Eine Hochzeit auf Djerba

Reisezeit: August 2002  |  von Regine Lorenz

Hochzeitsrituale und Feiern auf Djerba - Tunesien

1. Tag der Hochzeit

Ich war auf einer Hochzeit auf Djerba.....
So ganz war mir nicht klar, auf was ich mich da einlasse. Ich war zwar im Laufe der Jahre schon auf vielen Hochzeiten in Tunesien, aber noch nie so nah dran. Es sollte eine traditionelle Hochzeit werden. Nashoua (die Braut) bereitete sich bereits seit Monaten auf diese Hochzeit vor. Sie ging nicht mehr aus dem Haus (damit die Haut so weiß wie Sahne wird) und sie zeigte allen Angehörigen und Gästen, daß sie ein untadelige Hausfrau ist. Was in ihrem Kopf vorging, was sie fühlte, weiß keiner und sicher war da auch eine gehörige Portion Unsicherheit und Angst mit dabei.
An dem Tag als ich ankam sollte die zivile Trauung sein. Die Ehe in Tunesien ist ein ziviler Akt und wird vor dem Amt mit Brief und Siegel bestätigt. Und es ist die Ein-Ehe, d.h. obwohl Tunesien ein muslimisch geprägtes Land ist, darf jeder Mann nur mit einer Frau gleichzeitig verheiratet sein. Dieser Ehe gehen auch die (berüchtigten) Ehefähigkeitszeugnisse voraus. Diese haben allerdings auch einen wirklichen Nutzen: Da nach wie vor sehr viele Verwandschaftsehen geschlossen werden, wird mit diesen Tests ein Inzest ausgeschlossen und Erbkrankheiten sollen somit vermieden werden. Eine Ehe ist erst ab dem 3. Grad gestattet, also ab dem Großcousinen-Status. So wie bei Neshoua und Sofian. Beide kennen sich bereits seit langem und sind seit zwei Jahren verlobt. Und es gab Diskussionen, ob die beiden auch zusammen passen. Vor allem fanden diese Diskussionen zwischen Nashoua und Sofian statt. Die Eltern hatten zwar vorher mehr oder weniger ebenfalls ausgemacht, daß die beiden doch heiraten könnten, aber die beiden waren zu Anfang doch sehr skeptisch, ob denn auch eine Ehe funktionieren würde. Und das haben auch beide lautstark kundgetan. Seit der Verlobung haben sich die beiden allerdings sehr häufig gesehen und so auch recht gut kennengelernt.

In Tunesien finden die Hochzeitsfeiern nach Männern und Frauen getrennt statt. Das heißt auch die zivile Trauung findet getrennt statt. Im Haus der Männer wartet Sofian mit Verwandten, Freunden und Bekannten auf den Standesbeamten um die Ehekontrakte zu unterzeichen. Er wird vom Beamten gefragt, ob er seine zukünftige Frau gut behandeln wird und welche Morgengabe er zu zahlen gedenkt. Das "Gute Behandeln" muß er vor Allah beschwören, die Morgengabe ist beim zivilen Akt der symbolische Dinar, den der Beamte entgegennimmt. Wenn alles unterzeichnet ist, geht der Beamte ins Haus der Frauen. Nashoua wartet völlig verhüllt in einem Zimmer mit ihrer Mutter, einer Lieblingstante und mir auf den Beamten. Die anderen Frauen warten gespannt im Hof. Dem guten Mann ist sichtlich unwohl bei soviel Frauen und er hat zwei männliche Zeugen dabei, die nicht minder verängstigt dreinsehen. Jetzt wird Nashoua zuerst gefragt, wer sie ist, ob sie mit dieser Ehe überhaupt einverstanden ist und ob sie ihren Ehemann denn schon kennt. Hinter dem Schleier ertönen die Antworten. Als Nashoua in die Ehe einwilligt und alles unterschrieben ist, ertönenen die schrillen Juju-Rufe der Frauen im Hof. Und der symbolische Dinar wird übergeben....danach verdrücken sich die Männer schnellstens wieder! Soviel als möglich Frauen versuchen nun in die Nähe der Braut zu gelangen, um ihr zu gratulieren. Nach einer Weile werden wieder alle rausgescheucht. Jetzt gibt es erst mal was zu essen: Marka und Couscous...beides in der traditionellen Zubereitung! Nach dem Essen holen ein paar Frauen die Darboukas (Trommeln) und fangen zu singen und tanzen an. Nashoua, ihre Tante (die wohl auch so etwas wie die Hüterin über Sitte, Anstand und Moral ist) bleiben noch im Zimmer, denn jetzt wird der 1. Henna-Abend vorbereitet. Das Henna wird angesetzt und mit Blüten, Kerzen und süßen Mandeln verziehrt. In Tunesien gibt es zwei Sorten Henna. Das Henna Rouge erzeugt ein tiefdunkelrote Farbe und wird mit Rosenöl, Wasser und Zitronensaft vermnegt bis eine zähe Paste entsteht. Diese wird aufgetragen und immer wieder mit Zuckerwasser betupft, damit das Henna feucht bleibt. Die behandelten Hautstellen werden sorgfältig mit Watte und Stoffen abgedeckt und sollen über Nacht einwirken. Je nach Hauttyp kann das vom dunklen Orange bis zum statten dunkelrotbraun jede Schattierung annehmen. Bei der Hochzeit wird jedoch noch viel lieber das Henna Noir verwendet. Zusätzlich zu den obigen Zutaten werden noch getrocknete rote Malvenblüten und ein wenig Benzin zugegeben. Das Henna Noir bleibt auch nur zwei Stunden auf der Haut. Durch das Benzin wird die Farbkraft verstärkt und beschleunigt und die Färbung auf der Haut fast schwarz. Bei Hochzeiten wird das ganze an zwei Abenden hinter einander aufgetragen. Für Nashoua wurde das Henna Noir angerichtet.

Eine sehr alte weise Frau betritt den Raum. Sie wird Nashoua vor dem bösen Blick schützen und sie von allen schlechten Einflüssen reinigen. Auf dem Kanoon werden die Kohlen angeheizt. Die Türen werden verschlossen. Nashoua entkleidet sich und wird von der alten Frau mit Salz und Schwarzkümmel abgerieben. Danach geht sie mehrmals über dem reinigenden Weihrauch hin- und her! Jetzt darf sie sich mit Rosenwasser waschen. Bei der Hitze in dem Zimmer und bei dem Rauch hätte ich das gerne gehabt!! Draußen wird gesungen und getanzt. Immer wieder klopft jemand an die Tür und fragt nach der Braut...wann sie denn für das Henna bereit wäre. Nachdem Nashoua sich wieder angezogen hatte und den Schleier angelegt hatte (nur die engsten Vertrauten dürften die Braut sehen) gehen wir alle in den doch deutlich kühleren Innenhof! Männer trauen sich jetzt gar nicht mehr rein. Höchstens mal Nashouas kleiner Bruder Hamdi, aber auch er ist bei soviel geballter Weiblichkeit verschüchtert und flüchtet bald wieder. Auf Matrazen und Matten haben es sich alle bequem gemacht und die Hände und Füsse vieler Frauen (außer denen, die es schon Hennaverziert sind) werden abgeklebt und anschließend mit der Hennapaste bestrichen. Bis vier Uhr morgens erklingen die Lieder und die Trommeln. Dann verstummen auch die letzten und der Hof mit allen Frauen fällt für kurze Zeit in Schlaf.

© Regine Lorenz, 2004
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Die Reise
 
Details:
Aufbruch: August 2002
Dauer: unbekannt
Heimkehr: August 2002
Reiseziele: Tunesien
Der Autor
 
Regine Lorenz berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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