MAL EBEN KURZ NACH ERITREA

Reisezeit: April 2005  |  von Uwe Decker

Spaziergang durch Egada

Später gehen wir etwas durchs Viertel spazieren. Am Tante Emma Laden an der nächste Ecke machen wir halt und trinken eine kalte Cola, 25 Cent. Die Besitzerin möchte fotografiert werden. Als ich meine Kamera hervorhole und ihr das Ergebnis im Display zeige, kommen Kinder angelaufen, wollen sich auch darin ansehen. Deren Anzahl wird immer größer, sie gebärden sich immer wilder und entreißen mir schließlich die Digicam. Erwachsene kommen aus den Häusern und sehen nach, welches der Grund für den Auflauf ist.

Zurück bei Nejat schaue ich mir auch den Hof genauer an. Zwei Hühner werden durch ein Band um ihre Füße am Weglaufen gehindert, ein Hund ist an eine Baum festgebunden und kläfft fürchterlich. Am Zaun lehnt ein Fahrrad, völlig verdreckt, sieht aber sonst gar nicht so schlecht aus. Hinten ist tiefer Morast. Eine Ecke ist mit ein paar Brettern und einem Vorhang abgetrennt. Ich schaue durch und sehe einen Erdhaufen mit einem Loch in der Mitte. "Meine Toilette" sagt Nejat und schmunzelt etwas verlegen. 400 Nakfa kostet das ganze Monatsmiete, gut 20 Euro. Nur wenig mehr verdient sie im Beauty Salon, ohne Trinkgelder. Neben dem Tor hängt ein Teil von einer Ziege über dem Zaun. Aha, Voodoo ? - "Nee, Reste vom Essen, wird morgen abgeholt."

Einen Tag später spiele ich mit Fre, einer Freundin von Nejat, und ihrer Schwester, etwas Basketball, auf dem Hof eines benachbarten Hotels. Sie ist begeisterte Basketballerin und Nejat hat ihr erzählt, dass ich auch spiele. Hinterher gehen wir noch etwas Trinken. Fre wohnt auch in Edaga und fragt mich, wie es mir dort gefallen hat. "Gut", sage ich nur. Was soll ich sonst darauf antworten.

Und noch etwas erfahre ich an diesem Nachmittag. Nejat hat nicht nur ihre Eltern im Krieg verloren, sie wurde auch von der Schulbank direkt in den Krieg geschickt, 1999 und 2000, bis es zum Waffenstillstand und der Einrichtung einer UN-Sicherheitszone kam. Sie kämpfte an irgendeiner Geschützstellung, mit 16, 17 Jahren. Sie erzählt das so, als ob sie ankündigt, morgen gäbe es anderes Wetter. Ich werde eine Weile ganz still, das muss ich erst einmal verdauen. An den letzten Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea kann ich mich noch aus dem Fernsehen erinnern. Ich war schon damals fassungslos wie zwei derart arme Länder um ein Stück wertloses Land einen Krieg beginnen können, auch wenn in Wahrheit natürlich mehr dahinter steckte. Es kämpfte Not gegen Elend, kein HighTech Krieg, sondern Mann gegen Mann, auf seiten Eritreas auch Frau gegen Mann, mit horrenden Opferzahlen. Für mich ist Afrika nicht nur Abenteuer, es bedeutet auch eine gigantische Vergeudung menschlicher Ressourcen.

© Uwe Decker, 2005
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Die Reise
 
Worum geht's?:
10 Tage am Rande Afrikas
Details:
Aufbruch: 13.04.2005
Dauer: 11 Tage
Heimkehr: 23.04.2005
Reiseziele: Eritrea
Asmara
Der Autor
 
Uwe Decker berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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