Beluga geht durchs Nadelöhr 1

Reisezeit: Mai - Oktober 2004  |  von Doris Sutter

Die letzten Meilen bis zum Delta

Am rechten Ufer breitet sich nunmehr die Dobrudscha aus. Die Donau mäandert zwischen großen und kleinen Inseln und wir folgen ihrem Lauf wie Slalomfahrer. Der Borcea-Arm, zweigt am linken Ufer ab, dazwischen ein Gewirr aus Seitenarmen, Inseln, Tümpeln, kleinen Seen, Dickicht und Auwäldern. Der Arm ist breit wie der Rhein und ebenfalls befahrbar. Eine urwüchsige Landschaft mit üppiger Vegetation. Die Luft trägt schwer am süßen Duft der Lindenblüten.

Nie war der Strom näher daran sich im Schwarzen Meer zu verlieren. Doch als ob das Land seine Lebensader noch nicht hergeben wollte, wirft sich der 470 m hohe Gebirgshorst der Dobrudscha zwischen Meer und Strom und zwingt diesen zu einer rechtwinkligen Richtungsänderung nach Norden.

Wir folgen seinem Hauptarm Richtung Cernavoda. Hier wurde vor einigen Wochen ein Berufsschiff von Piraten gekapert. Ein Schiffsmann wurde verletzt und musste im Krankenhaus behandelt werden. Die Piraten erbeuteten 15 kg Soja und wurden von der Wasserschutzpolizei ohne viel Federlesen dingfest gemacht.

Cernavoda und Constanza sind verbunden durch den Donau-Schwarzmeer-Kanal. Hier können 300 km Donau abgekürzt und das Delta umgangen werden, was wir natürlich nicht wollen, einer unserer Mitfahrer aber getan hat. Eine 15 km lange Brücke überspannt den Borcea-Arm, die Balta-Insel und die eigentliche Donau. Wegen des problematischen, sandigen Untergrundes mussten die Pfeiler 31 m unter Mittelwasserstand versenkt werden.

Zwischen Giurgeni und Vadu Oii, der Schaffurt, befindet sich die endgültig letzte der spärlichen Brücken über die Donau.

Die Landschaft verändert sich nun nicht mehr. Flaches Land und Pappelhaine begleiten uns bis ins Delta, nur unterbrochen von ein paar kleinen Nestern, verfallenen Fischerhütten und den großen Städten Braila und Galati.

Galati

Galati

Galati ist der größte Donau-See-Hafen von Rumänien und eine bedeutende Industriestadt. Es geht wirklich was ab. 100 Kräne, 500 Hochhäuser, aber dazwischen auch einige wunderschöne alte Häuser, die der deutschen Bombadierung von 1944 entkommen sind. Wir dürfen am Ponton der Hafenpolizei kostenlos anlegen. Revision kommt an Bord. Diesmal wird auch nach unserer Inventar- und Proviantliste gefragt. Nach einer gemeinsamen Flasche Wodka ist aber alles nicht mehr so wichtig. Am nächsten Morgen fährt uns ein Hafenkapitän sogar zur Metro, ein Supermarkt wie zu Hause. Auch hier gibt's einfach alles und für unsere Verhältnisse natürlich spotbillig.

Doch das dicke Ende folgt. Wir sollen heute, weil der oberste Chef uns entdeckt hat, für die Nacht 101 Euro pro Boot bezahlen. Wir protestieren, debattiern, verhandeln, weigern uns. Doch erst nachdem dem Chef das Schreiben unseres Konsuls zugefaxt wird, reduziert er den Preis auf 10 Euro pro Boote. Trotz aller Freundlichkeit der Pontonbesatzung, ein bitterer Nachgeschmack bleibt.

Ab km 150 ist das Maß aller Dinge die Seemeile sm oder nautische Meile nm. Die Umstellung, nur noch 81 nm bis zum Schwarzen Meer.

Bei sm 72,4 linkes Ufer mündet der Pruth in die Donau. Er ist mit 828 km Länge ihr zweitgrößter Nebenfluss. Gleichzeitig bildet er die Grenze zwischen Ukraine und Rumänien. Im Gebüsch liegt ein Patrouillen-Boot, doch es bringt uns nicht auf. Aber "Deutschboot" ist ein häufig gebrauchtes Wort über Funk.

Tulcea

Tulcea

Vor Tulcea verbringen wir noch eine Nacht hinter einer Insel. Morgens um sechs reißt uns die Sirene eines Polizeibootes aus dem Schlaf. Das winzig kleine Schnellboot besetzt mit 6 Uniformierten sieht aus als hätte es gerade eine Eskimorolle in einem Schlammloch hinter sich. Wahrscheinlich waren sie hinter ein paar armseligen Fischern her und wir waren die kostenlose Zugabe des Tages. Sie kommen glücklicherweise nicht an Bord, wollen nur unsere Dokumente sehen, als wüßte nicht jeder an diesem Fluss, dass zwei Yachten Richtung Delta unterwegs sind, verabschieden sich mehrsprachig und weg sind sie.

Rechtwinklig zweigt der Tulcea-Arm vom Hauptstrom ab, doch er ist breiter als der Rhein. Der Hauptstrom mündet in den Kilian-Arm und führt 60 % des Wassers der Donau mit. Er druchläuft die Ukraine und wir haben keine Visa für dieses Land, so nehmen wir den Tulcea-Arm und verlassen später das Delta über den Sulina-Arm.

In Tulcea erhalten wir die Genehmigung das Delta auch außerhalb des offiziellen Schiffsweges zu befahren. Der Papierkrieg beim Einchecken ist enorm und beim Abfahren das gleiche noch mal und jedes Mal wird 1 Euro Gebühr fällig, der nicht mal die Kosten für die auszufüllenden Formulare deckt. Nur einen ruhigen Liegeplatz bekommen wir natürlich nicht. In diesem Flusshafen ist der Teufel los. Fischernachen, Ausflugsboote, Passagierschiffe, Hafenbarkassen, Frachtschiffe, Kümos, Seeschiffe, Fähren, Versetzboote und dazwischen kurvt Vollgas die Politia de Frontiera und läßt alle Anlieger hüpfen.

in Tulcea steppt der Bär

in Tulcea steppt der Bär

© Doris Sutter, 2004
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine Bootsreise die Donau abwärts, durch Österreich, Slowakei, Ungarn, durch so schwierige Länder wie Serbien, Rumänien und Bulgarien, eine Rundreise durchs Donaudelta und weiter bis ins Schwarze Meer. Die Heimreise durchs Schwarze Meer und Mittelmeer findet ihr im 2. Teil. Hier folgt der 1. Teil
Details:
Aufbruch: Mai 2004
Dauer: 5 Monate
Heimkehr: Oktober 2004
Reiseziele: Österreich
Slowakei
Ungarn
Serbien
Eisernes Tor
Der Autor
 
Doris Sutter berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Doris sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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