Auf dem Landweg nach Tibet und zurück

Reisezeit: Februar - Oktober 2009  |  von Daniel S.

Lhasa

Lhasa ist wirklich eine beeindruckende Stadt, die einen wunderbaren Charme versprueht. Leider habe ich einen erheblichen Teil meiner Zeit hier damit verbracht, nach einem Weg zu suchen wie ich wieder abreisen kann. Die chinesische Regierung laesst Individualreisende nicht nach Nepal fahren ohne dies in einer gebuchten Tour zu tun. Allerdings, und dies ist mein Glueck, wurde mir von meinem Reisebuero in Kashgar gesagt, dass ich nach den 3 Tagen Pauschaltour frei entscheiden kann, wie ich meine Reise weiterplanen moechte. Ich habe Stunden damit verbracht mit meinem Fuehrer und seinen zwei Chefs zu diskutieren und schliesslich sind wir zu folgendem Ergebnis gekommen:
Sie bezahlen mir eine weitere Nacht im 3 Sterne Hotel, da ich bereit gewesen waere in einem Dorm zu schlafen der lediglich 2 Euro kostet (von Kashgar wurde mir gesagt ich kann selbst entscheiden wo ich wohnen moechte). Daher bestand ich darauf, maximal 2 Euro fuer ein Zimmer zu bezahlen. Ferner werde ich nun morgen fuer 60 Euro nach Nepal fahren (in einem Jeep mit Fuehrer, wie es die repressive chinesische Regierung vorsieht). Von meinem Reisebuero wurde mir diese Etappe (900 km) fuer rund 500 Euro angeboten. Ich behauptete ich habe einen Fahrer gefunden der bereit sei mich fuer 60 Euro an die Grenze zu bringen, er benoetige lediglich eine Reisegenehmigung, die ich in meinem zustaendigen Reisebuero benatragen muesse. In Wahrheit habe ich niemals mit einem Taxifahrer gesprochen, ich wollte mich in dieser Situation nur diplomatisch geben und etwas taktieren. Da ich mich ein wenig auskenne, wie in China Geschaefte gemacht werden fragte ich den Vorgesetzten meines Fuehres nach den Gesamtkosten fuer meine Reise nach Nepal. 60 Euro war die schnelle, vielleicht unueberlegte Antwort. Die Vorgesetze des Managers stellte daher die Reiseerlaubnis fuer die Strecke nach Nepal aus und organiesierte ein Auto mit Fahrer. Allerdings bestand sie darauf, dass ich die Nacht im Hotel, die Reiseerlaubnis und den Fuehrer, den sie mitsenden muss (Dank der repressiven chinesischen Regierung) selbst bezahle. Ich verwiess allerdings auf die Unterredung mit dem Manager, der mir einen Gesamtpreis von 60 Euro anbot (dem ich zustimmte). In China verliert man sein Gesicht, wenn man von bereits ausgehandelten Geschaeften abspringt, und die wohlwissend stieg ich fuer rund 1 h in eine lange Diskussion ein, mit dem Ergebnis, dass die Chinesen erwartungsgemaess ihr Gesicht nicht verlieren wollen und den mit dem Kunden (mir) ausgehandelten Konditionen zustimmten. Es war waehrend der ganzen Verhandlungen (und es waren in der Tat lange Diskussionen) stets eine gute Atmosphaere und man entschuldigte sich letztendlich fuer die Unannehmlichkeiten. Ich bin mit der Annahme nach Tibet eingereist, dass ich nach der gebuchten Tour selbst entscheiden kann, wie ich weiterreise und bat fuer die Zukunft lediglich um mehr Transparenz im Vorhinein um derartige Komplikationen zu vermeiden.

Tibet ist zwar schoen (ich werde leider nur Lhasa gesehen haben, und die Landschaft entlang des Friendly Highways) allerdings empfehle ich nicht unbedingt, die Region im Moment (18.05.2009) individuell zu bereisen (es ist sehr kompliziert, die Informationen ueber die Weiterreise variieren stark und selbst verlaesslich kann die repressive chinesische Regierung innerhalb von Minuten zu Nichte machen und aendern). Ich bin froh, hier gewesen zu sein und nun auch fuer wenig Geld auf dem Landweg weiterreisen zu koennen.
Bereist man Tibet momentan in einer Gruppe, dann fuehlt man sich in Lhasa zu Hause, denn dort wird man unzaehlige Gleichgesinnte finde: viel davon erfreuen sich leider den scheinheiligen tibetischen Tanzvorfuehrungen, die heile Welt auf dem Dach der Welt vortaeuschen sollen. Tibetischen Fuehren, die die Einmaligkeit der Kultur und Religion ihres Landes vorstellen sollen ist die Ausuebung eben dieser gesetzlich von Seiten der repressiven chinesischen Regierung verboten. Es ist ein Trauerspiel dies hier mitzuerleben. Viele junge Tibeter sehen im Tourismusbereich ihre Zukunft, sind verpflichtet ihre Kultur und Authenthitaet dafuer aufzugeben und muessen um staatlich gepruefter Reisefuehrer zu werden die chinesische Sprache in Wort und Schrift beherrschen. Diese Information habe ich von einer jungen Dame, deren Freunde und Bekannte alle Reisefuehrer sind, die selbst aber nicht bereit ist auf die taegliche Umrundung des Potala zu verzichten und darueberhinaus nicht der chinesischen Sprache maechtig ist. Schoen dass ich offen darueber berichten kann, ein Tibeter muss um Kopf und Kragen fuerchten wenn er derartige Informationen weitergibt. Lhasa lachte und weinte zugleich als ich es besuchte: die Tempel, Kloester und die freundlichen Einheimischen, die einen Gast stets offenherzig gruessen und jederzeit gerne ein Gespraech fuehren waren das Muskelzucken der wunderschoenen roten tibetischen Backen nach oben, bereit zu einem herzhaften Lachen. Die Kindersoldaten, wie ich es mir erlaube, die chinesich kommunistischen Soldaten ueberspitzt zu titulieren, aber auch die Verunstalung der Umgebung der heiligen Staetten zeugen vom schmerzenden tibetischen Herz, das nur so lange schlagen darf, wie es die chinesische Regierung mit genuegend Sauerstoff und Scheinheiligkeit in touristischen Tanzvorfuehrungen und in vorformulierten Aussagen von Reisefuehrern versorgt. Ich bin froh das wunderbare aber auch das grausame und traurige Lhasa gesehen zu haben das, so wie es im Moment noch ist, wohl nie mehr sein werden kann.

© Daniel S., 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Ich plane eine Reise die mich über den Landweg von Deutschland - Osteuropa - Naher/Mittlerer Osten - Indien bis nach Lhasa führt. Zurück will ich über die ehemaligen Sowjetstaaten reisen und schließlich in der Türkei entscheiden ob es über die Ex-Jugoslawienstaaten oder erneut Osteuropa zurückgehen soll.
Details:
Aufbruch: 14.02.2009
Dauer: 8 Monate
Heimkehr: 15.10.2009
Reiseziele: Deutschland
Tschechische Republik
Polen
Ungarn
Rumänien
Bulgarien
Türkei
Georgien
Armenien
Iran
Pakistan
China
Tibet
Nepal
Indien
Bangladesch
Kirgisistan
Usbekistan
Mazedonien
Albanien
Montenegro
Bosnien und Herzegowina
Der Autor
 
Daniel S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
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