Kenia - Tansania: Notizen aus dem Jahr 1990

Reisezeit: Juni / Juli 1990  |  von Peter Kiefer

Swingin' Afrika - Tanga 1

"Planter's Hotel" ist ein imposantes Ding und stammt noch aus der Kolonialzeit. Es verfügt über eine breite Terrasse, ähnelt, wenn man unserem Reiseführer glauben darf (dem unausweichlichen, unersetzlichen "Lonely Planet") dem Baustil in Queensland, Australien, und steht in einer von Tangas Hauptstraßen, der Market Street.
Unsere aktuelle Aufgabe: eine Dhau nach Pemba oder Sansibar zu finden. Ein erster Weg führt uns daher zum Hafen hinunter, angeblich dem zweitgrößten des Landes. Viel ist nicht los dort, gerade einmal vier oder fünf kleine Segler liegen vor Anker. Informationen ergeben, dass vor Montag (heute ist Samstag) kaum eine Möglichkeit existiert die Stadt auf dem Seeweg zu verlassen. Der Hafenmeister allerdings, bei dem wir ebenfalls nachfragen, zeigt sich überrascht darüber, dass die kleinen Frachtboote keine Passagiere aufnehmen sollen. Er schreibt uns die Adresse einer Agentur in der Stadt auf. Wir brauchen eine Weile, ehe wir sie gefunden haben, sie ist aber geschlossen. Jemand erklärt uns, dass das Büro nur dann besetzt sei, wenn das bewusste Boot in der Stadt vor Anker liege. Derzeit sei es noch in Pemba und würde nicht vor Montag von Tanga aus ablegen. Der Montag setzt sich nun als Abreisedatum in unserem Kalender fest.
Samstag dagegen ist Fußballtag. AS Tanga spielt gegen Aruscha, tansanische erste Liga. Das Stadion mit der irgendwie zu gering bemessenen Spielfläche ist bloß zur Hälfte gefüllt. Der Grund, erklärt man, sei, dass der AS (für "African Sports") in der Gunst des lokalen Publikums nur auf Rang zwei liege und der Klub der Herzen zu selben Zeit ein Spiel in Dar-es-Salaam bestreite. Deshalb auch kleben während des gesamten Spiels die Ohren der Zuschauer an Transistorradios (soweit vorhanden) und erst als sich fern in der Hauptstadt etwas tut, wird es auch auf den hiesigen Rängen lauter. Die Nummer eins aus Tanga gewinnt schließlich ihr Auswärtsspiel, was die kleinen Jungs veranlasst aufs Spielfeld zu stürmen und Purzelbäume zu schlagen. Das 0:0 im AS-Spiel hat dagegen nur einen nebensächlichen Unterhaltungswert. Schlecht ist es gar nicht mal, wenn man allein den miserablen Zustand des Platzes berücksichtigt, ebenso die Tatsache, dass der Ball (für unsere Verhältnisse) zu groß und zu prall ist. Keine der beiden Mannschaften bekommt ihn im Laufe des Spiels einmal richtig unter Kontrolle. Ein Farbtupfen sind die Spielerfrauen aus Aruscha gleich neben uns. Sie sind die Einzigen, die unaufhörlich mit Anfeuern beschäftigt sind und Aktionen der Gegenseite mit lärmendem Spott quittieren. Ist es nicht auch ein Spiel Christen (Aruscha) gegen Moslem (Tanga)?

Im Fußballstadion von Tanga machen die Spielerbräute der Auswärtsmannschaft ordentlich Druck.

Im Fußballstadion von Tanga machen die Spielerbräute der Auswärtsmannschaft ordentlich Druck.

Der Fischmarkt ist direkt am Strand aufgebaut, dort wo die Boote ankommen, schmale, flache Segler. Die Fischer schleppen ihre Körbe an Land, ihre Kunden sind überwiegend Frauen, Letztere wohl ein Transmissionsriemen zum Angebot in der Stadt. Was aber an diesem Sonntag an Land gezogen wird, beschränkt sich auf die kleineren Fische (und das kleine Geld).
Ein anderes, das "wirkliche" Tanga gibt's erst wieder am Montag zu sehen. Da blüht das Marktviertel in allen Facetten auf. Eine kleine Markthalle gibt's gleich da, wo das "Planter's" liegt, eine weitere, größere ist ebenfalls in der Nähe. Überall die kunterbunte Armut.
Massaifrauen verkaufen uns Holzmehl. Man soll es wie Tee aufbrühen und es sei wirksam gegen Brust- und Rückenschmerzen. Die Halle mit ihren Ständen quillt bis auf die Straße heraus über. Hier findet man auch kleine Handwerker, Blechschmiede zum Beispiel, die aus Abfalldosen Geräte des täglichen Gebrauchs herstellen, Trichter, Schöpfkellen, Siebe oder Öllämpchen. Aus dickeren Blechen werden Holzkohleöfen und Eimer zurechtgebogen.
Eine Nähmaschine vor einer dürftigen Behausung, ein Häuflein Stoff, das ist die Welt der kleinen Schneider. Die Stoffe sind bunt ohne Ende und selbst die Moslem-Frauen, die in der Überzahl sind, tragen sie gut sichtbar unter den schwarzen Schleiern. Das Flechten und Spannen der Seiler ist sicher ein Hinweis darauf, dass Tanga einer der Hauptumschlagplätze für Sisal ist. Die Scherenschleifer sitzen auf aufgebockten Fahrrädern. Der Schleifstein ist über die Kette mit dem Hinterrad verbunden. Um ihn in Bewegung zu setzen, treten sie also in die Pedalen. Funken stieben deshalb überall in der Straße. Ein Foto erlauben die Schleifer mir nicht.
Massaikrieger mit Schwert und Knotenstock stehen schlacksig-majestätisch zwischen den schrottreifen Bussen mit Namen wie "Lion-Express" oder "World Champion" und warten auf die Abfahrt direkt neben der großen Markthalle, wo das Herz der Stadt in den Morgenstunden schlägt. Den vielen sich überlagernden Geräuschen geben die Erdnussverkäufer einen besonderen Rhythmus. Eine Blechbüchse voller Nüsse, an der ein hölzerner Stiel angebracht ist, ist ihr Musikinstrument. Rasselnd und immer einem bestimmten Sound folgend gehen sie damit durch die Straßen, und wären diese kleinen Jungen nicht so armselig, würden sie nicht alle zerrissene Kleidung tragen, man hätte Lust von Swingin' Africa zu sprechen.

© Peter Kiefer, 2005
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Vor ein paar Wochen habe ich mehrere verschollen geglaubte Reisetagebücher wiederentdeckt. Eines davon dokumentiert diese Reise aus dem Jahre 1990, die durch Teile Kenias und Tansanias führte und mit sehr einfachen Mitteln bestritten wurde. Karin und ich haben ausschließlich lokale Verkehrsmittel benutzt, auch unsere kleinen Safaritouren haben wir außerhalb allen Reisebürotourismus abgewickelt.
Details:
Aufbruch: Juni 1990
Dauer: circa 4 Wochen
Heimkehr: Juli 1990
Reiseziele: Kenia
Tansania
Der Autor
 
Peter Kiefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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