Georgien und Armenien (Oktober 2013)

Reisezeit: Oktober 2013  |  von Adi Meyerhofer

Kutaisi und Umgebung

Wieder in Georgien stand gleich ein Kleinbus abfahrtbereit, so daß ich mir den weg zurück nach Zugdidi und zum Nachtzug sparen konnte.

Marshurtkas nach Kutaissi (sprich: Kutáischi) -- das ist die zweitgrößte Stadt Georgiens und Hauptstadt der Region Imeretien -- fahren alle zur Busstation am Bahnhof "Kutaissi 2" etwa 5 km von der Innenstadt. Ein beim Mittagessen gestörter Taxifahrer sollte mich ins Kutaissi Hostel in der Salomon St. fahren, wußte aber nicht was gemeint war. Ein Kollege gab ihm einen Tip. Abgesetzt wurde ich (für günstige 5 L.) stattdessen bei der "Pension Suliko," betrieben von einem Rentner-Ehepaar, Suliko und Medico. Dies war ein Fehler des Taxlers, der sich als Glückstreffer erwies. Offiziell nimmt man 15 L. für die Übernachtung, 30 L. mit Halbpension. Nun ist es schlicht unmöglich dort nicht zu essen. Suliko ist eine begnadete Köchin und Medico sorgt für das berüchtigte "georgische Willkommen" in Form von sehr viel Flüssigem, nämlich hausgemachtem Wein und chacha aus Kuhhörnern. Getrunken wird prinzipiell auf Ex ("Gaumarchos"), das leere Horn auf den Daumennagel geklopft und der letzte Tropfen dann abgeschleckt. Es folgte eine Tour in den Keller, wo Medico mehrere große blaue Plastiktonnen mit Wein aus den hauseigenen Trauben (vergoren mit der Maische, was für den charakteristischen Geschmack sorgt) angesetzt hat. Sagen wir mal so, ich habe zwar noch eine Spaziergang durch die Stadt gemacht, war aber -- nachdem ich um halb acht ins Bettt bin -- auch am nächsten Morgen in keinem Zustand mit dem einzigen anderen Gast, einem Japaner, auch nur ein Wort zu wechseln. Als ich dann morgens zum Sightseeing aufbrach, mußte ich an Medico vorbei, der mir eine weitere Weinprobe und vier noch grüne aber schmackhafte Mandarinen vom Baum aufnötigte.

Blick über den Fluß Rioni.

Blick über den Fluß Rioni.

Das örtliche historische Museum in der Innenstadt (3 L.) ist klein und mager beschildert (z.B. "Textilien," "Töpfe"). Kleinere Einsichten zur Lokalgeschichte erhält man trotzdem. Die städtische Personalkantine war im Hinterzimmer. Im oberen Ausstellungsraum, wohl ehemals der Ballsaal, saßen drei "Wärterinnen." Die etwa 7jährige Tochter einer derselben nutzte einige Exponate als Spielzeug.

In der weiteren Umgebung gibt es einige sehr sehenswerte Klosteranlagen wie Gelati, Motsameta u.ä. Diese sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln schwer zugänglich. Eine der günstigen Tagestouren (um 40 L.) scheint ein sinnvolles Angebot.

Blick auf den Brunnen vor dem Theater am zentralen Platz des Ortes.

Blick auf den Brunnen vor dem Theater am zentralen Platz des Ortes.

Auf einem die Stadt überblickenden Hügel befindet sich die wieder aufgebaute Bregata-Kathedrale, die aus dem 11. Jhdt. stammt. Man hat aber schon auf das vierte Jhdt. datierbare Fundamente gefunden. Die Kirche wurde im frühen 18. Jahrhundert von muselmanischen Horden gesprengt. Über die letzten hundert Jahre (auch während der "bösen, bösen" Stalin-Ära) hat man aus den Trümmern die Kirche archäologisch sauber wieder aufgebaut. Dabei wird durch das Design deutlich, welche Originalsteine verwendet wurden. Die Neugestaltung des Innenraumes ist fast abgeschlossen. Im Vorhof lauert ein bärtiger mit georgischer Mütze bekleideter Chorsänger auf Touristen und versucht ihnen CDs oder Karten seines traditionellen Tsinandali-Chores aufzuschwatzen.

Blick über die Stadt durch ein Nebengebäude der am Hügel gelegenen Bregata-Kathedrale.

Blick über die Stadt durch ein Nebengebäude der am Hügel gelegenen Bregata-Kathedrale.

Die einzige original erhaltene Kuppel der Kathedrale, mit leider schlecht erkennbaren Fresken.

Die einzige original erhaltene Kuppel der Kathedrale, mit leider schlecht erkennbaren Fresken.


Eines der Dinge die Georgien so liebenswert machen sind die überall aufgestellten Parkbänke und Sitzgelegenheiten, oft improvisiert und meist gut schattig. Dabei stört es niemanden, wenn ein Fremder mal kurz rastet.

Nicht alle Sitzgelegenheiten sind so improvisiert, wie man unten sieht:

Nicht alle Sitzgelegenheiten sind so improvisiert, wie man unten sieht:

"Auf diese Bank aus Stein will ich mich setzen ..."

"Auf diese Bank aus Stein will ich mich setzen ..."


Als weitere Gäste in der Unterkunft kamen am nächsten Abend ein etwa 60jähriger polnischer Journalist, der sich als übler Angeber erwies (seiner Meinung haben "die Polen" nicht nur die Computer erfunden -- Steve Wozniak war polisch-stämmig, sondern er und ein paar Kumpane haben die DDR zum Auseinanderbrechen gebracht, weil sie Flugplätter geschmuggelt haben wollen.) Dazu kam dann noch ein polnisches Ehepaar, die sehr mutig mit zwei kleinen Kinder (3 J. und 14 Mon.) reisten.

Am zweiten Abend kam ich mir vor wie Peppone in "Genosse Don Camillo" (youtube ab 1h:07m:40s ). Suliko schaufelte den Tisch wieder mit nicht kalorienarmen Köstlichkeiten voll. Nun hatte ich den jungen Polen zum Mithalten (seine Frau verdrehte schon früh die Augen und brachte die Kinder ins Bett). Unser Gastgeber Medico schwächelte allerdings etwas, d.h. beim dritten Stierhorn schenkte er sich deutlich weniger ein als uns Dreien. Dummerweise fiel das auf und er wurde zum Nachschenken aufgefordert (mir fiel die Szene aus Adenauers Memoiren ein, als Chrustschow beim Festbankett während der Verhandlungen zur Freilassung der verbliebenen Kriegsgefangenen sich nur Wasser statt Wodka einschenken ließ, was Adenauer beim Einhaken roch und zur Bemerkung veranlaßte: "Herr Vorsitzender, sie betrügen, ich hoffe nur hier.") Nach dem zweiten Mal Erwischen ließ Medico dann nach, wodurch wir alle drei, auch zur Freude seiner mißbilligend schauenden Suliko noch halbwegs stehend ins Bett kamen.

Um ehrlich zu sein, ich bin am dritten Tag geflohen. Ich bin wirklich niemand, der nicht gerne mal eine Schlückchen oder zwei trinkt, aber die Einsicht, daß es nicht schaden könne mal wieder unter zwei Promille zu kommen hat mich einen Tag verfrüht abreisen lassen. Als Abschiedsgeschenk gab es ein kleines Stierhorn (genannt kantsi).

Vom zentralen Kutaissi 1, wo es zwei Bahnhöfe gibt, gings Mittag nach Gori weiter. Der komplette Fahrplan der Staatsbahn läßt sich auf eine DIN A4-Seite ausdrucken. Bei Fernzügen muß am Schalter der Paß vorgelegt werden, dieser wird beim einsteigen in den Waggon von einem Schaffner kontrolliert, von denen es nach gutem, altem Sowjetbrauch je zwei pro Waggon gibt. "Raucherabteile" sind die Türbereiche, aber so genau interessiert das wirklich niemand. Die Toiletten, die nach einer gewissen Fahrzeit durchaus Ähnlichkeit mit ihren Verwandten in Indien bekommen, werden immer wenn der Zug steht, abgesperrt. Die knapp sechstündige Fahrt nach Gori (10 Lari) über ca. 240 km dauert nicht deshalb so lange, weil die Züge langsam wären, sondern weil auf einigen Stationen fahrplanmäßige Halte von 30-45 Minuten anstehen. Auch die Wagentüre wird vom Schaffner von Hand geöffnet.

Für Bahnfans dazu: Kaukasisches Bahnabenteuer (29 min)

Im zentralen Stadtpark von Kutaissi.

Im zentralen Stadtpark von Kutaissi.

© Adi Meyerhofer, 2013
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Fahrt selber hin. Unbedingt!
Details:
Aufbruch: 07.10.2013
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 25.10.2013
Reiseziele: Georgien
Türkei
Armenien
Der Autor
 
Adi Meyerhofer berichtet seit 11 Jahren auf umdiewelt.