Fünf auf einen Streich

Reisezeit: Juli / August 2011  |  von Andrea Wechsler

Las Palmas - Stadt unterm Eselsbauch

Gran Canaria - die Vielfalt der Landschaften macht die Insel zu einem Miniaturkontinent. Das Landesinnere von Gran Canaria ist auf einer Länge von 1000km durch Wege erschlossen - keine andere Kanareninsel besitzt ein derartiges Wanderpotenzial.
Auf der Busfahrt nach Las Palmas, vorbei an steppenartigen Schlackenhalden, bäumt sich schon das Inselinnere auf, unsere Augen versuchen, den höchsten Berg, den Pico de Las Nieves zu erhaschen. Die berühmte Wolken-Glocke, die hier ganz speziell "panzo de burro -der Eselsbauch", genannt wird und ein undurchdringliches Grau zusammenbraut, verhöhnt den heiß ersehnten Postkartenhimmel. Ein komisches Wetter, hören wir immer wieder, und in diesem Jahr sei es besonders hartnäckig. Vor unserem geräumigen Pensionszimmer im Stadtteil Santa Catalina in unmittelbarer Hafennähe hängen blaue Netze, - die Fassade wird gebaut und dennoch können wir auf den von Palmen gesäumten Platz mit einer riesigen Bühne blicken, wo eine Klangprobe für ein Konzert das Interesse unserer Ohren weckt. Nicht allein orientalisches, sondern internationales Flair prägt Las Palmas. Ist es die Nähe Afrikas, die für das quirlige, exotische Temperament dieser Stadt, die unglaublich kosmopolitisch wirkt, sorgt? Neben den vielen engstehenden hohen Bauten, sind es die zwei markanten, riesigen Hoteltürme, die uns immer wieder als Orientierung dienen. In einem leicht geschwungenen Bogen zieht sich der 3 km lange Stadtstrand Playa de las Canteras, gesäumt von Lampen, die die Form von Segeln haben, vom Hafen bis zum Alfredo-Kraus-Auditorium. Ein vorgelagertes Riff(La Barra) schützt vor starker Brandung. Jugendliche tummeln sich im Wasser und nutzen die Wellenbrecher zum Bodyboardern. In der Ferne lugt derPico de Gáldar kegelförmig hervor. Skater am Meer, Jogger Walker, Bodyboarder, Surfer - Menschen so bunt, wie die Steinkonglomerate, die wir am Canteras-Strand sammeln. Und dann stehen wir plötzlich vor dem gewaltigen, meergrünen Alfredo-Kraus-Monument und spüren: Las Palmas hat in jeder Hinsicht viel zu bieten: - Universitätsstadt, Stadt des Internationalen Filmfestivals und Drehkreuz des Schiffsverkehrs und: Las Palmas scheint nie zu schlafen: laute Gespräche auf den Straßen, Begängnis und ständiger Autoverkehr die ganze Nacht- eine Geräuschkulisse, die trotz alledem- beruhigend wirkt und uns wunderbar schlafen lässt.

Am nächsten Tag bleibt unter uns die "Grauzone "Las Palmas" zurück. Über "La cumbre", den Bergen im Inselinneren winkt uns blauer Himmel. Neben uns an der Straße Eukalyptus-Bäume. Wir stellen den Mietwagen am Cruz de Tejeda ab, schlüpfen in die Wanderstiefel. Ein markanter Felsfinger, der Roque Nublo thront majestätisch über der Caldera de Tejeda, wie ein aufgesetzter Keil, der sich in den Himmel bohrt. Wir aber wollen zum Pico de Las Nieves, dem höchsten Berg von Gran Canaria.
Auf dem Weg hoch zur Degollada Becerra spenden herrliche Pinien Schatten. Alsbald gibt es Unstimmigkeiten mit der Karte und den Wegweisern, wir eiern mit unseren Weg-Entscheidungen herum, laufen daraufhin ein Stück Weg wieder zurück. Während einer Rast ein plötzliches Rascheln hinter uns: zwei klapperdürre Hunde erscheinen und schauen uns erwartungsvoll an. Einem Weibchen mit einer Kette um den Hals, deren Zitzen hervorstechen, geben wir zwei Scheiben Wurst, die sie sofort verschlingt. Hunde auf Gran Canaria sind wohl kein Zufall - schon im Altertum wurden hier große, wilde Hunde entdeckt, worauf die Römer die Insel: Insulae Canariae - Insel der Hunde - nannten. Der Weg ist noch weit und es gelingt uns, ein Auto mit zwei Männern zum Anhalten zu bringen. "hacemos una buena accion" sagen sie, auf Deutsch:"vollbringen wir mal eine gute Tat." Sie sind Mitarbeiter des Höhlenmuseums und fahren uns hoch bis auf den Gipfel, wo sie uns auf Deutsch den Rundblick vom 1949m hohen Gipfel erklären. Die Dünen von Maspalomas blinken weiß im Süden, der Teide auf Teneriffa zeigt sich stolz wie eine Wasserburg. Hier, auf dem höchsten Punkt der Insel hat sich der 62jährige Pepe mit seinem Verkaufswagen fest gesetzt, verkauft Kaffee für 1 €, Aloe Vera und Feigenbrot, witzelt gern mit den Gipfelstürmern und spricht dabei auch ein paar Brocken Deutsch. Er ist der König vom Pico de Las Nieves, der hier ganz oben steht. Dafür steht kein einziger Baum auf dem Gipfel. Die Steine glühen, sie brummen vor Hitze. ...

Maspalomas - olé, olé- wir wollen es wissen, wie es ist, das Strandleben im Süden und er-fahren es am vorletzten Urlaubstag mit einem Bus, der nach einer Fahrt durch ein furchterregendes Hotellabyrinth im ewig sonnigen Faro de Maspalomas, dem südöstlichsten Punkt des Kanarischen Archipels, endet. Ein Konglomerat von Leibern, Liegen und Hotelburgen, die eher goldene Käfige sind. Den weiten Strand von Maspalomas laufen wir entlang und suchen den Einstieg in die Dünen-Route. Noch vor Jahren waren die Dünen, die aus zerriebenem Muschelkalk bestehen, 25 m hoch. Jetzt sind sie geschmolzen, stehen aber unter Naturschutz und dürfen nur zu Fuß oder mit Kamelen betreten werden. Wir entscheiden uns für die Füße, finden nach einer Weile den Zugang und empfinden Wüsten-Feeling, als wir in der größten Mittagshitze den heißen Sand selbst durch die Schuhe hindurch spüren und immer wieder in ihm versinken. Und wir gelangen zu weiteren neuen Einsichten: in den Büschen der Dünen sitzen nackte Männer und warten wohl auf Rendezvous der speziellen Art. Wer ist heißer - der Sand oder sie? Maspalomas - olé, olé -oje, oje...
Der Abschied von den Kanaren ist hingegen grandios. Ein Tschaikowski-Konzert gratis durchs Fenster, auf dem Platz vor unserer Pension in Las Palmas.

Der Rückflug verlangt uns noch mal alles ab. Kein Wunder, nun fliegen wir mit der ältesten Maschine von "Spanair", der MD_ 83. Gestresstes Bord-Personal. Sitzplätze in der vorletzten Reihe. Es ist eng und laut. Die Stewardess erhält über dem Alpenraum einen Anruf aus dem Cockpit. Was folgt, sind mittelschwere, aber lang andauernde Turbulenzen. Und wir fragen uns: Wird's die alte Schachtel aushalten?

Andrea Wechsler

© Andrea Wechsler, 2011
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Fast gleichmäßig verstreut liegen die sieben Kanarischen Inseln im Atlantik. Fünf von ihnen wollten wir innerhalb von drei Wochen mit dem Rucksack erkunden. Dies sollte wahrhaftig eine logistische Herausforderung werden. Da sich Teneriffa als Drehkreuz des Flug- und Fährverkehrs herausstellte, strickten wir nach langem Überlegen unser Erkundungsmuster: Dresden - Teneriffa - Gomera - El Hierro - La Palma - Gran Canaria - Dresden.
Details:
Aufbruch: 16.07.2011
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 06.08.2011
Reiseziele: Spanien
Der Autor
 
Andrea Wechsler berichtet seit 12 Jahren auf umdiewelt.