Die Sieben Säulen der Weisheit

Reisezeit: März / April 2008  |  von Ursula Lauterbach

Wandern und Leben bei den Beduinen des Wadi Rum.
Petra und die Nabatäer: Architekten und Erfinder des Kamelsattelns. Berg Nebo und Totes Meer. Trekking im Naturpark Wadi Mujib.

Wadi Rum & die Beduinen

"Nichts steht geschrieben!"

Mit diesen Worten begegnete T.E.Lawrence den Beduinen des Wadi Rum und mit denselben Worten im Gepäck trat ich meine Reise durch Jordanien an.
Eine geführte Wanderreise durch Jordanien, einem Land so groß wie Österreich, dessen Bevölkerung zur Hälfte aus den von den Israelis besetzten Palästinensergebieten stammt
(98% Araber, 2% Tscherkessen, Kurden und Armenier).
Ein Land, dessen Parlament eine Quotenregelung für Frauen, Christen, Tscherkessen, Beduinen und Jordanier besitzt!
Ein Land, das zwei Formen der Rechtsprechung kennt: die Judikative einer modernen Demokratie und die Rechtsprechung der Beduinenstämme, bei der ein Scheich für ein rechtskräftiges Urteil angerufen werden kann.
Ein Land, dessen Staatsgründung auf der Idee eines verrückten Engländers und der tatkräftigen Unterstützung der Beduinenstämme basiert.
Ein Land, dessen haschemitisches Königshaus aus den Beduinenstämmen hervorgegangen ist und den Spagat zwischen Tradition und Moderne, die Balance der Mächte und das Fingerspitzengefühl für West und Ost beherrscht.
Ein Land, fürwahr, dessen Wahlspruch auch heute noch sein könnte: "Nichts steht geschrieben!"

Auf dem "Desert Highway" fahren wir zum "Wadi Rum". Man sieht die Gleise der legendären "Hedschas-Bahn", die Halden des Phosphat-Abbaus, die Stadt Ma'an, eine alte Karawanserei, die im arabischen Aufstand 1917 hart umkämpft war und immer wieder die schwarzen Zelte der nomadisierenden Beduinen.
Das Wort "Beduinen" kommt von "al badia" = Halbwüste, also Bewohner der Halbwüste.
Endlich, aus einer Kurve heraus, der erste Blick auf die Kulisse des Films "Lawrence von Arabien", das "Wadi Rum" und das grandiose Massiv der "Sieben Säulen der Weisheit", das wie gigantische Natursäulen aus der Wüste gen Himmel steigt.

"Der Tag war noch jung, als wir zwischen zwei ragenden Sandsteinnadeln an den Fuß eines weiten, flachen Hanges kamen, der von den hochgewölbten Bergen vor uns sanft hinablief. Er war mit Tamariskenbüschen bestanden und - wie man mir sagte - der Anfang des Tales "Rum"."
...so erlebt T.E.Lawrence das erste Mal das "Wadi Rum" in seinen Aufzeichnungen "Die Sieben Säulen der Weisheit".

"Die Sieben Säulen der Weisheit"

"Die Sieben Säulen der Weisheit"

Abendstimmung im roten Sand des Wadi Rum

Abendstimmung im roten Sand des Wadi Rum

Im Dorf "Rum" ziehen wir gleich die Wanderstiefel an und nehmen den Rucksack auf den Rücken. Wir werden zu unserem Nachtlager, dem Camp der Beduinen laufen.
Es geht gleich zur Sache, nach kurzer, flacher Wüstenwanderung ist schon ein kleines Massiv zu überqueren, dessen Sandsteinfelsen die erste Herausforderung darstellen.
Hier erklärt uns unser Wanderführer Jean-Luc gleich einmal, was "Trittsicherheit" im Gelände bedeutet:
- kleine Schritte machen
- Kraft sparen
- nicht springen (Verletzungsgefahr)...lieber auf dem
Hinterteil die Felsen hinunterrutschen (Ja, auch richtige
Männer müssen nichts beweisen!)
- Geröll meiden, sichere Steine suchen
- Gleichgewicht halten, sich zum Berg hin neigen
- beim Aufstieg über steile Felsen einfach senkrecht mit
kleinen Schritten hochgehen, Füße nicht querstellen
- im Sand nach oben: mit den Fußspitzen in den Sand hoch-
steigen
- im Sand nach unten: mit den Hacken in den Sand
absteigen
Und tatsächlich, es funktioniert!
Jean-Lucs Verhaltensregeln sind so effektiv, daß wir sofort merken, wie gut das geht und einen kleinen Aufstieg übr Felsen und einen Abstieg über eine mit herrlich rotem Sand aufgeworfene Düne problemlos bewältigen.

Im Abendlicht kommen wir im Beduinencamp an. Es gibt Tee zur Begrüßung, später ein wundervolles Abendessen mit Spinatsuppe, gegrilltem Hühnchen, Gemüse, Fladenbrot und Schafskäse...aus einem Erdofen!
Dann, bereits im Halbdunkel, denn da ist kein Licht außer dem letzten Schein des Lagerfeuers, bereiten wir unser "Wüstenbett": Matraze, Schlafsack, zusammengerollter Pullover als Kissen. Draußen, unterm Sternenhimmel, liegen wir sprachlos auf unseren Matrazen und schauen in die Milchstraße. Der "Große Wagen" grüßt uns gigantisch groß wie nie zuvor gesehen vom Firmament, "Sirius" leuchtet und vor lauter Aufregung können wir nicht schlafen.
Ich erzähle meinen Matrazennachbarn die Episode aus dem Film "Lawrence von Arabien", wo Lawrence mit den Stämmen der Howeitat und der Harrith aufbricht in Richtung Aqaba.
Erinnert Ihr Euch noch an "Auda", den Scheich der Howeitat, im Film gespielt von Anthony Quinn?
T.E.Lawrence beschreibt ihn in den "Sieben Säulen der Weisheit" so:
"...er muß an die Fünfzig gewesen sein...aber er ist gelenkig, drahtig und stark und unternehmend wie ein junger Mann. Sein durchfurchtes, hageres Gesicht weist ihn als reinrassigen Beduinen aus: breite, niedere Stirn, stark hervortretende Hakennase, braungrüne, schräg stehende Augen, voller Mund...aber ebenso stur wie hitzköpfig.
Seine Ausdauer ist enorm und auf Ratschläge oder Kritik reagiert er mit einem ebenso beharrlichen wie sehr charmanten Lächeln. Nichts auf der Welt könnte ihn dazu bewegen, seine Meinung zu ändern, einem Befehl zu gehorchen oder einen Kurs einzuschlagen, den er mißbilligt..."

Und genau diese Aufbruchsstimmung spüren wir auch, unser Abenteuer beginnt, hier in der Wüste! Wir wissen noch nicht, was auf uns zukommt, aber wir fühlen uns wie
richtige Entdecker!

Die Beduinen öffnen den Erdofen

Die Beduinen öffnen den Erdofen

"Bedu-Küche"

"Bedu-Küche"

Einen kleinen Hauch vom Zauber der Wüste verspüren wir auch in dieser ersten Nacht!
Als wir am Morgen unsere Schlafplätze aufräumen...die Matrazen werden wieder im Beduinenzelt als "Couch" gebraucht, die Decken im Zelt verstaut, der kühle Morgen in der Wüste bricht an, wir putzen mit dem kostbaren Wasser gerade unsere Zähne und erfrischen unser Gesicht, mehr ist nicht drin, der Rest wird als Trinkwasser verwendet...wissen wir: es gibt keine Verschwendung!
Wer die "Wüstentoilette" benutzt, muß sein Klopapier verbrennen, nichts soll menschliche Spuren hinterlassen!
("Mann, das Hakle-Feucht brennt aber so schlecht!")
Eigentlich sind die Beduinen die Erfinder des "chill out and lounge": ein paar Betonsteine dienen als Unterlage für den Diwan. Darauf werden die Matrazen gelegt. Ein Teppich auf dem Sandboden markiert das Wohnzimmer. Die Tücher des auf Stangen drapierten Zeltes bilden ein Dach. Das offene Feuer heizt den Tee, backt die Fladenbrote und gibt Licht und Wärme, man legt sich bequem auf einen Arm gestützt halb aufgerichtet hin und harrt der Dinge, die da kommen.

"Der Beduine der Wüste, der in ihr geboren und aufgewachsen ist, hat sich mit seiner ganzen Seele dieser für Außenstehende allzu harten Kargheit hingegeben...aus dem gefühlten, aber nicht bewußt gewordenem Grund, weil er sich in ihr wahrhaft frei fühlt. Er hat alle materiellen Bindungen, Annehmlichkeiten, Verfeinerungen, Luxus und sonstigen Ballast des Lebens hinter sich gelassen, um dafür persönliche Freiheit zu gewinnen, die von Elend und Tod bedroht ist....In der Armut sieht er keine Tugend an sich. Er liebt die kleinen Freuden und Genüsse - Kaffee, frisches Wasser, Frauen - die er sich leisten kann. Sein Leben bietet ihm Luft, Wind, Sonne und Licht, freien Raum und große Leere..." (T.E.Lawrence "Die Sieben Säulen der Weisheit)

im Camp...chill out and lounge

im Camp...chill out and lounge

Nach dem Frühstück, zu dem uns Suleiman, der Koch, frische Ziegenmilch mit Thymian für unseren Tee anbietet, brechen wir mit den Jeeps der Beduinen (Kamele gehören der Vergangenheit an) auf zu einem urzeitlich anmutenden Geröllberg im Tal, von dessen Gipfel aus man einen perfekten Blick über das gesamte Wadi Rum haben soll.
350 Höhenmeter steil bergauf nur über Geröll! Auch kein alltäglicher Spaziergang.

A propos Kamele: Ben Gurion soll einmal gesagt haben: "Frauen sind wie Kamele. Sie tragen die Männer durch die Wüste der Traurigkeit." Ob er das über Jeeps auch gesagt hätte?

Wir schaffen den Aufstieg und es lohnt sich! Der "Djebel Rum", der höchste Berg Jordaniens präsentiert sich in all seiner Herrlichkeit, das gigantische Panorama des weitläufigen Wadi Rum liegt zu unseren Füßen, und wir würden uns nicht wundern, wenn Lawrence von Arabien jetzt mit seinen arabischen Streitkräften durch die Ebene zwischen den riesigen Sandsteinmonolithen hindurchritte.

Im Jeep der Beduinen

Im Jeep der Beduinen

Auf dem Geröllberg hoch über dem Wadi Rum erklärt uns Jean-Luc die Landschaft

Auf dem Geröllberg hoch über dem Wadi Rum erklärt uns Jean-Luc die Landschaft

Beim Abstieg sehen wir zum ersten Mal eine "Agame", eine türkisfarbene Eidechsenart ("Pseudotrapelus sinaitus"). Eine "Agame" hat im Unterschied zu einer Eidechse einen dicken, würfelförmigen Kopf auf dünnem Hals, während die Eidechse einen schmalen Kopf und dann ohne Übergang einen durchgehend dicken Hals und Körper zeigt.
Wie wehrt sich eine Agame gegen einen Schlangebiß?
Sie nimmt ein Holzstück quer ins Maul...so kann die Schlange die Agame nicht hinunterschlucken!

Die "Blaue Sinai-Agame - Pseudotrapelus sinaitus"

Die "Blaue Sinai-Agame - Pseudotrapelus sinaitus"

Nach dem Abstieg bringen uns die Jeeps der Beduinen zu unserem Mittagsplatz, wo wieder köstlich für uns gekocht wurde: Salat mit Hummus (Kichererbsenpaste m. Sesamöl u. Zitrone), Sardinen, Thunfisch, Eintopf, Fladenbrot, Plätzchen, Obst.
Dann: allgemeine Siesta!
Jeder sucht sich ein Plätzchen am Rand der Felsen ein Stück weg vom Camp, nur ich denke, ich könnte im Schatten des Lagers auf den Matrazen an meinem Tagebuch weiterschreiben. Das ist ein Denkfehler!
Denn das Lager ist "beduinisches Terrain" und mein Verweilen dort wird als Kontaktaufnahme ausgelegt, die Suleiman, der Koch, zugleich in die Tat umsetzt. Er fragt natürlich sofort, ob ich verheiratet sei und Kinder habe, welches Auto ich in Deutschland fahren würde und wie alt dieses sei.
Ich gebe spärliche, aber höfliche Antworten, aber - Mädels, laßt Euch das gesagt ein - einmal einem Araber in die Augen geschaut und schon werdet Ihr ihn nicht wieder los! Also:
Sonnenbrille aufsetzen oder ein Holzstück quer in den Mund nehmen!
Er erzählt mir dann die romantische Touristenstory, daß er nicht verheiratet sei und hauptsächlich in der Wüste unter den Sternen lebe und am Abend würde er mir als Zeichen seiner Verehrung eine "Keffija" bringen. HILFE!
Später frage ich Jean-Luc um Rat, wie ich aus dieser brenzligen Situation wieder herauskommen könnte. Er meint, ich solle einfach für das Tuch auch etwas geben, einen Geldschein und Zigaretten z.B.
Das tue ich auch am nächsten Morgen, der...Allhamdullah...sowieso unser Abreisetag ist. Gerade noch einmal davongekommen!

Nach der Siesta und meinem unfreiwilligen Flirt machen wir noch eine Wanderung zu einer spektakulären Felsbrücke und genießen in der Wüste den Sonnenuntergang. Wir können auf dem Weg dahin sehr schön sehen, wie der Wind kleine Dünen am Salzkraut und den Tamarisken aufbaut. Jean-Luc zeigt uns den "Malteser Schwamm - Cynomorium coccineum", einen Halbparasiten am Salzkraut, der violett schimmert und gemäß der Signatur-Medizin als Aphrodisiakum wirklen soll. Die Form paßt jedenfalls!

Hierzu der kleine Gruppen-Witz für zwischendurch:
"Warum muß man Viagra so schnell schlucken? Damit man keinen steifen Hals kriegt!"

Signatur-Medizin:
Man glaubt in der Naturmedizin, daß etwas ähnlich Abbildendes bei ähnlichen Beschwerden hilft:
z.B. hat die Walnuß die Form eines Gehirns, und wenn man diese ißt, so wird dem Gehirn Kraft zugeführt. Oder dieses zarte Wunder eines Frauenhaarfarns, den man in den wasserführenden Wadis in den Felsen findet, wäre gut für das eigene Haar. Oder, wie die Beduinen glauben, geröstete und zerstoßene Skorpione würden, wenn man die Kinder damit einriebe, diese gegen Skorpionstiche schützen. Oder eben der Malteser-Schwamm hätte aufgrund seiner Form potenzsteigernde Wirkung..

Es finden sich überhaupt erstaunlich viele Pflanzen in der Wüste und in den Wadis. Wie Tulpen wachsen aus dem Sand die Blätter der "Meerzwiebel - Urginea maritima". In den kühlen Tälern findet man prachtvollen "Rutenginster - Retama raetem" und "Seidelbast - Daphne linearifolia". Die "Schirmakazie - Acacia tortilis ssp. Raddiana" spendet willkommenen Schatten. Und die Tamarisken sin die widerstandsfähigsten von allen, sie überleben fast ohne Wasser.

"Fünfgestreifter Wüstenskorpion - Leiurus quinquestriatus"

"Fünfgestreifter Wüstenskorpion - Leiurus quinquestriatus"

Rock bridge

Rock bridge

In dieser Nacht schauen wir nachdenklich in die Sterne und denken an Lawrence, wie er den Beduinen "Gassim" aus der Wüste Nefud vor dem Verdursten rettet nach dem Motto: "Nichts steht geschrieben!" und später doch das Todesurteil an ihm vollstrecken muß, weil jener ein Mitglied eines der befreundeten Stämme bestohlen hat. Nur Lawrence als Außenstehender kann dieses Urteil vollziehen, andernfalls hätte es eine Blutfehde unter den alliierten Stämmen gegeben. Das Gesetz der Wüste ist so, wie es Sherif Ali Lawrence gegenüber ausdrückt:
"Höre Engländer: du hast ihm das Leben wiedergegeben, indem du ihn aus der Wüste rettetest, du allein hast nun die Pflicht es ihm als Strafe zu nehmen. Inshallah!"

Hier wird Lawrence klar, daß er eine Führungsrolle im arabischen Aufstand innehat und später formuliert er das im "Arab Bulletin" 1917 so: "Das ideale Verhalten ist: anwesend sein, ohne bemerkt zu werden. Sich nicht anbiedern, nicht auffallen, keinen übermäßigen Eifer an den Tag legen. Vermeiden Sie es, sich allzu lang oder allzu oft einem der Stammesscheichs anzuschließen, selbst wenn Sie Kommandeur einer Expedition sind. Um Ihre Sache gut zu machen, müssen Sie über Eifersüchteleien erhaben sein: und wenn man Sie mit einem bestimmten Stamm oder Clan - und zwangsläufig dessen Fehden - in Verbindung zu bringen vermag, so büßen Sie an Prestige ein...Ausländer und Ungläubige sind nicht beliebt in Arabien. Ganz gleich, wie freundlich oder familiär man sie behandeln mag, rechnen Sie stets damit auf Sand gebaut zu haben..."

Wir sind richtig froh, daß diese wilden Zeiten vorbei sind, ziehen die Zipfel des Schlafsacks hoch bis zu den Ohren und versinken in den tiefen, traumlosen Schlaf der Wüste.

Werner, unser "Homme-à-femmes" murmelt aus dem Schlafsack noch ins Blau der Nacht:
"Es gibt nichts Schöneres, als die Nacht zwischen einer schönen Frau und dem Sternenhimmel zu verbringen."
Weder der Sternenhimmel noch wir Mädels fühlen uns angesprochen, wir sind einfach nicht schön genug für ihn!

steinzeitliche Felszeichnungen

steinzeitliche Felszeichnungen

Am nächsten Morgen bringen uns die Beduinen in ihren Jeeps zu einem "Siq", einer schmalen Schlucht mit steinzeitlichen Felszeichnungen: Steinböcke, Füße, Menschenbilder. In einiger Entfernung liegt "Lawrence's House", ein Felsen, an dem Lawrence einmal übernachtet haben soll. Kamele grasen mit ihren Fohlen in unserer Nähe und lassen sich willig fotografieren. Sie stellen sich fast ein wenig in Positur, wie Models der Wüste.
Jean-Luc macht eine ganze Anzahl Fotos für sich selbst und antwortet auf die Frage, ob Fotografieren sein Hobby sei, in seiner trockenen Art: "Mein Hobby ist nicht Fotos machen, sondern Fotos löschen!"

Mittag schließlich packen wir im Beduinenlager unsere Sachen zusammen. Die Jeeps bringen uns ins Dorf Rum, wo wir bei Suleiman zuhause noch ein Abschiedsessen bekommen.
Er ist natürlich verheiratet, hat drei Kinder, das vierte ist unterwegs. Zu mir sagt er in einem unbeobachteten Moment verlegen: "Sometimes I forget, that I am married."
Das scheint mir auch so...so etwas Wichtiges sollte er besser im Gedächtnis behalten!

Werner würde dazu sagen: "Sex mit einem Bedu-Mann? Nur mit Kondom!" - "Und wenn er keines hat?" - "Dann nimmst du Kameldarm: Jute statt Plastik!"

Wir dürfen Suleimans Haus besichtigen, den Raum der Frauen, die Küche, das Schlafzimmer...er ist für beduinische Verhältnisse wohlhabend. Während wir zu Mittag essen, kommen immer mehr Kinder und schauen neugierig zur Tür herein. Sie sind schüchtern, wollen sich aber den Anblick so exotischer Fremder nicht entgehen lassen. Ich verteile meine Gummibärchen und sie nehmen sie einzeln aus der Packung, nicht etwa eine Handvoll.

Und hier, in Suleimans Haus, denke ich mir:
ein Beduinenleben draußen in der Wüste ist die Reduzierung auf fast Nichts. Zum Haushalt gehören nur Plastikteller, Löffel, Teegläser, Wasserkessel und ein paar Pfannen zum Braten. Abgeschnittene Plastikflaschen dienen zum Wasserschöpfen, von einem flachen Plastiktisch wird gegessen. Man trägt Sandalen, das weite, kühle Gewand, abends einen wattierten Mantel darüber. Der Kopfputz dient als Sonnenschutz, zum Wärmen um den Hals, als Schutz gegen Sand und Staub, als Schmuck.
Brennholz für das Lagerfeuer findet man in der Wüste, dürres "Weißholz", das immer zumindest zum Teekochen reicht.
Man züchtet Ziegen, die man für 80 Dinar (= 80 €) auf dem Markt verkauft (wenn das Weidefutter nicht reicht, wird Futter aus Saudi-Arabien zugekauft). Eine schöne Einnahme, wenn man bedenkt, daß ein jordanischer Beamter 200 Dinar im Monat verdient. Nebeneinnahmen durch den Tourismus machen die Beduinen des Wadi Rum wohlhabend. Die goldenen Uhr an der Hand von Mohammed und das Haus von Suleiman zeugen davon.
Auch in ihrem Glauben scheinen sie freier, als in anderen islamischen Gesellschaften. Jean-Luc sagt, er habe Mohammed noch nie beten sehen.

"In Arabien hat der Islam seinen semitischen Charakter bewahrt, oder vielmehr hat der semitische Charakter die Zeit des Islam überdauert...Dort, bei den Beduinen, war der Glaube Ausdruck eines Monotheismus der offenen Räume, des die Unendlichkeit erfüllenden Pantheismus und der schützende und vorsorgende Gottvaterglaube des Alltags."
(aus T.E.Lawrence "Die Sieben Säulen der Weisheit")

Hier ist die "Wüstenepisode" zu Ende, aber sie war so eindrucksvoll, daß wir noch lange davon zehren werden. Wir fahren nach "Petra" in ein Hotel und genießen die Freuden der Zivilisation: auch wenn aus der Dusche nicht viel Wasser kommt...was für ein Genuß, sich drunterstellen zu dürfen und die Haare waschen zu können!
Der Haufen dreckiger Wüstenwäsche wird weggepackt...aber mit Wasser gehen wir in Zukunft sparsamer um!

Wadi Rum - Wüstenpiste

Wadi Rum - Wüstenpiste

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Die Reise
 
Details:
Aufbruch: 30.03.2008
Dauer: 11 Tage
Heimkehr: 09.04.2008
Reiseziele: Jordanien
Der Autor
 
Ursula Lauterbach berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.
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