Levanto und Cinque Terre

Reisezeit: Juni 2009  |  von Kathrin Hentzschel

Steil am Seil und Hagelschlag

Vernazza, unseren zweiten Cinque-Terre-Ort, erobern wir auf dem Seeweg. Das ist wenig spektakulär. Vernazza hingegen schon. Die Häuser stehen so eng, dass sich die gegenüberliegenden Nachbarn die Hand durchs Fenster reichen können. Es geht durch allerengste Gässchen auf und nieder, treppauf, treppab; als Schwalbennest-Paparazzo sieht man dem gelbschnäbeligen Nachwuchs direkt in die Knopfaugen. Die Bahnstrecke verläuft zum Teil unterirdisch, weil so wenig Platz; der Zug steht größtenteils im Tunnel, wenn er in Vernazza hält, und wenn ein IC durchrauscht, bekommt die Wäsche an der Leine Bügelfalten. Das ist die romantische Seite. Weniger romantisch ist die gandenlose Überfüllung. Ein Laden, eine Bar neben der anderen (von letzteren könnte Levanto übrigens ein paar gebrauchen - die wenigen Plastik verhangenen Fressbuden sind das einzige, was uns nicht so gut an L. gefällt).

Das setzt sich auf dem Wanderweg nach Corniglia fort - an vielen Stellen geht es nahezu im Gänsemarsch voran. Die Wanderer unterteilen sich in die Hochgebirgsfraktion mit Trinkschlauch am Rucksack, Beduinenschleier um den Kopf und den unvermeidlichen Stöcken am Arm, und in Flipflops mit ausgebreiteten Armen um Balance ringende englischsprechende junge Damen. Beide Bekleidungsstile sind dem Schwierigkeitsgrad der Strecke nicht angemessen. Obwohl, ersteres durchaus, wollte man die gesamte ligurische Küste von Genua bis La Spezia über Bonadingensbach, Monterosa, Vernatscha und Motorola (wie Urban zu sagen pflegt) abwandern. Das ist erstens lang, und zweitens sind manche Abschnitte wirklich anspruchsvoll.

Zum Beispiel, wenn man ein Schild mit der Aufschrift "Nude beach" entdeckt, das einen 15-minütigen Weg verspricht und steil nach unten zeigt. Weil es inzwischen sehr heiß geworden ist, will man da auch unbedingt runter. Dorthin geht es an die 100 Meter bergab. Und zwar so steil, dass Seile angebracht sind, derer man sich gerne bedient. Das ist strapaziös, und der Aufstieg zurück kaum weniger. Doch wir behaupten steif und fest, dass sich das Bad unten neben einem stillgelegten Tunnel der vormaligen Küstenbahnstrecke gelohnt hat ...

Kaum haben wir Corniglia, 80 Meter auf einen Felsen oberhalb des Meeres wie ein Schwalbennest angeklebt, erreicht, beginnt es - zu hageln. Wir hasten in eine kleine Bar und trösten uns mit einer äußerst leckeren Foccaccia. Viel sehen wir wegen des Wetters nicht von diesem entzückenden kleinen Ort, den wir über die Treppe zum Bahnhof, die so viele Stufen wie das Jahr Tage hat, verlassen. Aber allein wegen des Essens will ich noch mal her!

An diesem Abend bin ich platt. Wie tot falle ich in der Pension Flussbett ein und verzichte sogar auf mein allabendliches Bad im Meer - etwas, das ich sonst sehr genieße, denn es ist meine Stunde, in der ich, bevor die Sonne hinter einem Felsen verschwindet, noch ein wenig im warmen Kies döse und dann ein paar Meter entlang der Küste schwimme.

Häuser in Vernazza ...

Häuser in Vernazza ...

... in die viele Treppen führen

... in die viele Treppen führen

Der Beweis: Man braucht das Seil wirklich

Der Beweis: Man braucht das Seil wirklich

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Ioana ist schuld. Hätte sie mir nicht zum Geburtstag ein Buch über die 100 schönsten Nationalparks der Welt geschenkt, wären wir nie nach Italien, und eben dort in den Nationalpark Cinque Terre, gefahren. So aber taten wir’s.
Details:
Aufbruch: 17.06.2009
Dauer: 14 Tage
Heimkehr: 30.06.2009
Reiseziele: Italien
Der Autor
 
Kathrin Hentzschel berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.
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