Beluga geht durchs Nadelöhr 2

Reisezeit: Mai - Oktober 2004  |  von Doris Sutter

Die Cote d'Azur

17.8. Saint-Tropez, Anse de Canebiers

Sail 24 sagt 4 Bft. ab 2 Uhr nachts voraus. Doch es ist völlig windstill. Auch noch morgens als wir einen Versuch wagen.
An der Rivierea Ponente und der Cote d'Azur ist jede Seemeile ein Jachthafen in den man evtl. flüchten kann.

Je näher wir Frankreich kommen desto steifer wird der Wind und höher die Wellen. Erschwerend hinzu kommt der irre Sportbootverkehr vor Monaco, Nizza und Cannes.
Mega-Yachten rauschen in voller Marschfahrt an uns vorbei oder überholen uns, oder kreuzen unseren Weg.
Große Motoryachten machen sich ein Vergnügen daraus zwischen den Massen von Seglern ihren Weg zu suchen. Der Verkehr ist schlimmer als in Frankfurt auf der Zeil.
Die von allen Seiten heranrauschenden Wellen machen unsere Fahrt zu einem Zickzackparcours.
Wir suchen eine einigermaßen geschützte Bucht in der Nähe von Saint-Tropez.
Die Bucht liegt wie alle Buchten im Mittelmeer voller Boote. Die in den Golf von Saint-Tropez rasenden Yachten bringen zur Dünung zusätzlichen Schwell. Alle Boote werfen sich ohne Unterbrechung von einer auf die andere Seite. Mittlerweile kann ich den Seglern die Abneigung gegen Motorboote nachfühlen. Es würde den Kapitänen in den großen Yachten wirklich nichts ausmachen langsam fahrenden Booten in großem Bogen auszuweichen, anstatt sie mit ihren riesigen Wellen in echte Schwierigkeiten zu bringen.
Manchmal empfinde ich es als ungerecht, dass Menschen die Stroh im Kopf auch noch Geld wie Heu haben.

Die Wettervorhersage für den nächsten Tag verspricht uns im Golf von Lion 7 Bft.

Wir ankern in der großen Bucht mit bestimmt hundert anderen Booten und erhoffen uns eine halbwegs ruhige Nacht, doch mit grellweißen Lichtblitzen und fernem Donnergrollen kündigt sich ein herannahendes Gewitter an.

Morgens um 4 feuern faustgroße Hagelkörner wie Handgranaten auf uns herab. Wir haben echte Bedenken, dass es uns die Scheiben einschlägt. Wir können nichts dagegen tun. Viel zu gefährlich nach außen zu gehen und sich bombadieren zu lassen. Es hört sich an als würden wir mit Wackersteinen beworfen.

Sämtliche Boote in der Bucht sind plötzlich in Bewegung. Von links treibt ein weißes Monster auf uns zu. Von rechts schießt ein großer Segler heran. Manfred stürzt an den Fahrstand, hupt wie wild und wirft die Motoren an.
Unser Anker hält bombig.
Mit Gewalt muss er ihn nach hinten ziehen um einen Zusammenstoß mit einem der anderen Boote zu verhindern. Eine riesenhafte gelbe Begrenzungsboje wird vom Wind auf uns zu katapultiert wie eine Kanonenkugel.
Der Segler ist endlich wach und zerrt seinen Anker von uns weg nach vorne. Auch er versucht sich von der gelben Boje frei zu halten. Das weiße Monster steht jetzt neben Belugas Vorschiff. Die gelbe Boje verschwindet vorne unter unserem Bug. Manfred zieht rückwärts. Die Boje wird nach rechts gedrückt, hüpft an uns vorbei zum Heck. Manfred zieht nach vorne, damit wir das Ankertau der Boje nicht in die Propeller bekommen.
Scheinwerfer hetzen durch die Nacht.
Es schüttet wie aus Kübeln.
Der Sturm fegt in die Masten der Segler und legt sie quer.
Blaulicht erscheint am Ufer. Die Feuerwehr. Es muss eingeschlagen haben. Plötzlich bestialischer Gestank. Die Kanalisation wird überlaufen sein.

Die Geräusche sind ohrenbetäubend. Männer schreien. Der Sturm heult. Sirenen jaulen. Hupen kreischen. Hagel schmettert aufs heilig Blechle und hochglanzpolierten Luxus. Regen trommelt. Die Wanten der Segler scheppern an die Masten. Motoren dröhnen. Inferno totale.
Das Wasser in der Bucht ist aufgewühlt, als würde Neptun seinen Dreizack zum Rühren benutzen. Meerwasser spritzt bis zu den Scheiben. Wasser fliegt vom Himmel und von der See. Der Himmel wettert als würde man eine Neonröhre ständig aus und ein schalten. Dann kommen richtige Blitze. Dem Krachen nach muss es immer wieder in der Umgebung einschlagen.
Nach 2 Stunden ist der Spuck vorbei.

Wer nicht sofort flüchtet sucht sich wieder einen Ankerplatz. Ruhe kehrt ein. Jeder leckt seine Wunden.

an der Riviera

an der Riviera

18.8. Anse de Cavaliere

Es bläst nur noch ein leichter ablandiger Wind und wir entschließen uns diesen unruhigen Platz zu verlassen und den nächsten Hafen anzusteuern.
Hinter dem Kap St.-Tropez stehen mal wieder 3 m hohe Wellen im Meer.
So kann man einfach nicht Boot fahren.
Wir steuern Port de Cavalaire an, doch sie weisen uns ab, sie wären voll.
Wir versuchen es 2 sm weiter in einer Ankerbucht. Hier wäre liegen ganz annehmbar, würden nicht auch hier ständig irgendwelche Idioten aus- und einrasen.
Trotz allem müssen wir die Dünung hier aussitzen.
Im Golf du Lion sind immer noch 3 - 7 Bft. gemeldet und entsprechender Seegang.

die zwei Brüder

die zwei Brüder

19.8. Cassis

Sail 24 revidiert die Wellenhöhe im Golf von Lion von 1,5 m auf 0,8 m und die Windgeschwindigkeit auf 2-3 Bft. In der Nacht ist es windstill und es läuft kaum Schwell in die Bucht.

Wir versuchen einen erneuten Anlauf. Wir treffen auf eine nur leicht bewegte See und mäßigen Wind.
Die Passage zwischen der Insel Porquerolles und dem Cap de l'Esetrel nehmen wir problemlos. Dann beginnt der Wind wieder aufzufrischen un die See legt mächtig zu.
Um Kap d'Aigle haben wir bereits wieder fast 3 m Wellen. Der Wind wird zunehmend stärker, läßt den Schaum von den Wellen fliegen. Wir flüchten in die Bucht von Cassis und sind glücklich einen Hafenplatz zu bekommen.
Der Wind pfeift in den Wanten. 8 Bft. messen die Segler.

20.8. Arles

Auch die letzten Seemeilen meint es der Golfe du Lion nicht gut mit uns. Bis wir in den Golfe de Fos einlaufen sehen wir aus wie eine Makrele im Salzteig.

Die Einfahrt in den Kanal St. Louis du Rhone ist nicht ganz einfach zu finden.

Immer wenn ich mit meinem miserablen Orientierungssinn denke: "Jetzt sind wir bestimmt falsch", liegen wir genau vor dem Punkt wo wir hin wollten.

Ich muss meinem Kapitän wirklich ein Kompliment machen.

Unser Abenteuer Donau und Umrundung Süd-Europa ist beendet.

Schiff und Manschaft haben sich tapfer geschlagen.

Der Heimweg über die Rhone sind Peanuts für uns.

Golfe du Fos vor der Einfahrt zum Kanal St. Louis du Rhone

Golfe du Fos vor der Einfahrt zum Kanal St. Louis du Rhone

© Doris Sutter, 2004
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Unsere Bootstour die Donau abwärts findet ihr im ersten Teil. Vom Donaudelta quer durchs Schwarze Meer führt uns unsere Heimreise durch den Bosporus, das Marmarameer, die Dardanellen, quer durch die Ägäis,rund Griechenland, die Straße von Korinth,wie auch die Straße von Messina, die italienische Westküste entlang, an der Cote d'Azur vorbei in die Rhone. Hier folgt der 2. Teil
Details:
Aufbruch: Mai 2004
Dauer: 5 Monate
Heimkehr: Oktober 2004
Reiseziele: Schwarzes Meer
Bulgarien
Türkei
Griechenland
Straße von Korinth
Ionisches Meer
Italien
Frankreich
Der Autor
 
Doris Sutter berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Doris sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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