Die Slowakei bei Regen kennenlernen

Reisezeit: August / September 2010  |  von Manfred Sürig

Slowakisches Paradies

Während Domi im Zug nach Hause rollt, bricht in Poprad im Rest der Nacht der Regen wieder aus.

Tony und ich wollen weiter.
Aber wohin, wenn der Regen immer wieder neu beginnen kann mit open end ?
Das Slowakische Paradies ist nur 38 km entfernt, das müsste eigentlich in den Regenpausen zu schaffen sein.
Außerdem führt der Weg nur ein kurzes Stück auf der Hauptstraße, so wird am Ende doch noch ein vergnüglicher Trip daraus.
Schon mittags sind wir dort und mieten uns in Myto in der Feriensiedlung Podlesok am Rand des Nationalparks Slovensky Raj eine Hütte für 7 Euro/Nacht und Bett. Heizung könnten wir gebrauchen, aber die wird noch nicht angeschaltet, also werden wir uns warmlaufen müssen.
Dazu bietet sich der Aufstieg in einer Klamm an. Sucha Bela soll die schönste sein, also nehmen wir die!

Das wird kein Spaziergang! Gut, dass wir kein Gepäck dabei haben und unsere Hände frei sind zum Balancieren oder Festhalten! Im Bett eines Baches geht es steil bergauf, und wenn Wasserfälle zu überwinden sind, führt der Weg über Holzstege oder Steigleitern. Dabei bieten sich immer neue großartige Blicke in eine wilde Natur. Dass der Bach braunes Hochwasser führt, wo sonst im Sommer das Bachbett ausgetrocknet ist, verstärkt den abenteuerlichen Eindruck nur.

Teils auf allen Vieren kommen wir flott voran, wobei wir den Regen, der schon wieder eingesetzt hat, gar nicht bemerken. Eine Stunde klettern wir schon, eigentlich müssten wir doch bald oben sein ?
Nun müssen wir durch eine ganz enge Spalte, der Bach unten, wir oben dazwischen !

Niemand begegnet uns. Wie sollte das auf den Leitern auch gehen ?

Danach öffnet sich die Landschaft, wir haben nur noch geringe Steigung und kommen kurz darauf an einer Schotterstraße heraus. Wir werfen einen Blick zurück und sind erstaunt: Den Weg, den wir gekommen sind, darf man nicht in Gegenrichtung gehen!
Wir müssen dem bezeichneten Wanderweg weiter folgen, der nach Klastorisko weist, einem früheren Kloster, das einmal Zufluchtstätte war, wenn die Einwohner dieser Gegend wieder einmal von fremden Truppen bedrängt wurden.
Heute kreuzen sich beim Kloster zahlreiche Wanderwege - wir hätten die Karte besser mitnehmen sollen! So verlassen wir uns darauf, dass die gelbe und später die grüne Markierung zurück nach Podlesok führt, wenn auch vielleicht nicht auf dem kürzesten Weg.
Aber es geht steil bergab!
Am Ende kommen wir an einer Feriensiedlung heraus, aber es ist nicht die, bei der wir uns eingemietet haben. Mit Gefühl und Kompass finden wir aber auch den Rest des Weges und kehren in der Gaststätte unserer Feriensiedlung ein, wo wir unter lauter slowakischen Spezialitäten wählen können: Langosch, eine Pizza auf ungarische Art und Bryndza halusky, einem schmackhaften Gericht aus rohen und gestampften gekochten Kartoffeln mit dem Schafskäse Brydza, dazu übergossen mit gerösteten Speckstücken!
Eine Kalorienbombe für schlappe 3,40 Euro, die uns anschließend einen gesunden Verdauungsschlaf garantiert.

Am nächsten Morgen scheint die Sonne !
Anlass genug für uns, ein Frühstück auf der Terrasse der Rezeption des Ferienparks zu genießen. Alles, was wir dazu benötigen, kaufen wir im Potravinny daneben,, der heiße Tee wird eigens für uns zubereitet.
Heute wollen wir nach Süden radeln auf einer Straße, die nicht für Lastwagen zugelassen ist.

Nach 8 Kilometern dann dieses Schild! Eine Umleitung gibt es nicht. Fragen können wir auch niemand, weil niemand zu sehen ist.

Also begutachten wir erst einmal die nähere Umgebung, und die ist romantisch genug! Waldarbeiter haben entwurzelte Bäume von der Straße zu räumen und haben mit dem Abfallholz ein großes Lagerfeuer angezündet. Von hier gehen Fußwanderwege in alle Richtungen, ein Paradies für Wanderer !

Umkehren kommt für uns nicht infrage! Und wenn wir unsere Räder tragen müssen, wir wollen hier weiter über den Berg! Das wird aber eine lange Strecke, und zum Schluss führt sie mit ständigen 12 % Steigung über weite Kehren.
Wir finden auch die Baustelle, derentwegen die Straße gesperrt ist: Ein Erdrutsch hatte sie verschüttet und ein Team von Arbeitern hat sie gerade wieder passierbar gemacht, wir sind sogar die ersten, die die frisch asphaltierte Straße benutzen können ! Auf 1150 m Höhe ü.M erreichen wir die Passhöhe, eine Tafel weist auf den herrlichen Blick, den man hier haben soll und auf die einzigartige Vielfalt an Flora hin - wir sehen leider nur anrückende neue Regenwolken. Kurz vor dem einsetzenden Regen können wir noch talabwärts sausen bis zur Einmündung auf die Hauptstraße vom Tal des Hlinec zum Tal des Hron südlich der Niederen Tatra.
Dort treffen wir schnell die Entscheidung, auf den nächsten Bahnhof Stratena zuzusteuern, um per Bahn nach Telgart fahren zu können.

Fluchtartig gelingt es uns noch, einen kleinen Laden mit Biertheke zu erreichen.
Dort picknicken wir in der Hoffnung, dass der Regen bald aufhört.
Aber die Wirtin hat den Bahnfahrplan: drei Mal am Tag fährt ein Zug, der nächste um 13.57 Uhr.
Also wieder Augen zu und durch!
Für 2,12 Euro können wir uns und unsere Fahrräder trocken transportieren und dabei noch einen weiteren Pass überqueren, hinter dem die Bahn eine Tunnelschleife über der Ortschaft Telgart durchfährt.

© Manfred Sürig, 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Zehn Jahre nach meiner ersten Radtour in die Slowakei wollte ich diese Tour möglichst exakt genauso noch einmal erleben. Dass sich das Land seitdem stark verändert hat, wusste ich, auch, dass mit deutlich mehr Verkehr zu rechnen sein würde, nur dass das Wetter auch mal nicht mitspielt, das hatte ich nicht einkalkuliert
Details:
Aufbruch: 30.08.2010
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 19.09.2010
Reiseziele: Polen
Slowakei
Ungarn
Der Autor
 
Manfred Sürig berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.