Weihnachten in Guatemala

Reisezeit: Dezember 2007 - Januar 2008  |  von Beatrice Feldbauer

TamTam

Vor meinem Hotelfenster wird ein TamTam geschlagen. Dazu ertönt leise eine Flöte. Ich schaue hinaus und sehe zwei Feuerschlucker, die ihr Feuer durch die Luft wirbeln lassen. Immer lauter tönt das TamTam, immer schneller der Rhythmus, immer schneller drehen sich die Gaukler mit dem Feuer und plötzlich verstummt der Klang, der Tanz ist aus.

Hinter mir liegt ein Tag voller Emotionen. Am Morgen traf ich mich nach dem Frühstück mit David. Ich wollte heute seine Familie besuchen. Doch vorher ging ich mit ihm auf den Markt. Ich wollte etwas mitbringen, das die Familie wirklich brauchen konnte. Er sollte mir helfen, das richtige einzukaufen. Ich liebe es, auf den Markt zu gehen und wirklich einzukaufen und nicht nur hindurch zu laufen. Zuerst gingen wir zum Lebensmittelhändler. Reis, Zucker, Oel, Milchpulver, Kaffee, Tee, Spaghetti, Zahnpasta und Seife kauften wir ein. Dann ging es weiter zu den Gemüseständen. Hier gab es Gurken, Radieschen, Peperonicini - die kleinen grünen scharfen, Kartoffeln und dann noch zu den Früchten. Ananas, Melonen und eine Wassermelone, ein paar Trauben und ein paar Äpfel liessen wir uns einpacken.

Es war eine Freude, wie David genau acht gab, dass ich nicht zu viel bezahlte und dass die Ware auch wirklich gut war. Bestimmt hat er noch nie so eingekauft, aber er liess sich nichts anmerken

Zum Glück stand ein TucTuc bereit, das uns mit unseren Einkäufen hinunter zum Hafen brachte. .

Mit dem Schiff fuhren wir über den See, wo bereits wieder ein TucTuc bereit stand, das uns den ganzen Tag herum führen sollte. David hatte das richtig durchorganisiert. Seinen Bruder sahen wir übrigens nicht, der war in Panajachel geblieben, verkaufte Kugelschreiber und war froh, nicht noch einen Tag mit dieser Ausländerin verbringen zu müssen. Noch einmal gingen wir auf den Markt, denn ich wollte noch ein paar Eier besorgen.

Und dann fuhren wir zu David nach Hause. Seine Grossmutter wartete schon vor dem Haus. Rasch fuhr sie sich nochmals übers Haar, kontrollierte, ob alles richtig sass und staunte, was wir beide alles anschleppten. Wir wurden herzlich begrüsst und setzten uns in Davids Zimmer aufs Bett. Eine andere Sitzgelegenheit gab es nicht.

Sogar Grossvater war da, nüchtern, wie es aussah und bedankte sich ausführlich für die Hilfe, die ich seinem Neffen und seinem Sohn gäbe. Dann packten wir die vielen Plastiksäcke aus und das Staunen fing an. Sie konnten ihre Gefühle nicht wirklich richtig zeigen, es war wahrscheinlich einfach zu viel für sie, aber die Emotionen waren spürbar. Und dann hob Isabel, die ältere Schwester (Tante) zu einer Dankesrede an, und liess sich überhaupt nicht mehr unterbrechen.

Isabel

Isabel

GRossvater wollte mir unbedingt seinen Arbeitsplatz zeigen. Er war sehr gut aufgelegt und liess sich bereitwillig hinter seinem Webstuhl fotografieren. Auch für das Familienfoto stellten sich alle voller Freude auf.

Abuelo Francisco an seinem Webstuhl

Abuelo Francisco an seinem Webstuhl

Wie die Familie wohnt? In einem Zimmer ohne Fenster mit nur einem Bett wohnen David und Francisco Elias sowie ein weiterer Bruder. Im anderen Zimmer die Grosseltern mit den beiden jüngsten Kindern. Es gibt eine winzige Küche, mehr eine Kochgelegenheit und die kleine Werkstatt des Grossvaters. Stühle habe ich keine gesehen, ausser einem kleinen Schemel in der Küche. Isabelle wohnt nicht mehr zuhause, sie ist seit einem halben Jahr verheiratet. Ich liess mir die Namen und Geburtstage der Grosseltern geben und stellte verwundert fest, dass Dolores, so heisst die Grossmutter, gerade mal ein Jahr älter ist, als ich.

Abuela Dolores

Abuela Dolores

Es war Zeit, weiter zu gehen, Davids Mutter erwartete ebenfalls unseren Besuch. Für sie hatten wir die Hälfte der Einkäufe vorgesehen und so fuhren wir mit dem TucTuc weiter.

Es muss ein grosser Tag gewesen sein für die Familie. Mama bat uns, auf dem Bett Platz zu nehmen, in dem wie ich erfuhr, die ganze Familie schlief. Mama, ihr Mann, der 3-jährige Diego und Lolita, die 14-jährige Tochter des Stiefvaters, die aus einer früheren Beziehung stammt, und die ich heute zum ersten Mal sah.

Die Familie wohnt und arbeitet in einem Zimmer. Wenigstens gab es hier genug Licht, denn es gibt ein grosses Fenster. Das ist auch nötig, denn beide sind Sticker. Hier in Santiago werden wundervolle traditionelle Stickereien hergestellt. Hauptmotiv sind Vögel. Ich hatte ihnen ein Buch mit vielen Vögeln mitgebraucht, das hatten sie sich gewünscht, um mehr Vorlagen zu erhalten.

Der Arbeitsplatz von Andrés, dem Stiefvater

Der Arbeitsplatz von Andrés, dem Stiefvater

Ich glaube, ich konnte nicht nachempfinden, was für Gefühle, ich in den Leuten geweckt hatte, aber David sagte mir später im TucTuc, seine Mama sei muy muy muy muy feliz. Ich hatte David gefragt, was sie denn normalerweise zu Hause essen würden. Vor allem Frijoles (schwarze Bohnen) und Tortillas (Maisfladen). Manchmal Fisch, wenn David dem Fischer half, manchmal Reis, Bananen, Avocados. Etwa zweimal im Jahr gab es Melonen und noch nie hatte man Äpfel oder gar Trauben gesehen. Von den Trauben bekam David übrigens nichts mehr, denn die waren am Abend, als er zurückkam, alle gegessen.

Unterwegs im TucTuc

Unterwegs im TucTuc

Wir fuhren mit dem TucTuc weiter, denn ich wollte noch den Maximon besuchen, diesen komischen Heiligen, der als Überbleibsel von den Spaniern von vielen Guatemalteken wie ein Gott behandelt wird.

Er kommt ihnen mit seinen Vorlieben sehr entgegen, denn es werden ihm vor allem Zigaretten, die er zum Teil sogar selber raucht, Schnaps, den vor allem seine Begleiter trinken und Geld geopfert. Daneben werden aber auch Kerzen gebracht und Blumen. Jedes Jahr wohnt er in einem anderen Haus einer Bruderschaft und nur Eingeweihte wissen, wo er sich gerade befindet. Dass die Eingeweihten vor allem kleine Buben sind, die den Touristen eine Führung zum Maximon anbieten und ausserdem alle TucTucfahrer, ist vielleicht nur ein Zufall. Touristen sind willkommen, dürfen auch gerne Fotos machen, aber diese müssen bezahlt werden. "Ein gutes Geschäft" meinte ich zu einem seiner Beschützer. Das wollte der aber nicht auf sich sitzen lassen und erzählte, dass die verschiedenen Feste immer sehr viel Geld brauchen würden. Reich könne man davon nicht werden. Ich liess es dabei bewenden, zahlte meine beiden Fotos und schoss gleich noch ein paar zusätzliche, die dann doch nicht mehr kassiert wurden.

Nächster Programmpunkt war ein kurzer Halt bei der Lavanderia Maya, der Waschküche der Mayas. Hier im See waschen noch immer viele Frauen ihre Wäsche.

Jetzt war es Zeit für ein spätes Mittagessen. Wir hatten beide Hunger und David liess es sich nicht nehmen, mir eines der besten Hotels im Ort zu zeigen. Dass in dem Restaurant nur Hotelgäste bedient wurden, konnte er nicht wissen, denn er war noch nie hier gewesen. Ja, er war, abgesehen von meinem Besuch noch nie in einem Restaurant gewesen. Wenn er den ganzen Tag seine Kugelschreiber anbietet, braucht er jeweils für Frühstück und Mittagessen ca. 30 Q. Dazu kommen die zwei Fahrten über den See mit nochmals 30 Q. Es kommt vor, dass er den ganzen Tag nichts verkauft.

Heute aber genoss er das Mittagessen im vornehmen Hotel Bambo. Er benutzte sogar sein Messer, um das ganze Schnitzel zuerst in kleine Stücke zu schneiden, damit er es danach besser mit der Gabel essen konnte. Nein, zuhause würden sie überhaupt kein Besteck benutzen, höchstens einen Löffel für Suppe. Den Rest ässen sie von Hand, mithilfe der Tortillas.

Nach dem Mittagessen brachte mich das TucTuc zurück an den Strand, von wo ich zurück nach Panajachel fuhr. Müde von einem Tag voller Eindrücke und tiefer Emotionen.

Noch ein kurzer Besuch in der Sunset Bar. Die Sonne war zwar schon untergegangen, aber ich genoss eine kühle Margarita und liess mich von der Live-Musik tragen.

Es ist Samstag-Abend. Irgendwo tönt eine Disco. Die Strasse vor meinem Fenster ist noch voller Leben. TucTucs, Pickups und Mercedes fahren vorbei, Menschen schlendern die Strasse entlang. Die vielen Stände mit den Handarbeiten und Halsketten in allen Varianten sind noch offen. Das Tamtam hat seinen Rhythmus wieder aufgenommen. Gleichmässig, konstant und durchdringend. Es wird mich wohl in den Schlaf trommeln.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Zum 6. mal in Guatemala, das erste mal allein und ganz ohne spezielles Programm. Einfach nur da sein, Stimmungen fuehlen, Freundschaften auffrischen, Geschichten hoeren und erzaehlen. Vielleicht interessiert sich jemand fuer diese Art der Reisebeschreibung...
Details:
Aufbruch: 21.12.2007
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 08.01.2008
Reiseziele: Guatemala
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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