Mittelamerika und Kolumbien 2015

Reisezeit: Juli - November 2015  |  von Christian T

Guatemala III

24 Leute in einem winzigen Bus.

24 Leute in einem winzigen Bus.

Zwei der Deutschen in Semuc haben mir bildhaft von einem aktiven Vulkan nahe Antigua vorgeschwärmt. Dort könnte man den inaktiven Nachbarvulkan "Acatenango" besteigen und sich dort, des nächstens bei einem Bier am Lagerfeuer Marshmallows grillend, das Schauspiel zu Gemüte führen. Das hatte mich sofort fasziniert und mit einem Mitreisenden aus Semuc habe ich gleich nach der Ankunft in Antigua eine entsprechende Tour für den nächsten Morgen gebucht. Weil wir erst kurz vor Ladenschluss in der Agentur aufschlugen, bekamen wir den ganzen Trip einschließlich Ausrüstung, Transport und (spärlicher) Verpflegung für um die 30 US.

Schöne Stadt: Antigua.

Schöne Stadt: Antigua.

Antigua ist die ehemalige Hauptstadt Guatemalas, sie ist rechteckig angelegt und besteht aus wunderschönen spanischen Kolonialbauten, mit Arkaden, schönem Park in der Mitte und fast schon zu stylishen Restaurants. Nach einem ausgiebigen Spaziergang durch die Stadt und über den Markt sind wir in unserer doch recht schäbigen Unterkunft dann beizeiten ins Bett, um uns für die kommende Aufgabe zu erholen. Am nächsten Morgen habe ich schnell noch eine Flasche Rum geholt, schließlich wollten wir ja abends am Lagerfeuer nicht auf dem Trockenen sitzen. Mit einem Kleinbus ging es dann zum Einstieg, an dem bereits die abgestiegenen Gruppen vom Vortag sich ihrer geliehenen Ausrüstung entledigten. Wir griffen uns davon, was wir kriegen konnten - Rucksack, Schlafsack, eine alte Jacke (mit noch schwitzfeuchten Ärmeln, hmm) und einen Wanderstock - "our lifesaver", wie uns eine Gruppe niedlicher amerikanischer Collegemädels versicherte. Die Mädels lagen sich alle in den Armen, schließlich hatten sie den wohl recht anstrengenden Auf- und Abstieg überstanden. Weil alle recht aber zierlich waren, dachte ich, so schlimm würde es schon nicht werden. Nachdem die Guides mir und drei anderen kräftig aussehenden Jungs unserer Gruppe jeweils ein Viertel unserer beiden Zelte in den Rucksack gestopft haben, schritten wir gemächlich einen vom Regenwasser der vergangenen Tage zerfurchten Feldweg hoch. Nach einer Stunde wurde der Weg erstmals etwas steiler und das sollte sich bis fast zum Ende auch nicht mehr ändern. Wir hatten nun alle ordentlich zu placken und den anfangs nur aus Gründen der Geselligkeit mitgenommenen Stock lernte ich nun richtig schätzen. Nicht nur einmal rutschten wir unter dem Gewicht unserer Rucksäcke weg, ständig musste man halten, um ordentlich durchzuschnaufen. Die erste größere Pause nutzten wir, um uns ein wenig kennenzulernen. Neben einem sehr netten holländischen Pärchen, waren zwei dänische Schwestern dabei, ein englisches und ein italienisches Pärchen sowie zwei Amerikaner (Mädel und Junge). Der Amerikaner war dermaßen unsportlich, dass er seinen Rucksack (der nicht einmal ein Zelt enthielt) gegen Zahlung von 40 US einem der drei Maya-Guides, die uns begleiteten, überhalf. Im Gegensatz dazu waren die Italiener unglaublich fit und hielten als einzige locker mit dem vorneweg spazierenden Guide mit, der durch sein hohes Tempo ständig Druck ausübte. Sie wanderte locker in Jeanshose, in jeder Pause rauchten beide gemütlich und schwitzten bei all der Plackerei kein bisschen, obwohl auch sie ein Zelt trugen. "We are Free Fighter", verrieten sie mir später das Geheimnis ihrer Fitness.

Auf geht's.

Auf geht's.

Free fighter.

Free fighter.

Nach etwa fünf Stunden sehr steiler Wanderei erreichten wir endlich eine Art Hochebene, auf der es nun noch etwa zwei Stunden mäßig bergauf bis zur Camp Site gehen sollte, bzw. "ten minutes", wie uns die Guides auf jede Nachfrage anlogen. Kaum hatten wir uns dort oben notdürftig wieder gesammelt, fing es auf einmal an zu regnen. Zuerst noch mäßig, steigerte sich der Regen und die letzte Stunde schiffte es wie aus Eimern. Vor uns lief noch eine Gruppe junger Israelis, die - wie alle Israelis, die gerade ihren Militärdienst hinter sich gebracht haben -, extrem unsozial waren. Zwei israelische Mädels wollten, obwohl sie sehr langsam waren, unsere beiden Free Fighter auf dem engen Weg nicht vorbeilassen, trotz mehrfacher höflicher Nachfrage. Da ich das sehr egoistische Verhalten dieser Leute in Belize, in Flores sowie durch Geschichten anderer Reisender bereits zur Genüge schätzen gelernt hatte, zeigte ich unseren italienischen Freunden mal, wie man sich Gehör verschafft und schubste die beiden Kameraden kurzerhand recht unsanft zur Seite. Ein hinterhergerufenes "thank you" der Italienerin bestätigte mich in meinem Verhalten. Zu der Erschöpfung kam durch den Regen nunmehr noch Kälte und die Höhe von ca. 3000 m hinzu. Als wir nach und nach im Camp eintrudelten - vom aktiven Vulkan "Fuego" war aufgrund der Wolken nichts zu sehen - waren wir alle sacknass und rechtschaffen im Arsch. Der holländische Freund fragte mich sogar, während wir darauf warteten, dass die Guides unsere Zelte aufbauten, ob er sich jetzt schon, also mitten im Regen, seine trockenen Wechselklamotten anziehen sollte. Im Zelt dann die schöne Überraschung: sämtliche Schlafsäcke, die Jacken und die Wechselklamotten (sofern sie nicht in extra Tüten gepackt waren) waren dank der nicht wasserdichten alten Rucksäcke sacknass. D.h. anstatt wie geplant Rum trinkend um ein Lagerfeuer zu stehen, blieben wir frierend im Zelt und versuchten, Schlafsack und Klamotten mittels Körperwärme trocken zu bekommen. Dass es unterdessen weiter wie aus Eimern schiffte und gewitterte, ließ sich im Zelt nur mit einer anständigen Portion Galgenhumor und kräftigen Schlucken aus der Rumflasche ertragen - dann aber auch sehr gut.

Gegen halb elf rumpelte es draußen noch immer, obwohl der Regen deutlich nachgelassen hatte. Als wir schließlich die Köpfe aus den Zelten steckten, sahen wir in schätzungsweise 2 km Entfernung "Fuego", wie er ohne Unterlass, d.h. etwa alle zwei Minuten kräftig Lava in die Höhe spuckte. Der Himmel war jetzt sternenklar und weit unter uns konnten wir die Lichter einer Kleinstadt ausmachen. Für diese Augenblicke hatte sich all die Mühe wirklich gelohnt. Nachts stieg ein Teil von uns noch etwa 500 m höher, um den Vulkan wirklich "zu besteigen". Ich musste da aber passen, weil ich vom Rum recht angeschlagen war und nachts blind bin wie ein Fisch, was sich beides mit dem noch immer recht steilen und verwinkelten Weg nicht vertrug, wie ich nach 20 m und dreimal hinfallen konstatierte.

Am nächsten Morgen war auch der Abstieg nicht wirklich ein Geschenk. Drei Stunden lang stolperte und rutschte ich die schlammigen Wege hinunter, einzig gelockt von der Aussicht auf ein am Einstieg feil gehaltenes Bier. Weil mir mittlerweile die Kraft in den Beinen fehlte - schließlich hatte ich auch nicht wirklich gut gefrühstückt - hatte ich den steilen Abhängen nicht immer etwas entgegenzusetzen. Mit der Holländerin war ich als erstes wieder unten und wir beide schworen uns, nie, nie wieder zu wandern. Bis heute habe ich mich dran gehalten!

Was morgens nur nach ein bisschen Rauch aussah, macht des Nachts richtig was her - leider keine Fotos.

Was morgens nur nach ein bisschen Rauch aussah, macht des Nachts richtig was her - leider keine Fotos.

Nichtaktiver Nachbarvulkan La Agua.

Nichtaktiver Nachbarvulkan La Agua.

... ob der Plackerei war unsere Freiheit nicht grenzenlos.

... ob der Plackerei war unsere Freiheit nicht grenzenlos.

Nie wieder wandern.

Nie wieder wandern.

Zurück in Antigua habe ich den Rest des Tages auf der schönen Dachterasse des Hostels "La Terrazza" mit Erholung verbracht und dort im Laufe des Tages bestimmt zehn Bier getrunken (von denen nachher aber nur eins auf der Rechnung stand). Die Einladung zweier hübscher Schwestern aus El Salvador ("party with us!") habe ich Dummkopf vor lauter Erschöpfung abgelehnt.

Ähnlich kaputt war ich bisher nur einmal, als ich mit einem guten Freund den Rennsteig (180 km) in sechs Tagen abgerissen habe. Aber: Nach Tikal und dem Abenteuertag in Semuc Champey war die Besteigung des Vulkans Acatenango das dritte Highlight meiner Reise. It was well worth it!

Letztes Bier auf der Terasse.

Letztes Bier auf der Terasse.

© Christian T, 2016
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Zweieinhalb Monate von Mexiko bis Panama, 6 Wochen Kolumbien.
Details:
Aufbruch: 17.07.2015
Dauer: 4 Monate
Heimkehr: 14.11.2015
Reiseziele: Mexiko
Belize
Guatemala
El Salvador
Nicaragua
Costa Rica
Panama
Kolumbien
Der Autor
 
Christian T berichtet seit 10 Jahren auf umdiewelt.