TimeOut in Südamerika

Reisezeit: April - August 2008  |  von Beatrice Feldbauer

Woche 2 19.-25. April 2008: Gestrandet

Es war Zeit, neue Abenteuer zu erleben. Kaum hatte ich das Paradies verlassen, und zwar freiwillig, niemand hat mir rausgeschickt, da wurde ich gleich wieder ausgebremst.

Mit dem Bus war ich zum Flughafen von Montevideo gekommen und hier hiess es: Flug abgesagt. Der Flughafen von Buenos Aires ist geschlossen. Wegen Rauch. Ich konnte zwar einchecken, aber dann hiess es warten. Die Halle füllte sich langsam, die wenigen Sitze waren schon längst besetzt und die Leute setzten sich auf den Boden, auf Blumenkübel und was halt sonst noch zur Dekoration herumstand. Die Zeit des Abflugs war längst vorbei, Informationen gab es keine ausser den abgehackten, unverständlichen aus einem defekten Lautsprecher. Einmal glaubte ich zu verstehen, dass auch der internationale Flughafen in Buenos Aires geschlossen sei. Wegen Rauch. Aha, erste Erkenntnis des Tages: es gibt zwei Flughäfen in Argentiniens Hauptstadt. Neben mir, der gutaussehende Argentinier erklärte mir, dass es den internationalen und den nationalen Flughafen gäbe. Wir würden den nationalen anfliegen und mein Flug nach Iguaçu würde von da weiter gehen. Gerade als sich allgemeine Nervosität breit machte, und die Leute anfingen, per Handy ihren Tag umzukrempeln und neu zu organisieren, kam die Durchsage, der Flug würde jetzt trotzdem starten. Zwei Stunden Verspätung, mit viel Glück würde ich meinen Weiterflug noch erreichen.

Jetzt wird es hecktisch. 20 Minuten nach dem Aufruf sind wir in der Luft. Wir fliegen unter den Wolken, aber über dem Rauch. Ja, man sieht ihn hier sehr gut. 60'000 Hektar Land haben die Bauern in Argentinien angezündet aus Protest, weil sie für ihre Produkte keine angemessenen Preise mehr bekommen. Der Rauch liegt über der Stadt, über dem Meer, schwach erkenne ich den Hafen mit seinem markanten modernen Bürogebäude.

Auch bei der Landung ist der Rauch allgegenwärtig. Knapp kann ich das Ende der Landebahn erkennen. Es ist düster. Mein Weiterflug geht um 14.30 Uhr. Das gibt mir eine Dreiviertelstunde Zeit. Diese vertue ich aber erst mal bei der Passkontrolle. Und dann bei der Gepäckausgabe. Drei Flugzeuge sind miteinander gelandet und die Gepäckstücke werden bunt gemischt ausgespuckt. Mein Koffer ist einer der letzten. Heute ist aber auch wirklich mein Glückstag. Ich erkundige, wie es denn jetzt weiter gehe. 'Stellen sie sich da hin, meint die Dame am Schalter'. Dahin ist eine riesige Schlange am Check-In-Schalter. Ich schlendere durch die Halle, um mich dann irgendwo ganz diskret doch noch einzureihen. Stört im Moment niemanden, denn die Schalter sind geschlossen. Keine Angaben zu Iguaçu auf den Bildschirmen. Mein Flug wird längst weg sein. Trotzdem, es bleibt mir nichts anderes übrig, ich bleibe in der Schlange, die sich irgendwann doch bewegt. Und als ich endlich am Schalter bin, meint der Herr cool: "Sie müssen zum anderen Flughafen". "Häh?, wie komme ich dahin?" "Wie sie wollen", lautet die lakonische Antwort.

40 Km, 40 Dollar und einen witzigen Flirt später komme ich beim Aeroparque Flughafen an. Ausgerüstet mit einer Telefonnummer für Notfälle. Der Taxista Ernesto empfiehlt sich als mein persönlicher Chauffeur und Begleiter. "Oder gehst du gern allein in den Ausgang?" hat er mich gefragt. "Ähm... nein nicht wirklich". "Na siehst du, ruf mich an, wenn du wieder in die Stadt kommst." Heute möchte ich allerdings erst mal weg aus dieser Stadt. Aus dieser Stadt, die in dichtem Rauch steckt. "Das ist noch gar nichts heute", meinte Ernesto "gestern hat man keine 30 m weit gesehen".

Ich bin allerdings nicht die einzige, die aus der Stadt weg will. Im Flughafen herrscht ein Chaos. Mein Flug ist nach Flugplan vor 2 Stunden abgeflogen. Nachdem sich das Chaos in der Halle als mehrere lange Warteschlange entpuppt, stelle ich mich irgendwo an, bitte einen Herrn, auf meine Reisetasche aufzupassen und suche einen Monitor. Hurra, mein Flug ist noch aufgeführt. Delayed. Verspätet. Wunderbar. Ich stelle mich also wieder in die Schlage, die inzwischen schon wieder viel länger geworden ist. Langsam, ganz langsam kommen wir voran. Hoffentlich wartet das Flugzeug auf mich, bete ich im Stillen. Ich checke mein Gepäck ein und der Herr am Schalter weist mich an: "Vergewissern sich bitte, durch welches Gate sie müssen." Ja, genau das wollte ich von ihm wissen. Das scheint aber noch niemand zu wissen, aber dafür wird jetzt eine neue Abflugzeit angezeigt: 18.30 Uhr. Da bleibt noch etwas mehr als eine halbe Stunde.

Ich decke mich mit einem Sandwich und einem Kaffee ein und bemerke, dass ich seit dem wunderbaren Frühstück nichts mehr in den Magen bekommen habe. Während ich das süsse Croissant mit Käsefüllung verdrücke, starre ich gebannt auf die Anzeige. Irgendwann müssen die sich doch entscheiden, welches Gate sie wollen. Endlich, noch 15 Min bis zum vorgesehenen Abflug, erscheint eine Zahl: Gate 12. Das Dumme ist nur, dass davor drei Uniformierte stehen. Wie eine Mauer stehen sie da mit steinernen Minen und scheinen die Situation richtig zu geniessen. Vor ihnen eine Menschenmenge, die ihnen an den Lippen hängt. Endlich, der Kleine kann seine Genugtuung kaum unterdrücken: "Passagiere nach Mendoza können eintreten". "Mein Flug nach Iguaçu geht aber in 10 Min.!" versuche ich einzuwenden. "Warten." Irgendwann ruft er Passagiere nach Belucho auf, dann nach Granada. Wo liegen diese blöden Orte? Iguaçu ist unterdessen zuoberst auf der Liste, Abflugzeit auf 19.30 verschoben. Wir warten. Irgendwann gelange ich in den Sog einer Gruppe Japaner, die gemeinsam zum Eingang drängen. Auch sie wollen nach Iguaçu und werden zurückgedrängt. Bin noch immer mittendrin. Und dann endlich: "Iguaçu" Es wird geklatscht, die Erleichterung ist spürbar und alle drängen in den riesigen Warteraum - um gleich wieder zu warten. Wenigstens kann man hier sitzen. Ich komme ins Gespräch mit zwei Deutschen. Nadine und Johanna. Für sie war das ganze noch schwieriger. Sie haben am Morgen eingecheckt und danach den ganzen Tag auf dem Flughafen gewartet. Niemand wusste, ob der Flug heute noch abging oder nicht. Da hatte ich es viel besser. Ich war immerhin beschäftigt mit Passkontrolle, Gepäckausgabe, Taxiflirt und Wiedereinchecken.

Als die Crew erscheint, wird sie mit lautem Applaus begrüsst und bei der Schlange, die sich sogleich bildet, stellen wir uns mal wieder ein wenig blöd und finden uns dafür bei den ersten die Einsteigen dürfen. Das ist gar nicht so schlecht, denn Sitznummern auf den Tickets wurden gestrichen. Es ist freie Platzwahl. Wir sind nicht sicher, ob alle einen Sitzplatz bekommen werden und überlegen bereits, welchen Japaner wir auf den Schoss nehmen würden. Doch es reicht für alle und endlich um 20.30 Uhr, mit sechs Stunden Verspätung heben wir ab. Bei der Gepäckausgabe hat sich dann mein Glück gewendet und meine Tasche samt Rucksack ist eine der ersten auf dem Band. Ich verabschiede mich von den beiden, wünsche ihnen viel Glück bei der späten Hotelsuche und hoffe, dass mein Chauffeur noch auf mich wartet. Ja, da ist er. Hält meinen Namen hoch. Hätte nicht viel gefehlt und ich wäre ihm um den Hals gefallen, wenigstens etwas, das funktioniert hat an diesem langen Tag.

Noch einmal gibt es eine Passkontrolle. Ich reise in Brasilien ein. Vor dem Hotel stehen Portiere und empfangen mich. Später trinke ich meinen Willkommensdrink in der Bar. Einen Caipiriña. Ich bin in Brasilien angekommen.

Übrigens: Fotos gibt es heute keine. Weil es einfach keine Sujets gab. Oder interessiert sich jemand für Warteschlangen?

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nicht Nichtstun steht im Mittelpunkt. Sondern etwas tun, wofür im normalen Alltag zu wenig Zeit bleibt. Meine beiden Leidenschaften Reisen und Schreiben möchte ich miteinander verbinden. Und wenn mich dabei jemand begleitet, umso schöner. Es sind vor allem Geschichten, die ich erzähle und erst in zweiter Linie Beschreibungen von Orten und Gebäuden. Ich möchte versuchen, Stimmungen herüberzubringen. Feelings, sentimientos. Wenn mir das manchmal gelingt, ist mein Ziel erreicht.
Details:
Aufbruch: 12.04.2008
Dauer: 4 Monate
Heimkehr: 03.08.2008
Reiseziele: Uruguay
Brasilien
Paraguay
Argentinien
Chile
Bolivien
Peru
Guatemala
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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