Taiwan für ein halbes Jahr

Reisezeit: November 2009 - Mai 2010  |  von Michael Geiger

Chinesisches Neujahr

Chinese New Year
Am Sonntag war chinesisches Neujahr. Wenn gefühlte 10 Milliarden Menschen Neujahr feiern, dann geht das hier natürlich richtig ab, deshalb möchte ich euch diesen Bericht, sozusagen zur Feier des neuen Jahres schreiben. Eigentlich fehlt ja auch noch der Bericht vom eigentlichen Neujahr, aber den hab ich noch nicht fertig. Irgendwie komm ich immer weiter ins Hintertreffen mit meinen Berichten. Tja, je mehr ich an der Diplomarbeit arbeiten muss, umso weniger hab ich Zeit für die Berichte, aber ich gelobe Besserung.
Schon seit Monaten wurde hier schon die Feier fürs neue Jahr im Zeichen des Tigers vorbereitet. Ja, wer diese Jahr geboren wird hat Glück, denn er wird ein Tiger und hat viele positive Eigenschaften wie zum Beispiel Stärke und Durchsetzungsvermögen. Wer früher schon als Tiger geboren wurde hat dieses Jahr ordentlich Pech, weil ein alter Tiger im neuen Tigerjahr zu sein ist eher suboptimal. Schon vor über 2 Monaten hat es mit dem dekorieren angefangen, mir wurde von anderen Studenten ein rotes Papier mit schönen chinesischen Zeichen, die alle Glück und vor allem viel Kohle bringen überreicht, damit ich damit die Türe verzieren kann. Auch auf den Straßen und in den Häusern wurde mehr und mehr mit Spruchbändern und Lampions dekoriert, um sich ordentlich auf Neujahr vorzubereiten. In den Tempeln war auch mal richtig was los. Am Morgen des neuen Jahres sollte man so früh wie möglich im Tempel sein und dort Kerzen oder Räucherstäbchen anzünden, damit man im folgenden Jahr ordentlich Glück hat. Da sich die meisten den Weg sparen wollen und in den Tempeln auch nicht so viel Platz ist gibt's die Möglichkeit andere mit dem stellvertretenden Anzünden zu beauftragen. Drum gings in den Tempeln schlimmer zu als im Einwohnermeldeamt in Nürnberg. Über Wochen gingen die Leute in die Tempel, zogen dort Wartemarken, mussten dann eine halbe Ewigkeit warten, bis ihre Nummer angezeigt wurde und konnten dann am Schalter (10 Schalter sind schon drin) für ordentlich Geld die Anzündung zu beauftragen.

Alle Chinesen verbringen Neujahr im Kreis der Familie, alle! Darum ist hier in Taipei fast nichts mehr los, die Uni hat geschlossen, bzw. man kommt nur mit Sondergenehmigung rein (die ich natürlich hab), das Dorm ist auch nur noch sporadisch geöffnet, im Moment bin ich der Einzige im Dorm, in dem normaler Weise über 500 Menschen wohnen! Hier ist sogar komplett das Licht ausgeschaltet, wenn ich nachts aus meinem Zimmer muss, dann muss ich ne Taschenlampe mitnehmen, weil ich sonst gegen die nächste Wand laufen würd! Außerdem sind fast alle Geschäfte und Garküchen geschlossen, das öffentliche Leben ruht. Zwar wurde ich von vielen netten Taiwanesen zu Neujahr eingeladen, um mit ihnen und ihren Familien zu feiern, aber ich hab allen danken abgesagt. Zum einen finde ich, dass es ein sehr intimes Fest ist, wo ich mir immer störend im Kreis der fremden Familie vorgekommen währe und zum anderen muss ich an meiner Diplomarbeit arbeiten, dass ich da endlich mal was vernünftiges in meinen Rechendepp reingeschrieben bekomme.
Bereits Tage vor dem eigentlichen Sylvester wurde überall schon ordentlich Feuerwerk gemacht und es hat ständig irgendwo geknallt und gefunkt. Überall auf der Straße haben mir auch wildfremde Leute ein gutes neues Jahr gewünscht, aber je näher die Silvesternacht kam umso ruhiger wurde es. Als ich in dieser Nacht nochmal raus bin war echt niemand mehr auf der Straße. Richtig unheimlich, in einer Stadt, in der es nie ruhig ist herrschte auf einmal unglaubliche Ruhe, ich glaub, das kann man sehr gut mit Heilig Abend bei uns vergleichen.
Dafür ging es dann am nächsten Tag (Neujahr) richtig rund. Da war alles mit der Familie auf dem Weg zu den Tempeln. Über der Stadt lag ein interessanter Rauchteppich aus Schwarzpulverdunst, Räucherstäbchenduft und Papierrauch. Zuerst habe ich den Konfuzius Tempel besucht. Dort war irgendwie gar nichts los, so ruhig wie immer, nur ein alter, weiser Mann hat den Leuten, die brav in einer Reihe anstanden Glückwünsche auf große Papierstücke gezeichnet. Auch der Tempel kam mir irgendwie bekannt vor... Klar ist wie der Tempel in Tainan ein Nachbau des Konfuzius Tempels in Beijing!

Im Konfuziustempel

Im Konfuziustempel

Wunschwand, hier werden klein Holzbrettchen mit Wünschen festgemacht

Wunschwand, hier werden klein Holzbrettchen mit Wünschen festgemacht

Danach ließ ich mich von der Musik und der Nase führen und kam schnur stracks zum Daoistentempel Boa an. Und schon war ich mitten drinnen im bunten Treiben und im Gedränge. Gegenüber vom Tempel spielte eine Musikgruppe mit Trommeln und quietschenden Flöten, inklusive Verstärkeranlage ohrenbetäubende traditionelle Musik. Daneben standen unzählige Straßenhändler, die alles was man so an Neujahr braucht verkauften. Direkt dahinter stand ein riesiger kunstvoll verzierter Ofen, in dem die Leute säckeweise bunt bedrucktes Papier verbrannten. Dieses Papier soll Geldscheine darstellen und es wird den Göttern geopfert. Der Ofen hat schon richtig geglüht, so wurde da geheizt.

Der Ofen!

Der Ofen!

Das Höllenfeuer

Das Höllenfeuer

Im Daoistentempel

Im Daoistentempel

Durch die Tore des Tempels drängten sich die Menschen in das Innere, wo alle dicht gedrängt mit Räucherstäbchen in der Hand ihre Runde zu allen Altären drehten. Mittig standen große Tische, auf denen Opfergaben lagen. Essen, Blumen, Getränke, Chips, Bier, halt alles was den Göttern so schmecken könnte.

Die Opfertische, es wurde sogar extra ein Zeltdach aufgebaut, falls es regnet

Die Opfertische, es wurde sogar extra ein Zeltdach aufgebaut, falls es regnet

Tourist

Tourist

Endstation für die vielen Räucherstäbchen

Endstation für die vielen Räucherstäbchen

Hier war die Luft von dichtem Räucherstäbchenrauch verhangen. Nachdem ich dieses faszinierende Treiben lange auf mich einwirken gelassen hatte wollte ich wieder gehen, bin ich aber nicht mehr durch die Tore gekommen, weil so viele Menschen ins Innere drängten. Kurz später wusste ich auch warum: Der Premier von Taiwan, Wu Den-Yih, war gerade dabei diesen Tempel zu besuchen! Zig Kameras, Reporter und Leibwächter umhüllten ihn, es wurden ohrenbetäubende Knallerketten abgebrannt und der Premier machte auch seine Runde im Tempel. Als er fertig war hielt er noch eine Rede an die begeisterten Zuhörer. Diese Rede hat mein Eindruck wieder bestätigt, dass taiwanesische Politiker wohl verpflichtet sind, bei Reden oder Gesprächen mit jedem dritten Wort das Wort Taiwan zu sagen. Unglaublich, immer! Immer nur...Taiwan ... ...Taiwan ... ... Taiwan... ...T... !
Nachdem er den Tempel mitsamt seinem Gefolge wieder verlassen hatte bin ich dann auch wieder gegangen. Am Abend bin ich dann noch auf das Dach vom Dorm und hab mir die überall in der Stadt abgeschossenen Feuerwerke angeschaut. Ich muss schon sagen, echt faszinierend das chinesische Neujahr!!!
Heute, also zwei Tage nach Neujahr wurde immer noch gefeuerwerkt. Da es regnete und der Taiwanese ja nicht dumm ist werden nun die Raketen unter Brücken abgeschossen. Toll für die Taiwanesen, man wird nicht nass, es knallt ordentlich und die Raketen sind nicht so weit weg, wenn sie unter der Brücke hochgehen. Doof für der Jogger, der unbedarft seine Runde dreht und um ein Haar im Funkenregen Feuer gefangen hätte. Unglaublich, die Beschleunigung, die man so hinlegen kann, wenn man auf einmal mitten im Feuerwerk steht! Zum Glück hat es geschüttet wie aus Eimern und der Jogger war durch genässt uns somit nur schwer entflammbar

Wenn alle hier rauchen wie verrückt, dann will ich das natürlich auch!

Wenn alle hier rauchen wie verrückt, dann will ich das natürlich auch!

Viele kleine Götter

Viele kleine Götter

Der Tempel von oben

Der Tempel von oben

Auf dem Tempel im 4. Stock

Auf dem Tempel im 4. Stock

© Michael Geiger, 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Ich verbringe ein halbes Jahr in Taipei, Taiwan um dort meine Diplomarbeit an der Tatung University zu schreiben. Hier habt Ihr die Möglichkeit zu erfahren, was ich alles so erlebt habe und wie es ist, in Taiwan zu leben.
Details:
Aufbruch: 04.11.2009
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: Mai 2010
Reiseziele: Taiwan
China
Der Autor
 
Michael Geiger berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.