Kenia - Tansania: Notizen aus dem Jahr 1990

Reisezeit: Juni / Juli 1990  |  von Peter Kiefer

Königslaunen - Ngorongoro

Obwohl dieser Tag mit etlichen Komplikationen verbunden ist, am Ende sind wir vom Glück gebeutelt.
Der Reihe nach. Nach der Ankunft in Karatu suchen Karin und ich umgehend eine Anschlussmöglichkeit ins Crater Village. Aber eigentlich wissen wir gar nicht, was genau das für ein Dorf ist mitten in einem Wildtierreservat. Erst mal hinkommen.
Zwei Mädchen, die sich aus Neugierde neben uns an die Straße stellen und sehen, dass wir mit dem Versuch ein Auto anzuhalten nicht weiter kommen, machen uns auf einen Truck aufmerksam. Der Tipp ist gut, und statt auf 100US-Dollar, die ein Taxifahrer auf Anfrage haben wollte, nur um uns bis zum Kraterrand zu bringen, zahlen wir auf diesem Lkw ein paar Schillinge, um mitten ins Village zu kommen.
Es besteht dann lediglich aus einer kleinen Ansammlung von Häusern, die ausnahmslos zur Parkverwaltung gehören. Die Unterkunft, die unser Reiseführer als Alternative zu den überteuerten Touristenlodges nennt, existiere gar nicht, sagt zumindest der Fahrer eines Geländewagens, der, kaum dass wir vom Lkw abgesetzt worden sind, neben uns anhält. Außerdem sagt er, dass wir hier nicht einfach stehen bleiben und auf was auch immer warten dürften - wegen der wilden Tiere ringsum.
Aber er macht uns ein interessantes Angebot, er fragt nämlich, ob wir die Krater-Safari mit ihm als Führer und Chauffeur machen möchten. Das möchten wir. Für acht Stunden will er 125 US-Dollar, nicht wenig für uns. Aber dafür, dass wir ein ganzes Auto alleine zur Verfügung haben werden und dabei weit weniger bezahlen müssen als jemand, der zu Hause schon oder in Nairobi eine solche Tour bucht, dann aber in eine Reisegruppe gepfercht wird, ist dieser Preis geradezu phänomenal.

Das Problem ist weiterhin die Übernachtung. Zwar gibt es ein ganz billiges Guest House, das außer gelegentlich von Massais vor allem von den Fahrern der Geländewagen aufgesucht wird, aber dort, sagt Schaiu - so heißt der Mann -, hätten wir keinen Zutritt. Keinen Zutritt? Ich bitte ihn, uns trotzdem zu der besagten Herberge zu bringen. Aber er hat Recht: Es ist nichts zu machen - es sei denn, wir legen eine besondere Polizeierlaubnis vor. Ein wenig genervt, schließen wir uns deshalb Schaius (sicher nicht ganz uneigennützigem) Vorschlag an, uns doch einmal eine der Lodges anzusehen. Das sind immerhin 13 Kilometer Fahrt und es erbringt, außer dass wir uns sowieso dort nicht einquartieren möchten (beängstigend sterile Atmosphäre!), lediglich den Bescheid, dass man ausgebucht sei. Genau wie die anderen beiden Lodges, die es noch im Krater gibt.
Also zurück und zur Polizei, die uns mit bürokratischem Aufwand die verlangte Sondergenehmigung ausstellt. Nach weiteren neun Kilometern Fahrt sind wir wieder dort, wo wir angefangen hatten, zahlen für das Umherfahren noch einmal 20 Dollar, aber wir kriegen nun ein veritables Kämmerlein mit einem Bett für beinahe umsonst. Und auch eine Kantine ist vorhanden, wo man besagten Massai-Hirten begegnet. Am Abend wird dort ein Holzfeuer im Kamin entzündet, denn es wird kalt. Das Thermometer sinkt auf ganze sechs Grad.
Aber wir sind froh, dass wir hier sind, zumal es ein sehr kommunikativer Abend wird, in dessen Verlauf wir von einer ehemaligen deutschen Entwicklungshelferin, die ebenfalls hier nächtigt, Neues über das Land erfahren. Wir treffen in der Unterhaltung auf eine oft gegensätzliche Sichtweise von Land und Leuten. Dinge, die uns positiv begegnet sind, werden von Leuten, die längere Zeit hier leben, die vor allem die Sprache sprechen, fast zwangsläufig relativiert. Man entdeckt dann bei ihnen eine Art Hassliebe, ein trotziges Festhalten an etwas, was sie zunächst in düsteren Farben gemalt haben.

Am folgenden Morgen holt Schaiu uns zum verabredeten Zeitpunkt ab, erklärt aber, wegen technischer Mängel an seinem Auto die Fahrt nicht selbst mit uns machen zu können. Er stellt uns einen Mr. John vor, einen hageren und etwas wortkargen Mann, er wird uns kutschieren.
Auf dem Rand des Kraters ist es nebelig, aber als wir die steile Straße hinabfahren, lichtet sich's schnell. Die Sicht ist ausgezeichnet, das Wetter leider nicht. Es wird auch so bleiben, kühl und bewölkt, jedenfalls so lange, bis wir einen Teich erreichen, an dem die Geländewagen Halt machen und die Lunchpakete ausgepackt werden. Da bricht die Sonne durch und es wird kurzzeitig ein bisschen wärmer. Noch auf dem Weg hinunter zur Kraterebene mit ihren zwei Seen begegnet uns ein Erdhörnchen; es eröffnet in aller Bescheidenheit den Tierreigen des heutigen Tages.
Es ist jetzt, als würde man durch einen Zoo streifen. Wenn Grant- und Thomson-Gazellen vorüberhuschen, denke ich an Fischschwärme, bei Zebras immer an Schaukelpferdchen. Als eine ganze Herde Gnus donnernd in einen See stürmt, hat man den Eindruck, als täte sie das nur zum Zeitvertreib und weil sie Lust hat, die Flamingos zu ärgern; die fliegen aufgeschreckt davon. Die erste Raubkatze, deren Weg wir kreuzen, ist eine Zibetkatze. Sie macht gerade einen Ententeich unsicher, fühlt sich aber durch unser Fahrzeug verunsichert und ergreift die Flucht.
Enten, Gänse, Kraniche und Reiher machen einen Hauptteil der Vogelarten aus, denen wir begegnen. Besonders zahlreich vertreten sind die beiden hier lebenden Flamingoarten, die rosafarbenen und die nicht ganz so auffälligen, höher gewachsenen schwarzweißen. Wenn sie sich aus dem Wasser erheben, sieht es aus, als habe ein Bleistift Flügel bekommen.
Ein Nilpferd wälzt seine vielen Pfunde zum Seeufer und blickt sich kurz zu uns um, als würde es uns nicht trauen; es taucht dann rasch ins Wasser ein. In der Nähe des Sees halten sich auch die Kaffernbüffel auf. Mit ihrem tief in die Stirn reichenden Horn sehen sie aus, als hätten sie sich eine Dienstmädchenhaube übergestülpt, um von ihrem grimmigen Gesicht abzulenken. Eine schräge Verkleidenummer.
Und dann er. Behäbig, wohlgenährt und ohne uns im Geringsten Beachtung zu schenken, streift er an unserem Fahrzeug vorüber und fläzt sich zu zwei anderen Löwen, die ausgestreckt im Gras liegen. Wahrscheinlich haben sie ihre Weibchen auf Nahrungssuche geschickt, um in aller Ruhe Körperpflege betreiben zu können. Löwen!

Felis leo, zur Familie der Katzen gehörendes Raubsäugetier.

Felis leo, zur Familie der Katzen gehörendes Raubsäugetier.

Die zahlreicher gewordenen Safariwagen sammeln sich um das Triumvirat. Dann hat man ein Rhinozeros entdeckt. Mr. John fährt dermaßen dicht an es heran, dass es sich uns für einen Augenblick in drohender Haltung zukehrt. Später sehen wir in einiger Entfernung ein Nashornpärchen, das Männchen erkennt man, sagt Mr. John, an seinem langen, spitzen Horn.
Die Hyänen bleiben, als wir uns nähern, im Gras liegen und blinzeln uns aus schläfrigen Augen an. Ihrem Jungen haben sie offenbar kurz ein Zeichen gegeben. Es läuft bis zum Eingang einer Höhle und wartet dort ab, wie die Dinge sich entwickeln. Viel Action bei den Schakalen. Einer hat die Reste einer kleinen Gazelle im Maul baumeln. Die anderen streiten sich um weitere Beuteteile: Geknurre, Gebeiße und Aufeinander-Jagd-Machen.
Die Elefanten wandern in der Trockenzeit gewöhnlich den Krater hinauf, einige bleiben aber zurück. Am heutigen Tag bekommen wir nur einen Einzigen zu Gesicht. Ebenfalls einen Wasserbock. Und Affen erst dann, als wir auf einem Kleintransporter den Krater schon wieder verlassen. Mr. John hat uns die Fauna des Ngorongoro quasi im Rundkurs vorgeführt, für ihn waren wir sicher ein unverhofftes Zubrot zum normalen Touristenverkehr.
Wieder zurück in Karatu stehen wir noch unter dem Eindruck des Erlebten und geben uns bei der Auswahl des
Guest House keine Mühe. Ein Fehler, denn es wird wieder eine dieser zähen Nächte, weil wir dieses Mal vom krächzenden Transistorradio nur durch eine dünne Pappwand(!) getrennt sind.
Zuvor noch eine etwas gespenstische Szenerie. Vor einer Reihe kleiner Läden hat sich eine Menge Volks versammelt, Tagelöhner vermutlich, die bei einem der hiesigen Bauprojekte eingesetzt werden. Möglicherweise hat man ihnen an diesem Tag ihren Lohn ausbezahlt und so sitzen sie da, Männer und Frauen, und lassen sich mit billigem Fusel voll laufen, der aus Metallfässern verkauft wird. Eine ganze Straße voll betrunkener Armutsgestalten.

© Peter Kiefer, 2005
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Vor ein paar Wochen habe ich mehrere verschollen geglaubte Reisetagebücher wiederentdeckt. Eines davon dokumentiert diese Reise aus dem Jahre 1990, die durch Teile Kenias und Tansanias führte und mit sehr einfachen Mitteln bestritten wurde. Karin und ich haben ausschließlich lokale Verkehrsmittel benutzt, auch unsere kleinen Safaritouren haben wir außerhalb allen Reisebürotourismus abgewickelt.
Details:
Aufbruch: Juni 1990
Dauer: circa 4 Wochen
Heimkehr: Juli 1990
Reiseziele: Kenia
Tansania
Der Autor
 
Peter Kiefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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