Mit der Paradiso auf der Donau von Linz nach Sulina und zurück

Reisezeit: Mai - September 2007  |  von Brigitte und Andreas Kastler

Im Delta

In der Früh bekommen wir Besuch von Michael, dessen Boot vor uns liegt. Er ist Ornithologe und macht Bootsrundfahrten im Delta mit Erklärungen zur Natur. Wir vereinbaren für den nächsten Tag eine halbtägige Fahrt mit seiner Chettusa.
Beim See Nebun halten wir an - hier beginnt die strenge Schutzzone, die nicht betreten werden darf. Michael imitiert Vogelstimmen und lockt so einige Grauspechte an. Höhepunkt ist die Beobachtung eines jagenden Seeadlers, der immerhin eine Flügelspannweite von 2,80 Meter hat. Auf der Rückfahrt sehen wir sogar einen sehr seltenen schwarzen Storch und 2 Pelikane. Michael und seine Frau kochen die hier typische einfache Fischsuppe, gebackenen Wels, Karpfen und gebratenen Kürbis mit würziger Knoblauchsoße.

Mittagessen an Bord der Chettusa

Mittagessen an Bord der Chettusa

Am Donnerstag starten wir unsere Deltaexkursion im eigenen Boot und fahren auf verschlungenen Wegen nach Sulina, zum Stromkilometer 0. Wir besorgen uns im "Centru de Informacie" die Genehmigung zum Befahren des Deltas. Diese kostet € 7,-. Eine Karte des Deltas hat uns Michael geschenkt und uns eingezeichnet, wie wir am besten durch die Kanäle fahren. Kurz nach SM 36 biegen wir in den uns bereits bekannten Seitenarm ein und melden es ordnungsgemäß über Funk.

Enge Kanäle...

Enge Kanäle...

...durch die auch solche Ungetüme geschleppt werden

...durch die auch solche Ungetüme geschleppt werden

Hier ist der Fluss noch relativ breit. Die Spannung steigt jedoch, weil der Kanal nach der ersten Abzweigung sehr schmal und kurvig ist. Zudem ragen Äste teils bis über die Mitte herein. Vor uns tuckert ein kleines Ausflugsboot. Somit haben wir sogar einen Guide. Wir fahren mit max. 1500 Touren, rund 10 Stundenkilometer. Gelegentlich überholt uns ein schnelles Sportboot in Gleitfahrt. Plötzlich erblicken wir ein entgegenkommendes Schiff und Sekunden später sehen wir, dass dieses Schiff ein noch größeres Hausboot mit rd. 30 Meter Länge und 6 Meter Breite schleppt. Jetzt wird es etwas eng. Bremsen mit Maschine retour. Natürlich läuft uns der Bug aus dem Ruder. Jedes Schiff navigiert äußerst nahe am Ufer. Doch es geht sich aus. Jetzt wissen wir auch, dass sich diese Schleppverbände am Funk mit "Remork" melden, die Positionsangabe in Rumänisch bleibt uns aber unverständlich.

Das Delta ist Europas größtes Feuchtgebiet und bietet rund 5400 Tier- und Pflanzenarten Lebensraum. Die weltweit größte zusammenhängende Schilffläche mit 1800 Km² bietet vor allem den Wasservögeln ein wahres Paradies: Rast- und Brutplätze für Reiher, Löffler, Rothalsgänse, Rosapelikane und Krauskopfpelikane. Der Fischreichtum bietet ihnen üppige Nahrung und stellt auch für die nur 15000 Einwohner des Deltas seit jeher die Lebensgrundlage dar. Neben Karpfen, Hecht, Barschen, Zander und Wels kommt hier auch der nicht nur wegen des Kaviars begehrte Stör vor. Wir sind beeindruckt von dieser ungewöhnlich schönen und interessanten Landschaft.

Geht es hier weiter?

Geht es hier weiter?

Nautisch ist dieses Gebiet durchaus eine Herausforderung, da es keine genaue Detailkarte gibt. Ist das eine Abzweigung oder eine Insel im Kanal? Wir lernen, die Farbe des Wassers zu beobachten. Gleiche Farbe, gleicher Wasserweg - hoffentlich. Oft sind es nur Nuancen. Ah, da kommt ein Boot, hier kann man zumindest fahren. Der erste Ort, den wir nach 5 Fahrstunden erreichen, ist Mila 23. Der Ort heißt schlichtweg Meile 23 wegen der Entfernung von Sulina. Wir finden auch einen Liegeplatz an einem anderen Boot und können eine Nacht bleiben. Wir revanchieren uns dafür mit kaltem Gösser-Bier und mit einer Schüssel Merci-Schokolade. Strom gibt es leider nicht und die Einheimischen sind auch sehr zurückhaltend. Die Erkundung des Ortes ist schnell gemacht. Es gibt ein Brotgeschäft, ein Beisl ohne Speisenangebot und ein Lebensmittelgeschäft mit bescheidenem Sortiment. Also kaufen wir Käse und verwöhnen uns mit Käsefondue.

In Mila 23 treffen wir auch Michael mit seiner Chettusa wieder

In Mila 23 treffen wir auch Michael mit seiner Chettusa wieder

Am Freitag fahren wir ein Stück zurück Richtung Lacul Fortuna. Als wir einen schönen Platz zum Ankern finden, hält erstmals der 36-kg-Buganker im stark bewachsenen Schlammgrund nicht. Wir finden einen Baum für eine Leinenverheftung. Wir liegen ziemlich nah am Ufer und beobachten Bisamratten und Frösche sowie die vorbeispazierenden Vögel. Eine Wasserschlange versucht sogar auf die Badeplattform zu kommen. Das Wasser lädt nicht zum Baden ein. Es ist dunkelgrün und trüb, darauf treiben Algen und Wasserpflanzen. Auf diesen tummeln sich tausende zierliche blaue Libellen.
Der nächste Morgen zeigt die volle Deltaidylle.

Ruhe von Sonnenaufgang...

Ruhe von Sonnenaufgang...

Nebelschwaden ziehen über das Wasser, lösen sich in der aufgehenden Sonne auf. Die Vögel erwachen langsam und die Lachmöwen werden ihrem Namen gerecht. Zahlreiche Froschfamilien haben sich rund um uns angesiedelt, ein Frosch hat es sich sogar keck auf unserem Propeller gemütlich gemacht. Große Muscheln treiben im Wasser. Ein Fischerboot fährt vorbei und die Fischer bieten uns ihren Fang an. Die Ruhe hier macht süchtig.

...bis Sonnenuntergang

...bis Sonnenuntergang

Am Sonntag laufen wir schon um 8.30 Uhr aus. Crisan hat zwar einige nette Lokale am Ufer, für uns jedoch keinen geeigneten Anleger. Bei SM 2 geben wir das Gas heraus und laufen langsam in Sulina ein. Ein ganz besonders ergreifendes Erlebnis: 2.132 Stromkilometer von zuhause entfernt an der Mündung ins Schwarze Meer. Und dann sehen wir ihn: Stromkilometer 0! Nicht wie erwartet eine schöne oder große Tafel, nein, eine ganz normale kleine Kilometertafel in rostigem Weiß mit der schwarzen 0.

Fast 2 Seemeilen ist Sulina lang. Eine schöne Uferpromenade auf der rechten Seite lädt zum Bummeln ein. Und wir finden einen ganz hervorragenden und speziellen Liegeplatz: Genau vis ä vis von Stromkilometer O ist der Ponton des Hafenmeisters, an den wir anlegen können. Ja, und eine Dose kaltes Bier zur Begrüßung sichert dann auch die Stromversorgung. Schon bald kommt ein freundlicher Herr vom Zoll, der wieder einmal ein Formular ausfüllen muss, von dem wir sogar eine Durchschrift bekommen: Wir haben es schwarz auf weiß: die Paradiso ist in Sulina. Für uns ist der Km 0 Endstation, hinaus auf das Meer können wir nicht. Wir bleiben am Oberdeck, da vom Meer die Capital Star, ein Monster-Seeschiff hereinkommt, die direkt vor uns am Großponton anlegt. Ein spannendes Manöver:
Das 25 Meter hohe Heck mit Führerstand liegt letztendlich ganz knapp vor unserem Bug.

Suchspiel: Wo ist die Paradiso?

Suchspiel: Wo ist die Paradiso?

Wir essen ausgezeichnet im Restaurant Coral. Jetzt wird uns so richtig bewusst, dass wir an unserem Ziel angelangt sind. Wir haben es geschafft, obwohl wir uns einig waren, dass wir im Falle von Problemen die Reise auch vorzeitig beenden würden. Unsere Fahrt bis hierher ist ein Geschenk, das wir wirklich zu schätzen wissen: optimale Wetterbedingungen, keine Unfälle und vor allem, unsere Paradiso fährt ohne Murren. Stolz sind wir auch darauf, Sulina ohne Grundberührung erreicht zu haben.

Geschafft!

Geschafft!

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Im Sommer 2007 haben wir unseren lang gehegten Wunschtraum erfüllt: Die Fahrt mit unserem Hausboot "Paradiso" ins Donaudelta und zurück. 4.450 Stromkilometer führten uns in 109 Tagen zu interessanten Begegnungen mit freundlichen Menschen und faszinierenden Landschaften.
Details:
Aufbruch: 30.05.2007
Dauer: 4 Monate
Heimkehr: 16.09.2007
Reiseziele: Österreich
Slowakei
Ungarn
Serbien
Rumänien
Bulgarien
Der Autor