Durch den Mittleren Westen der USA

Reisezeit: Oktober 2006  |  von Wilfried Virmond

Kapitel Fünf, Anhang

Meine Schlußbemerkungen.
Und was ich noch zur Harley-Davidson E-Glide zu sagen habe. (Vorsicht, vielleicht etwas zu deutlich...)

Mein Fazit dieser Reise:
Das war, trotz der enormen Kälte, meine bisher schönste USA-Reise, weil ich total frei und unabhängig war. Ich konnte tun (z.B. etwas schneller fahren, auch und besonders in den Kurven) und lassen (z.B. dauernd Anhalten zum Essen, Pippimachen, Rauchen...), was ich wollte. Niemand hat mit mir rumgemeckert.

Wie immer in den USA hatte ich, außer in der Nähe der Städte, wieder nur ganz wenig Gegenverkehr. Auch zum Überholen gab es meistens nichts, obwohl ich immer recht flott unterwegs war. - Und ich war bestimmt nur eines von ganz, ganz wenigen Motorrädern in dieser Zeit auf den Straßen hier im Mittleren Westen. Ich habe auf der gesamten Strecke, außer einem Roller am Missouri und einer roten 1800er GoldWing in St. Louis, kein einziges anderes Zweirad gesehen.

Es ist nichts Schlimmes oder überhaupt Negatives passiert. So gab es auch keinen Ärger mit der Polizei, obwohl ich meistens wieder etwas schneller als erlaubt gefahren bin. Nur in und in der Nähe von Ortschaften war ich immer relativ brav. Und ich habe auch genügend Polizeiautos rumlauern und entgegenkommen sehen. Und ich musste auch mal wieder ganz schön lange ganz brav hinter einem herfahren. Aber ich hatte wieder sehr viel Glück.

Die Übernahme der Harley bei EagleRider war wieder gewohnt bürokratisch, langwierig und umständlich. Hier sollte man entsprechend viel Zeit einplanen. Die Rückgabe war dagegen wieder erstaunlicherweise einfach, rasch und völlig problemlos, also eigentlich alles wie beim letzten Mal im Juli.

Das TomTom-Navi GO 910 (mit Europa, USA und Kanada auf der eingebauten 20 GB-Festplatte) hat sich erneut hervorragend bewährt. Die Ausfälle am letzten Tag sind bestimmt nicht die Regel. Ich werde versuchen, hierzu weitere Informationen zu erhalten. Ich kann das TomTom GO 910 daher trotzdem bestens jedem empfehlen.

Es war zwar die meiste Zeit saumäßig kalt, aber ich habe trotzdem noch Glück gehabt. Nur ein paar Tage später hat es tatsächlich überall in der Gegend heftig geschneit. Leider bin ich jedoch insgesamt ein paar Tage zu spät gefahren. Denn bis einen Tag bevor ich kam, war es, genau wie bei uns, überall noch spätsommerlich warm. - Zwei, drei Wochen später (Anfang November) gab es dann auch noch mal eine längere warme Periode. Alles ganz ähnlich wie bei uns.

Ein Tipp für alle, die jetzt Appetit auf eine USA-Reise bekommen haben: Gut bewährt hat sich die vorher hier beim ADAC besorgte Triple A-Card ("AAA, Show Your Card & Save"), mit der ich bei manchen Hotels einen Preisnachlass von ca. 10% erhielt. Sie hilft auch oft bei anderen Einrichtungen, wo man Eintritt bezahlen muss. Dazu als zusätzliche Versicherung unbedingt und geradezu zwingend erforderlich: Die ADAC Plus-Karte!

Die Nadel der Benzinanzeige an der Harley war zwar sehr ungenau, trotzdem bin ich nach ein, zwei Tagen immer über 160 Meilen mit einer Tankfüllung fahren, bis dann überhaupt erstmal das gelbe Warnlicht aufleuchtete. Ich habe dann immer (wenn auch manchmal mit deutlichen Sorgenfalten, denn wenn man sie braucht, sind Tankstellen auch in den USA manchmal Mangelware) gerade noch rechtzeitig eine Tankstelle gefunden.

Ich habe diesmal nichts verloren oder liegen lassen und bin ganz stolz auf mich. Wenn ich auch oft genug ein ungutes Gefühl verspürte. (Wird schon langsam zu einer Manie - ist wahrscheinlich aufs Alter zurückzuführen. Auf jeden Fall wollte ich damit niemanden langweilen.)

Und, ich habe zusätzliches Glück gehabt, denn meine kubanischen Zigarren hätte ich gar nicht in die USA mitnehmen dürfen. Meine beiden Freunde Craig und Dick waren bass erstaunt darüber, dass sie nicht vom Zoll beschlagnahmt worden waren. Denn sowohl auf dem Hin- als auch auf dem Rückflug war jedes Mal eine meiner beiden Taschen intern vom Zoll geöffnet und kontrolliert worden. (Gepäck niemals abschließen!) Und die persönliche Zollkontrolle hätte es ja auch noch in Chicago geben können...

Und hier noch mein rein persönlicher Eindruck zur gefahrenen Harley-Davidson Electra-Glide:

Ich fahre seit 1995 GoldWing 1500 und 1800 und habe weit über 200.000 km darauf hinter mir. Jetzt hier auf dieser Reise hatte ich zum allerersten Mal eine Harley unter mir. Also, ich persönlich finde: Die Harley steht höchstens auf dem technischen Stand einer 1000er Goldwing von 1975. Alles unmodern, unkomfortabel und geradezu fahrerunfreundlich. Ein gutes Beispiel: Man muss die E-Glide vor dem Anlassen erstmal ein paar Sekunden "vorglühen" bis eine Anzeige erlischt. Dann darf man erst Anlassen. Ja, wo gibt's denn heute so was noch??? Und den Vergleich zwischen einem vibrierenden Zweizylinder und einer schnurrenden 6-Zylinder-Maschine braucht man ja erst gar nicht anzustellen. Und noch ein Negativ-Beispiel: Zusammen mit den beiden Zusatzschlössern hatte ich gleich drei dieser kleinen runden Schlüssel und ständig eine entsprechend nervige Fummelei mit diesen Schlüsseln.

Gut ist folgendes an einer Harley:
- Automatische Blinkerrückstellung, purer Luxus für eine Harley (hat natürlich auch jede GoldWing)
- Steckdose für Zigarettenanzünder
- CD-Spieler (aber kein Wechsler)
- Topcase ist größer als an der GoldWing
und dann noch, nicht zu vergessen,
- supergeile HD-Treffen (GoldWing-Treffen sind dagegen, gähn, zum Einschlafen langweilig)
- sehr gute, geradezu vorbildliche und beneidenswerte HOG-Organisation (Honda Offenbach dagegen... - mies, sehr mies)
- und natürlich der hohe Wiederverkaufswert.

Aber die Nachteile wiegen deutlich schwerer:
- Beim stärkeren Bremsen hat man sofort einige Arbeit mit dem ausbrechenden Hinterrad
- Kein Hauptständer
- Kein Seitengriff zum Rangieren
- Keinerlei Wind- und Regenschutz, die kleine Scheibe ist eigentlich nur zur Dekoration da. Wenn ich etwas schneller fuhr, wurden sofort meine Schnurrbarthaare vom Fahrtwind aufgerichtet. Ein offener Jethelm ist daher bei Kälte und Nässe auf einer Harley unangebracht. Und ein geschlossener Vollvisierhelm sieht bestimmt ziemlich bescheuert aus. Und nass wurde ich ja auch genug. Auf einer Harley sollte man also nur bei schönem Wetter rumfahren.
- Kaum Windschutz für die Hände, weil die Spiegel viel zu klein sind
- Top-Case nicht sicher verschließbar, man kann es, ohne aufzuschließen, ganz leicht öffnen, indem man den Deckel nur leicht nach vorne drückt
- Verschlussklappen der beiden Seitenkoffer hakelig und fummelig
- Kein Zündschloß/Zündschlüssel. Der Schlüssel wird nach dem Aufschließen in die Tasche gesteckt und ist daher leicht verlierbar
- Kein Lenkschloss, man muss das Moped abends immer mühsam mit Zusatzschlössern vorne und hinten abschließen

- Benzinanzeige sehr ungenau
- Bedienelemente am Lenker total unpraktisch,
z.B. separate Blinkerbetätigung am rechten und am linken Griff (ja, wie bei BMW);
Anlasser gegen versehentliches Betätigen während der Fahrt nicht geschützt (besonders blöd mit dicken Handschuhen);
zum Ausmachen muss man immer den Killschalter verwenden;
unpraktische Radio/CD-Bedienung usw.

Von ABS, CD-Wechsler, Tempomat, Rückwärtsgang, Fußheizung, Handschuhfächern vorne (die ich besonders an den Zahlstationen unheimlich vermisst habe) und den vielen zig anderen Komfort- und Sicherheits-Einrichtungen einer GoldWing will ich gar nicht erst reden.

Dazu eine mühsam erreichbare Höchstgeschwindigkeit von ungefähr 105 mph (= ca. 170 km/h) im Vergleich zu lockeren über 200 km/h auf einer GoldWing.

Man muss halt entscheiden: Will ich nur eine Kutte mit den "richtigen" Aufnähern tragen und dafür unheimlich viele Nachteile in Kauf nehmen - oder will ich ein sicheres und komfortables Motorrad fahren, dass jeder Harley tausendfach überlegen ist.

Also, ich bin zweimal Harley gefahren, mein erstes und mein letztes Mal.

In diesem Zusammenhang ist mir folgender Nachsatz sehr wichtig: Ich habe natürlich nichts gegen Harley-Fahrer. Ich habe selbst (noch) einige gute Freunde, die eine Harley fahren. Einer ist sogar HOG-Member und gleichzeitig mein Freund. (Ich hoffe sehr, dass Ihr mir jetzt nicht alle die Freundschaft aufkündigt, liebe Freunde. Zur Wiedergutmachung gebe ich Euch demnächst einen aus...)

P.S.: Meinem Freund Craig ist nichts darüber bekannt, dass in Illinois irgendwie schlechter GPS-Empfang sein soll. Und die Firma TomTom äußert sich natürlich auch nicht dazu. Aber ich habe sowieso nur mit unbrauchbarem Geschwätz von dort gerechnet. Offenbar ist TomTom sehr kundenunfreundlich und man muss wohl immer mit irgendwelchen Ausfällen rechnen. Ich reduziere meine Empfehlung für TomTom-Produkte und speziell für das GO 910 daher in eine nur noch neutrale Empfehlung. (Es geht halt nichts über mein Garmin 2610. Das hat mich noch nie im Stich gelassen!)

Eine Bitte zum Schluss:

Sollte wirklich jemand bis hierher gelesen haben,
so bitte ich ihn und sie, an einer kleinen Abstimmung mitzumachen.

Soll ich weiter meine Reiseberichte schreiben und hier
veröffentlichen - oder interessiert sich vielleicht niemand dafür???
Über jede Antwort, im Gästebuch oder per e-mail,
wilf(a)pyrofag.de
ob positiv, ob negativ, bin ich dankbar.

P.S.2: Alle meine USA-Reiseberichte auch unter

www.wilfi.de

© Wilfried Virmond, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Auf einer Harley-Davidson Electra-Glide durch den Indian Summer in Illinois, Iowa und Missouri
Details:
Aufbruch: 10.10.2006
Dauer: 12 Tage
Heimkehr: 21.10.2006
Reiseziele: Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Wilfried Virmond berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Wilfried sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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