Ruinen und Regen: eine Albanienreise

Reisezeit: Mai 2010  |  von Kathrin Hentzschel

Nur die Grobroute der Rundreise (eiförmig, um genau zu sein) durch den Süden Albaniens stand fest: Der Hin- und Rückflug Tirana – Frankfurt, Berat und Gjirokaster mit ihren historischen Altstädten waren Pflicht (UNESCO-Weltkulturerbe!), Saranda mit der Ausgrabungsstätte Butrint im Süden ebenfalls. Zurück nach Tirana ging es die Küstenstraße entlang; „nice to have“ wäre ein Abstecher nach Kruja gewesen. Dafür reichte die Zeit nicht mehr, anstelle dessen besuchten wir die Hafenstadt Durres.

Vorwort

Wie soll man auch planen - in einem Land, das keine Busfahrpläne und selten Straßennamen kennt, erst vor kurzem die ersten Fahrschulen eingerichtet hat und die wenigen Reiseführer schon nach zwei Jahren nicht mehr stimmen? Bus-Etappen, Abfahrten, Übernachtungen usw. sollten sich vor Ort und spontan ergeben. Und es ergab sich ... Denn alles ist möglich durch Begegnungen. Wir trafen weitere Reisende, die sich mit derselben Neugier wie wir auf den Weg gemacht hatten. Und lernten viele hilfsbereite Albaner kennen: den Schuhmacher, der meine heiß geliebten Uralt-Wanderschuhe mit Leim, Nadel und Faden vor dem Auseinanderfallen rettet und sich als Lohn lediglich über die Bilder und den Brief freut, die wir ihm versprechen. Die Ladenbesitzerin, die uns zum Museum in Gjirokaster führt, da es keinerlei Hinweisschilder gibt. Den Fahrer, der uns unaufgefordert ein Stück die Küstenstraße mitnimmt. Und viele weitere mehr.
Sicher erlebten wir auch das Gegenteil: Hotelpersonal, das hinter dem Rücken der Besitzer in die eigene Tasche wirtschaftet, und unverschämte Taxifahrer. "Nuk ka pyll pa derra" - es gibt keinen Wald ohne Schweine - sagt der Albaner hierzu. Will heißen: Ärsche gibt es eben überall.

Wundern muss man sich nicht. Jeder versucht nach Kräften, Möglichkeiten und Charakter, sein Glück zu machen in einem der ärmsten und rückständigsten Länder Europas, das Zeit seines Daseins keine eigene Identität entwickeln durfte und dessen Bevölkerung unter der Knute profitgieriger und grausamer Herrscher leben musste.

Die Krise, in der das Land momentan steckt, ist allgegenwärtig. Auf der einen Seite Aufbruchstimmung und ein kleiner Aufschwung durch EU-Hilfen, auf der anderen Misstrauen der Regierung gegenüber. Denn von Oben kam noch nie was Gutes. Und auch der EU steht man kritisch gegenüber - müsste man sich dann doch unendlich vielen Regularien unterwerfen. Dafür gebührt ihnen meine volle Bewunderung! Denn dann wäre Schluss mit frei laufenden Nutztieren, naturbelassenem, schmackhaftem Gemüse und menschlichem Miteinander, das wir hier gar nicht mehr kennen. Obgleich man sich zumindest Umweltrichtlinien für dieses wunderschöne Land nur wünschen kann. Und ich drücke die Daumen, dass Albanien niemals vom Billigtourismus verschlungen wird, sondern seine Angebote auf eine bewusst reisende Zielgruppe hin ausrichtet.

Wir unternehmen diese Reise zu zweit - zwei allein lebende Ladies in mittleren Jahren, was es natürlich nicht einfach macht, zehn Tage aufeinander angewiesen zu sein. Doch wir eignen dieselbe Flexibilität und empfinden viele Eindrücke ähnlich. Sprachlich schlagen wir uns weitgehend auf Englisch durch; die Albanischkenntnisse, die ich mir in einem VHS-Kurs angeeignet habe, werden mit Freude quittiert und sind oftmals hilfreich.
Aber jetzt geht's los - hajde!

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Die Reise
 
Details:
Aufbruch: 16.05.2010
Dauer: 11 Tage
Heimkehr: 26.05.2010
Reiseziele: Albanien
Der Autor
 
Kathrin Hentzschel berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.
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