metern durch das Gelände neben der Straße schaffen müssten.
„Und woher wisst Ihr, dass sich das Ganze in zwei Kilometern nicht noch einmal wiederholt und vielleicht viel schlimmer ist?“, ist Gabis Einwand.
„Das wissen wir nicht“, ist die einzige wahre Antwort.
„Wir können höchstens mit Bedacht unseren Weg auskundschaften und vorsichtig mit der Situation umgehen.“
„Aber übernachten will ich hier in diesem Sandsturm nicht. Die Chancen stehen gut, dass wir El Hamma vor der Dämmerung erreichen können“.
In diesem Augenblick kommen uns fünf Fahrzeuge mit Einheimischen entgegen. Also müssen doch auch wir durchkommen können.
Der Sand knirscht inzwischen bei jedem Wort zwischen den Zähnen, die Haare sind verklebt und das Sandmännchen braucht sich heute erst gar nicht zu bemühen. Aus unseren Augen rieselt bei jedem Wimpernschlag Wüstensand heraus.

auf der Suche nach einem Durchkommen

auf der Suche nach einem Durchkommen

Gerhard fährt vor und macht eine Spur für uns. Es dauert tatsächlich nicht lange bis wir die eigentliche Trasse wieder erreicht haben. Guten Mutes und in der Ansicht „alles ist machbar“ fahren wir zügig weiter in Richtung Norden.
Wieder bremst Gerhard vor uns. Eine weitere, beachtlich größere Sandverwehung tut sich vor uns auf, die sich über zwei Meter hoch, quer über die Piste gelegt hat. Also wieder raus in die Sandhölle, nicht ohne vorher das Turbantuch um den Kopf geschlungen zu haben. Der pfeifende Sand beißt in den Augen. Gabis Einwand war vielleicht gar nicht so unbegründet.

Wir geben nicht auf. Wieder fährt Gerhard vor und macht die Spur. Ungeschickterweise wird an einer Düne der Sand von ihm dermaßen pulverisiert zurückgelassen, dass ich auch nach dreimaligem Versuch nicht über diese Steigung hinwegkomme. Jetzt helfen nur noch die Differentialsperren. Langsam wühlt sich der schwere Geländewagen in das Sandpulver hinein, steigt empor, stockt, findet wieder Halt und erreicht endlich ein wenig festes Gestein am Kopf der Düne. Das war’s. Wir sind durch. Wir haben es geschafft, ohne dass wir Winde oder Sandbleche bemühen mussten.

jetzt finde mal den Weg durch die Wüste Off Road

jetzt finde mal den Weg durch die Wüste Off Road

wir sind durch

wir sind durch

wieder zurück auf der Piste

wieder zurück auf der Piste

am Mittelmeerstrand nördlich von Gabès

Wir stehen mit unseren beiden Fahrzeugen unter einer Palmengruppe am Mittelmeer. Vor uns türkisblaues Wasser, das mit weißen Gischtkronen gegen den Sandstrand spült. Hier finden wir große, unversehrte Schneckenhäuser, Knochen von uns nicht zu identifizierenden Tieren, jede Menge Sepiarücken und allerlei Zeug, von dem wir nicht wissen, was das einmal gewesen ist. Eine hinter der Palmengruppe versinkende, rote Sonne macht das Abschiedsbild perfekt. Ein letztes Mal sitzen wir zusammen und trinken unser letztes Bier aus Ksar Ghilane, das Gerhard in seinem Kühlschrank bis zum heutigen Tag auf die erforderlichen drei Grad Celsius gehalten hat. Einmal noch stoßen wir an auf diese wunderbare gemeinsame Zeit.

angekommen am Mittelmeer

angekommen am Mittelmeer

Strandgut

Strandgut

Mittelmeerbrandung

Mittelmeerbrandung

Strandläufer

Strandläufer

der letzte Abend für uns drei

der letzte Abend für uns drei

© Michael Bünte, 2022
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Wir starten in Hamburg und reisen mit einem Toyota HZJ78 über Neapel nach Tunesien. Dieses ist der Bericht unserer zehnwöchigen Reise.
Details:
Aufbruch: 06.04.2022
Dauer: 10 Wochen
Heimkehr: 17.06.2022
Reiseziele: Tunesien
Der Autor
 
Michael Bünte berichtet seit 26 Monaten auf umdiewelt.
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