Albanien 2019 - Roadtrip durch ein kaum bekanntes Fleckchen Europas

Reisezeit: Juli 2019  |  von Nick H.

Von Durrës nach Tirana

Es folgt unser letzter (und erster, da ich über Tirana ja hier gebündelt berichte) Tag. Es geht mit dem Van zum "Dajti Ekspres", einer Seilbahn im Osten Tiranas. Die Fahrt in der bewährten Doppelmayr-Gondel dauert recht lange, sodass man seinen Blick in aller Ruhe über die Hauptstadt schweifen lassen kann. Ich prüfe, ob ich im Süden Tiranas sogar die Burg Petrela ausmachen kann, was mir allerdings nicht gelingt. Selbst die Frage, ob es von meiner Position überhaupt möglich wäre oder nicht, kann ich nicht abschließend klären...

Oben angekommen kann man u.a. Minigolf spielen, an diversen Schießständen schießen, einen Adventurepark besuchen, essen, trinken und wandern. Wir entscheiden uns nach einem Rundgang für das anti-alkoholische Trinken im Drehrestaurant des Dajti Tower Belvedere Hotels. Auch von hier hat man einen netten Rundum-Blick, jedoch schaffen wir nur eine Vierteldrehung mit dem rotierenden Restaurant, bevor wir es wieder verlassen. Dafür macht uns der Kellner - ohne, dass wir gefragt hätten - während unser Anwesenheit deutsche Musik (u.a. "SIDO - Astronaut") an. Hier wird Service großgeschrieben, haha!

Direkt unterhalb der Seilbahn befindet sich das Geschichtsprojekt "Bunk'Art 1" (in der Innenstadt gibt es noch Bunk'Art 2). Hierbei handelt es sich um eine Ausstellung in einer riesigen unterirdischen Bunkeranlage. Initiiert wurde das Projekt durch die albanische NGO "Qendra Ura".

Um die unfassbare Menge an Bunkern (mindestens 173.000!!) in Albanien ansatzweise verstehen zu können, muss man sich die jüngere Geschichte kurz vor Augen halten:
Zwischen Albanien und den sozialistischen Staaten Osteuropas kam es 1961 zum Bruch. Nachdem die Russen in die Tschechoslowakei einmarschierten, trat Albanien als Reaktion im Jahr 1968 aus dem Warschauer Pakt aus. Dadurch entstand bei der Führung allerdings die Angst, dass die ehemaligen Verbündeten ihr Land besetzen könnten. Die suspekten amerikanischen und britischen Imperialisten waren einem sowieso nie ganz geheuer. Hinzu kamen die Griechen im Süden, mit denen man sich noch im Kriegszustand befand sowie das angespannte Verhältnis zu Jugoslawien. Und dann die Italiener...sie hatten Albanien bereits 1939 überfallen. Kurzum: Feinde, soweit das Auge reicht!!

Das Ziel von Enver Hoxha war daher, für je vier Albaner einen Bunker zu bauen, was dann rund 750.000 Bunkern entsprochen hätte. Im Invasionsfall wäre die Bevölkerung bewaffnet worden und hätte so massiven Widerstand leisten können. Laut einer 2014 aufgetauchten Liste waren 1983, kurz vor dem Ende der Bauphase, gut 173.000 Bunker fertiggestellt. Es gibt allerdings auch deutlich höhere Schätzungen. Klar, dass der hierfür benötigte Stahlbeton für Häuser oder andere Infrastrukturprojekte nicht mehr zur Verfügung stand. Zusammen mit der Isolationspolitik war es eine schwere Herausforderung für die ohnehin schwächelnde Volkswirtschaft.

Früher diente die Bunkeranlage am östlichen Stadtrand als Unterschlupf für Enver Hoxha und seine engsten Unterstützer. Heute wird in Dutzenden Räumen die Geschichte der Hoxha-Ära anhand von Fotos, Dokumenten und Ausstellungsstücken erzählt. Im Zentrum der Anlage befindet sich eine ehemalige Versammlungshalle, die inzwischen u.a. für Jazzkonzerte genutzt wird.

Man beachte den Arm auf dem Boden...

Man beachte den Arm auf dem Boden...

Nachdem wir die Bunkeranlage wieder verlassen, meint ein Kumpel, dass neben ihm gerade ein kleiner Skorpion herumläuft. Ich belächle diese Aussage, bis ich ihn mir selbst ansehe. Tatsächlich, huch! Ok, er ist winzig, aber vielleicht hätten wir in den vergangenen Tagen beim querfeldein durch die Gebüsche rennen doch etwas bedachter vorgehen sollen...? Naja, zu spät!

In Tirana selbst ziehen wir natürlich das klassische Touri-Programm durch: Skanderbeg-Platz mit Uhrturm (mit seinen 35m Höhe war er bis 1970 das höchste Gebäude in Tirana!), Et’hem-Bey-Moschee, Auferstehungskathedrale, Pauluskathedrale (inkl. Mutter Teresa, die übrigens albanischer Abstammung war), Pyramide von Tirana, Boulevard, Großer Park von Tirana inkl. See, usw.

Lohnenswert aufgrund seiner gemütlichen Atmosphäre ist noch der "Pazari i Ri"! Am frisch (2015-2017) sanierten Markt kann man an diversen Ständen alles Mögliche käuflich erwerben oder aber sich hinsetzen und etwas essen oder trinken. Empfehlen kann ich das "Craft & Natural Puka Beer" (der Name ist semi-vorteilhaft), welches man in einem der dortigen Läden bekommt.

Skanderbeg-Platz

Skanderbeg-Platz

Skanderbeg-Statue

Skanderbeg-Statue

Et’hem-Bey-Moschee

Et’hem-Bey-Moschee

Pyramide von Tirana

Pyramide von Tirana

Auferstehungskathedrale Tirana

Auferstehungskathedrale Tirana

Der kürzeste Radweg der Welt. ...einmal mit Profis arbeiten!!

Der kürzeste Radweg der Welt. ...einmal mit Profis arbeiten!!

Am späten Nachmittag haben wir sogar noch Zeit für einen Kaffee mit einem sehr sympathischen weiblichen Mitglied der Albanien-Facebook-Gruppe! Sie hat mir bereits vor der Reise ein paar gute Tipps gegeben und auch ihr 'Ich bin zur gleichen Zeit im Land, dies ist meine albanische Handynummer und wenn iiiirgendwas ist, melde dich einfach!' klang im Vorfeld natürlich beruhigend. Wäre die Verkehrskontrolle am Vortag anders gelaufen, wäre sie wohl mein "wichtiger Kontakt" geworden, haha! Auch sie "darf" uns noch etliche Fragen über Land & Leute beantworten, bevor wir uns verabschieden und Richtung Blloku-Viertel ziehen. Hier spielt sich ein Großteil des Nachtlebens ab und es gibt viele Bars, Restaurants, Cafés und Läden.

Die für uns beste Bar haben wir aber ganz woanders gefunden! Ein kleines Stück nordwestlich des Skanderbeg-Platzes findet man die Hemingway-Bar. Hier sind wir an beiden Abenden versackt, da Atmosphäre und Musik toll sind, die Drinks gut schmecken und die Leute sehr entspannt wirken. Außerdem gibt es eine Hauskatze, die meist auf dem Tresen schlummert. Prinzipiell gibt es auch Live-Musik, jedoch nicht zu den Zeiten, in denen wir anwesend waren.

Hemingway-Bar

Hemingway-Bar

Hemingway-Bar

Hemingway-Bar

Guter Vorsatz!

Guter Vorsatz!

Beamer-Projektion vor der Hemingway-Bar

Beamer-Projektion vor der Hemingway-Bar

Die letzte Nacht ist nochmals abenteuerlich! Da unser Rückflug Sonntag früh um 6Uhr startet, kam im Vorfeld die Frage auf, ob wir nochmals drei Doppelzimmer buchen sollen oder einfach bis 3Uhr durchmachen und dann zum Flughafen fahren. Da wir fast alle bereits am Montag wieder arbeiten müssen, haben wir uns auf einen Kompromiss geeinigt und ein deutlich günstigeres Appartement für sechs Personen gebucht: Ein Doppelbett, ein Hoch-/Etagenbett sowie zwei kleine Sofas in der Küche. Das Appartement selbst ist völlig in Ordnung, erwähnenswerter ist eher das Haus! An der Rezeption sollen wir einem älteren Herrn zum Aufzug folgen. Da wir sowieso nicht alle hineinpassen, stellen wir sämtliche Koffer sowie einen Mitreisenden hinein und wir anderen wollen laufen. Mehrfach versuchen wir vom Mann zu erfahren, in welchen Stock wir denn nun müssen. Nachdem uns zwei Mal drei erhobene Finger gezeigt werden, stapfen wir in den besagten Stock. Nichts! Wir rufen hoch, wir rufen runter...auch nichts. Hm...ich wage mich mal zwei Stockwerke weiter nach oben, langsam wird es dunkler und schmutziger auf den Fluren. Etwas gruselig! Irgendwann klärt sich das Ganze auf, wir hätten in den ZEHNTEN Stock gemusst! Wahrscheinlich meinte der Herr, dass drei Personen in den Aufzug passen, aber wirklich vorteilhaft war seine Zeichensprache nicht. Uns bleiben noch rund 2-3 Stunden Schlaf, von denen ich die erste damit verbringe, einem albanischen Ehepaar beim exzessiven Streiten zuzuhören... Dünne Wände! Aber alles in allem noch einmal ein lustiges Erlebnis und nach dem luxuriösen Hotel in Durrës ein schöner Kontrast.

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge geht es zum Flughafen. Aus eigener Blödheit umrunden wir diesen nochmals direkt am Stacheldrahtzaun zum Rollfeld auf diversen Feldwegen, ansonsten geht alles glatt. Eine verdammt ereignisreiche und abwechslungsreiche Zeit geht zu Ende...

© Nick H., 2019
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mit sechs Mann ging es per selbst organisiertem Roadtrip für neun Tage durch Zentral-, Süd- und Ostalbanien...
Details:
Aufbruch: 05.07.2019
Dauer: 10 Tage
Heimkehr: 14.07.2019
Reiseziele: Albanien
Der Autor
 
Nick H. berichtet seit 7 Jahren auf umdiewelt.