Vor dem Start!

Reisezeit: Januar - April 2019  |  von Gundula Henkel

Von Süd nach Nord quer durch Neuseeland: Whanganui

Halt in Whanganui und Fahrt entlang des Whanganui River nach Pipiriki

Zur Mittagszeit erreichen wir Whanganui, ca. 40 Tausend Einwohner und eine der ältesten Städte des Landes mit zahlreichen Stadtbezirken, die sich vom Meer bis zum Ufer des gleichnamigen Flusses erstrecken. Bis in die 1950er Jahre sollen Trams die einzelnen Stadtgebiete verbunden haben. Heute steht im Depot noch ein Wagen, liebevoll saniert mit Geld von einem großzügigen Spender, um Touristen und Einheimischen Fahrten entlang des Flusses am Sonntagnachmittag zu ermöglichen. Wir stellen unser Auto in der Victoria Avenue ab, der Hauptstraße des Ortes. Es ist ruhig, Sonntag eben. Wobei einzelne Geschäfte sind geöffnet, Restaurants sowieso. Die Gebäude zu beiden Seiten sind zum großen Teil aus der europäischen Gründerzeit. Sehr gut erhalten verleihen sie dem Stadtbild einen besonderen Charme. Vom Zentrum aus auf einer Anhöhe weithin sichtbar die War Memorial Hall und entsprechende Parkanlagen, von denen wir einen schönen Blick auf die Stadt und den Fluss haben. Zurück am Fluss lassen wir uns im Informationszentrum für unsere Weiterfahrt in den Whanganui Nationalpark beraten.
Wir buchen für den Folgetag einen Ausflug zur Bridge to Nowhere am oberen Verlauf des Whanganui Flusses und lassen uns einen Platz auf dem Campingplatz in Pipiriki reservieren. In dem Ort mit dem lustigen Namen Pipiriki, so lassen wir uns berichten, beginnen die verschiedensten Touren zu Wasser und zu Land. Bis hin zum Extremsport ist alles möglich.

Von Whanganui aus führt eine 64 Kilometer lange Straße durch die Berge und entlang des Flusses in die Berge. Einmalig schön und so ganz anders, als das, was wir bisher in Neuseeland gesehen haben. Zwar sind das Auf und Ab, die engen Kurven, die Unebenheiten auf der Straße eine ziemliche Herausforderung für den Fahrer, und wir brauchen für die Strecke gut zwei Stunden. Aber wir werden belohnt mit toller Sicht auf den Fluss im Tal, der sich durch die Schluchten zieht. Mal fallen die Berghänge wie abgeschnitten ab, mal sind sie begrünt mit Laub- und Nadelwald und dazwischen mannshohe Farnbäume, die für Neuseeland typischen Silberfarne, die von weitem wie Palmen aussehen. Wir lernen später, dass diese Farne als Nationalpflanze Neuseelands angesehen werden. Denn, wie der Kiwi auch, sind die Farne nur in Neuseeland vorzufinden.

Mehr als 800 Jahre sollen die Maori hier in kleinen Orten gelebt haben. Sie haben das Land kultiviert und sich den Wald zunutze gemacht. Die Nadel- vor allem Kieferwälder gab es damals noch nicht. Die kamen mit den europäischen Siedlern und werden vor allem für den Hausbau benötigt, die zum großen Teil aus Holz bestehen. Heutzutage soll auch viel exportiert werden, u.a. nach China.
Anfang des letzten Jahrhunderts kamen die Europäer und haben das Flussbett ausgebaut, zunächst für die Wirtschaft, dann für den Tourismus. Straßen wurden angelegt. Das hat zur Verlegung der meisten ursprünglichen Besiedlungen der Maori geführt. Nur in wenigen Orten sind Häuser im Maori Stil erhalten bzw. neu errichtet wurden. Sie werden für Gäste als Unterkünfte, meist von Maori, betrieben. Auch die wunderschöne Holzkirche und das dazugehörende Anwesen in Jerusalem kurz vor Pipiriki – sie soll die meistfotografierte Kirche in Neuseeland sein – gehören einer maorischen Familie. Sehr idyllisch gelegen, einfach, aber geschmackvoll eingerichtet, von Gläubigen The Sisters betrieben, bieten sie Pilgern und Glaubensgemeinschaften Unterkunft und Ruhe in völliger Abgeschiedenheit..
Auch der Campingplatz Pipiriki in einem herrlich gelegenen Tal inmitten des Regenwaldes wird von Maori verwaltet. Wir genießen die warme Abendsonne und Ruhe. Wir kommen zum Lesen und Schreiben, denn es gibt weder Netz noch Wifi.

In Whanganui Zentrum

In Whanganui Zentrum

Das alte Straßenbahndepot in Whanganui

Das alte Straßenbahndepot in Whanganui

Blick auf den Whanganui River

Blick auf den Whanganui River

Farnbäume (Silberfarn)

Farnbäume (Silberfarn)

Maurisches Anwesen in Koriniti

Maurisches Anwesen in Koriniti

Katholische Kirche in Jerusalem

Katholische Kirche in Jerusalem

Der Konvent der Kirche. Hier und in den umliegenden Wohnbereichen können Pilger und Einsiedler unterkommen.

Der Konvent der Kirche. Hier und in den umliegenden Wohnbereichen können Pilger und Einsiedler unterkommen.

Unser idyllisch gelegener Campingplatz

Unser idyllisch gelegener Campingplatz

Mit dem Jetboat zur Bridge to Nowhere

Am nächsten Morgen liegt Tau auf der Wiese, Nebel hängt über dem Tal, dicht und feucht. Aber die Sonne scheint bereits kräftig vom Himmel und je weiter sie über die Berge kommt, desto mehr blauer Himmel zeigt sich. Wir ziehen uns trotzdem warm an für die Fahrt Flussaufwärts, die ca. 50 Minuten dauern soll. Mit uns bereiten sich zwei Paare aus den Niederlanden, deren B&B Host aus Whanganui und ein Paar aus Kanada für die Fahrt vor. Thomas, ein einheimischer Maori, der nach jedem Satz laut auflacht und über ein sonniges Gemüt verfügt, wird uns am Tag begleiten und uns viel über die Traditionen und Geschichte seiner Vorfahren, über die Entwicklung in seiner Heimat, der Whanganui Flussregion, berichten.

Zunächst aber werden wir mit Schwimmwesten ausgestattet und zum Boot an einer kleinen Anlegestelle gebracht. Nachdem Thomas uns alle Sicherheitsregeln erklärt hat, nimmt er sein basecap ab, verbeugt sich tief und beginnt auf maorisch sehr emphatisch laut zu sprechen. Auch die Natur scheint in diesem Moment innezuhalten. Er verbeugt sich ein letztes Mal, nimmt Platz und legt los.
Obwohl es windstill ist, spüren wir den starken Fahrtwind. Thomas nimmt die einzelnen Stromschnellen mit großem Geschick, immer wieder bremst er ab, um uns von der Lebensweise der Maoris zu berichten. Er erklärt uns, wie damals Aal gefangen, wie Viehzucht betrieben wurde, warum er heute noch im Nationalpark mit seiner Familie lebt, und dass nur wenige Familien überhaupt verblieben sind, die heute vor allem die Unterkünfte für Touristen und Gäste im Park zu betreiben. Sein Großvater begann in den 1950er Jahren, Jetboat- und Kanufahrten auf dem Fluss anzubieten. Seine Familie wollte ihr angestammtes Land nicht verlassen, es gehörte dem Stamm, der Familie seit Ewigkeiten. Wir lernen, dass Maoris das Land, auf dem sie geboren werden, auf dem sie aufwachsen, als „ihr“ Land ansehen. Nicht im Sinne, wie wir es verstehen, als Eigentum, sondern als natürliche Lebensgrundlage,, die aufbereitet und kultiviert wird für das eigene Auskommen und für das zukünftiger Generationen. Im Verständnis der Maoris kann Land nicht einfach veräußert werden, ist keine Ware, über die man beliebig verfügt. Wir hören später von unseren neuseeländischen Begleitern, dass der Vertrag von Waitangi im Jahr 1840 zwischen der britischen Krone und 45 Stammesfürsten des Landes aus maorischer Sicht so gedacht war, dass Maori- Land in Maori Hand bleibt, und die neuen Siedler sich der Sitte der Maoris beugen. Doch englische Kolonialherren haben sich nicht immer darangehalten. In den 1850 und 1860er Jahren gab es zahlreiche lokale Kriege im Land, die dazu führten, dass Maoris von ihrem Land vertrieben wurden. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts kam auch auf britischer Seite die Einsicht, sich mehr oder minder an den Vertragstext zu halten. Die Maoris reichen bis heute Klagen auf Rückgabe ihres Landes ein, doch das erweist sich zunehmend als recht schwierig. Denn vor allem nach dem 1. Weltkrieg wurde Maori Land an die zurückgekehrten Soldaten verteilt. Der Großvater unseres Neuseelandausflüglers gehörte zu den vermeintlich Glücklichen. Denn das Land, das er erhielt, war unwirtlicher und dichter Urwald. Eine Strapaze für die gesamte Familie. Und was er vom Leben der Familie damals berichtet, ist für uns heute unvorstellbar. Fünf Jahre haben er und seine Familie durchgehalten, dann sind sie ebenfalls weggezogen. Neues Land wurde gekauft, aufbereitet. Für Europäer kein Problem, aber für einen Maori wie Thomas auch heute noch unvorstellbar. Die Klagen sind zwar zumeist erfolgreich. Doch es wird kaum Land zurückgegeben. In der Regel bekommen die Stämme und Familien hohe Summen ausgezahlt, mit denen sie neues Business aufbauen, ihren Kindern Schul- und Universitätsausbildung ermöglichen können. Whale watch in Kaikoura ist ein mit rückerstattetes Geld aufgebautes Unternehmen, das bestens läuft und die den gesamten dort seit Jahrhunderten ansässigen Stamm versorgt und ein bisschen als Vorzeigeprojekt gilt.

Trotzdem wir im Stadtbild immer wieder auf Maoris treffen, sie vielfach auch beachtete Positionen innehaben, ringen die „brown people“ , wie die Maori gemeinhin genannt werden, wohl immer noch um Anerkennung und Respekt in der Gesellschaft. So, zumindest lesen wir es vielfach in der Presse.

Aber zurück zu Thomas und unserer Fahrt. Ca. 30 Kilometer legen wir auf dem glasklaren und stillen Wasser zurück. Über uns sehen wir den das verschiedene Grün des Waldes. Die Silhouete spiegelt sich eins zu eins im Wasser, ein einmaliges Panorama. Neben den Farnbäumen wachsen die Manuka Sträucher, deren Blüten für den bekannten Manuka Honig sorgen. Thomas macht unsere Mitreisenden auf die vielen Stromschnellen aufmerksam, sie wollen die letzten 10 Kilometer zurück mit dem Kanu zurücklegen. Wir sind froh, die komfortable Variante mit dem Boot gewählt zu haben. Gegen Mittag halten wir an einem kleinen Steg an. Es geht einen kleinen schmalen, aber gut ausgebauten Weg zur Brücke ins Nichts, die irgendwo im Regenwald den Fluss überquert. Wir machen Rast auf der Brücke. Thomas sorgt für Kaffee, Tee und Gebäck und erzählt uns, während wir uns im Schatten Getränken und Essen hingeben, von der Geschichte des Flusses und der Brücke. Er hat viel Bildmaterial dabei. Andernfalls hätten wir uns so manche Begebenheit auch gar nicht vorstellen können.
Der Whanganui Fluss gehört mit 290 Kilometer Länge zu den längsten Flüssen des Landes und wurde, weil er in der Vergangenheit auch zu den Flüssen mit viel Frachtverkehr vom Süden nach Norden, Auckland, gehörte, auch Rhein Neuseelands genannt. Schon der niedrige Wasserspiegel zeigt uns, dass diese Zeit lange vorbei sein muss. Bereits als die Brücke geplant und dann 1936 fertiggestellt wurde, sehr massiv und für die Ewigkeit gedacht, so scheint es, war klar, dass der Transport zunehmend über die nach der Weltwirtschaftskrise gebauten Straßen geführt wird. Damit wurde die Brücke eigentlich von Beginn an obsolet. Zwei Pferdewagen sollen sie eingeweiht haben, dann wuchs lange Zeit meterhoch das Gras darauf, bis einer der Erbauer in den 1990er Jahren das „Elend“ sah und sich starkmachte, die Brücke wenigstens als Touristenattraktion zu nutzen.

Gegen 15 Uhr sind wir wieder zurück in Pipiriki, und nach einem Kaffee geht es weiter in Richtung Lake Taupo, dem größten Binnensee Neuseelands. Wir fahren an dem heiligen Berg Ruapehu der Maoris vorbei. Knapp 2800 Meter hoch und auf der Spitze mit Schnee bedeckt. Dann sehen wir in der Ferne den Vulkan Ngauruhoe (2291 m) und den für seinen alpinen Crossing Treck bekannten Tongariro (1968 m) im Tongariro Nationalpark. Wir lassen aber alle Berge östlich liegen und fahren direkt an das Südufer des Lake Taupo. Noch scheint die Sonne, und wir erfrischen und erholen uns in dem glasklaren Wasser des Sees. Das Wasser ist angenehm warm, womöglich auch deshalb, weil wir so langsam an das Gebiet der Thermalquellen nördlich vom See kommen. Am Tag darauf werden wir die ersten heißen Quellen am See am Nordufer sehen.

Thomas, unser magischer Begleiter

Thomas, unser magischer Begleiter

Auf dem Weg zur Brücke ins Nichts durch den Regenwald

Auf dem Weg zur Brücke ins Nichts durch den Regenwald

Blick auf die Bridge to Nowhere

Blick auf die Bridge to Nowhere

Der heilige Berg Ruapehu

Der heilige Berg Ruapehu

Der Vulkan Ngauruhoe

Der Vulkan Ngauruhoe

© Gundula Henkel, 2019
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Die Koffer sind gepackt. Ziemlich ungewöhnlich für uns. Eigentlich sind wir die Spätpacker kurz vorm Losmarschieren. Doch diese Reise ist anders als alle unsere Unternehmungen zuvor. Wir sind 71 Tage in 5 Ländern unterwegs, davon gut 30 Tage in Campern in Australien und Neuseeland. Absolutes Neuland für uns ! Daher die lange Vorbereitungszeit. Mit der Routenplanung begannen wir im letzten Sommer. Ein tolles Reisebüro, Kinder und Freunde standen mit viel gutem Rat zur Seite.
Details:
Aufbruch: 21.01.2019
Dauer: 10 Wochen
Heimkehr: 01.04.2019
Reiseziele: Singapur
Fidschi
Japan
Der Autor
 
Gundula Henkel berichtet seit 5 Jahren auf umdiewelt.
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